Auch wenn es weitere Fortschritte bei der Umsetzung des EU-Rechts in die nationale Gesetzgebung gegeben habe, sei die Liste der verbliebenen Mängel in den meisten Staaten doch noch lang. Kritisiert wurden vor allem der Mangel an ausreichende Verwaltungsstrukturen für den zweckgebundenen Einsatz von EU-Mitteln im Rahmen der Agrarpolitik, das Ansteigen der Arbeitslosigkeit und Schwierigkeiten bei der Integration von Minderheiten, insbesondere der Roma. Auch wenn die Kommission feststellt, dass nur drei Prozent der EU-Gesetzgebung den beitretenden Staaten noch Probleme bereiteten, dann stimme dies zwar sicherlich für die offizielle Übernahme in nationales Recht. Aber ihre lückenlose Anwendung in der Praxis bleibe möglicherweise noch eine Langzeitaufgabe, hieß es in der Debatte.
Selbstkritisch meinte Verheugen, dass das System der EU offenbar sehr kompliziert sei, was auch daran abzulesen sei, dass es weit über tausend Vertragsverletzungsverfahren gegen Altmitglieder, die seit langem mit dem System vertraut seien, vor dem Europäischen Gerichtshof gebe. Vor diesem Hintergrund würdigte auch Elmar Brok (EVP/D) als Generalberichterstatter des Parlaments die großen und erfolgreichen Anstrengungen der Beitrittsstaaten in den letzten Jahren und sagte: "Wir freuen uns auf den 1. Mai und wir freuen uns auf unsere neuen Partner."
Dementsprechend forderte das Parlament in seiner Entschließung Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern auf, ihre Anstrengungen zur Anpassung an die EU-Strukturen auch nach dem Beitritt unvermindert fortzusetzen. Auch die EU-Kommission soll ihren Druck aufrecht erhalten. Die Brüsseler Behörde solle konsequent Lebensmittelimporte aus denjenigen Neumitgliedern verbieten, in denen die Lebensmittelsicherheit nicht gewährleistet sei. Hintergrund ist die Feststellung, dass die Umsetzung des EU-Rechts im Veterinärwesen, und speziell bei den BSE-Kontrollen, noch erhebliche Mängel aufweise.
Zu dem in den Beitrittsverträgen ausgehandelten Recht, dass die alten EU-Länder Übergangsfristen bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern in Anspruch nehmen können, wovon besonders Deutschland und Österreich Gebrauch machen, fordern die Abgeordneten diese Staaten auf, die wirklichen Wanderungsbewegungen genau zu beobachten und die Bewegungsfreiheit möglichst frühzeitig voll zu gewährleisten. Generell sagte Kommissar Verheugen zu den mit der Erweiterung verbundenen Ängsten in den heutigen Mitgliedsländern, dass die politischen Eliten der Öffentlichkeit nicht ausreichend die große Herausforderung der Erweiterung verständlich gemacht hätten.
In den meisten Ländern wird in den Fortschrittsberichten zwar ein erhebliches und über längere Zeit stabiles Wirtschaftswachstum registriert, doch ist damit keine Entspannung bei der sozialen Lage verbunden. Die Arbeitslosigkeit steigt weiter und mit ihr eine krasse soziale Ungleichheit. Das Parlament empfiehlt daher Investitionen in die Sozial- und Wirtschaftspolitik, Erziehung und Gesundheit. Handlungsbedarf sehen die Abgeordneten auch in den Bereichen Korruptionsbekämpfung, der Kontrolle der Außengrenzen, beim Kampf gegen Menschenschmuggel und die organisierte Kriminalität.