Die Rangliste der reicheren und ärmeren Länder in der Europäischen Union muss neu geschrieben werden. Bei Deutschland, dessen Bevölkerung Jahrzehnte lang mit an der Spitze der einkommensstärksten Länder lag, macht sich jetzt die anhaltende wirtschaftliche Stagnation auch in den Statistiken der EU bemerkbar. Wie Eurostat, das statistische Amt der EU, festgestellt hat, ist der Wohlstand der Deutschen erstmals unter den Durchschnitt der 15 Mitgliedstaaten gesunken. Nach der neu veröffentlichten Erhebung lag das Pro-Kopf-Einkommen der Deutschen im Jahr 2002 nur noch bei 99,6 Prozent des EU-Schnitts. Im Jahr 1994, als erstmals das vereinte Deutschland in die Statistik aufgenommen wurde, lag der Wert noch bei über 108 Prozent.
Das statistische Amt sieht den Grund für die sinkenden Werte vor allem in den aus der früheren DDR hervorgegangenen neuen Bundesländern: Diese haben ihren Rückstand gegenüber dem Westen bisher nicht aufholen können und fallen im Vergleich zum Durchschnitt der EU sogar noch weiter zurück. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf der Bevölkerung liegt dort weiterhin nur zwischen 60 und 70 Prozent des Durchschnitts der gegenwärtigen EU-Staaten. Die Region Dessau in Sachsen-Anhalt erscheint mit einem Wert von 60 Prozent erstmals sogar in der Liste der zehn ärmsten Regionen der Union, auf der sonst vor allem strukturschwache Gebiete in Griechenland, Portugal und Spanien auftauchen.
Die Luxemburger mit einem Einkommen von 194 Prozent des EU-Schnitts bleiben weiterhin das reichstes Land der EU. Unter den Regionen sind nur das Zentrum der britischen Hauptstadt London mit 263 Prozent und die Region Brüssel in Belgien mit 217 Prozent noch reicher. Spitzenreiter in Deutschland bleibt weiterhin Hamburg mit 171 Prozent vor Oberbayern, das mit 148 Prozent ebenfalls noch zu den zehn einkommensstärksten Regionen der Gemeinschaft gehört.
Ab 1. Mai wird sich mit der Erweiterung das Wohlstandsgefälle innerhalb der EU noch weiter verstärken. Der Wohlstand der meisten der zehn Beitrittsländer liegt sogar noch unter der Hälfte des Schnitts der bisherigen EU.
Durch das Hinzukommen der ärmeren Beitrittsländer und den dadurch veränderten EU-Durchschnittswert werden die neuen Bundesländer in Deutschland fast durchweg auf Werte von über 75 Prozent kommen.
EU-Regionalkommissar Michel Barnier hat aber bereits zugesagt, dass die Förderung zunächst auch für die Regionen fortgesetzt wird, die durch die statistischen Effekte die Kriterien plötzlich nicht mehr erfüllen würden, ohne dass sich an ihrer Situation etwas geändert hat.