Wir haben ihm immer wieder gesagt, er solle Bagdad verlassen", kommentiert Khalil al-Duleimi die Ermordung seines Kollegen. "Aber er wollte nicht." Er sei auf dem Standpunkt gestanden, dass nicht alle Anwälte des Verteidigerteams außerhalb Iraks wohnen könnten. Am vergangenen Mittwoch um sieben Uhr Ortszeit ist Khamis al-Obeidi aus seinem Haus in der irakischen Hauptstadt verschleppt worden. Eine Stunde später fand man ihn tot, mit fünf Kugeln erschossen. Obeidi gehörte von Anfang an dem elfköpfigen Verteidigerteam Saddam Husseins an. Khalil al-Duleimi ist der Chef des Teams.
Khamis sei ein äußerst sympathischer Kollege gewesen, sagt Ziad Khasawneh, ein weiterer Verteidiger, der die Kanzlei mit Duleimi in Amman teilt. Die meisten Anwälte des Teams wohnen mittlerweile außerhalb Iraks: in Dubai, Syrien, Libanon und Jordanien. Obeidi harrte aus und vertraute auf Allah. Er war hochgewachsen und hatte eine wohltuend besonnene Art, war sachlich in seiner Argumentation im Gerichtssaal. Mit seiner Frau saß er beim Frühstück, als Männer in Polizeiuniformen das Haus stürmten, ihren Ausweis vorzeigten und den Anwalt mitnahmen. "Für ein paar Fragen", wie seine Frau hinterher berichtete. Die Familie wohnt im Südosten von Bagdad, im Bezirk Dora, der derzeit als eine der gewalttätigsten Gegenden Bagdads gilt. Die Leiche Khamis wurde in der Nähe des im Nordosten liegenden Sadr-City gefunden. Duleimi und seine Kollegen vermuten schiitische Milizen hinter dem Anschlag. Im Armenviertel Sadr-City wohnen fast eine Million Schiiten. Moktada al-Sadr, der junge Schiitenrebell und seine Mahdi-Milizen, haben das riesige Stadtviertel voll im Griff.
Schon einmal wurde ein Mitglied des Verteidigerteams auf ähnliche Art und Weise umgebracht. Das war einige Tage nach Beginn des Prozesses im vergangenen Oktober. Einen Monat später wurden zwei Anwälte in ihrem Auto auf dem Weg zum Gericht beschossen. Einer der beiden starb, der andere wurde schwer verletzt. Khalil al-Duleimi pendelt seitdem zwischen Amman und Bagdad zu den Verhandlungen. Auch auf ihn wurde schon geschossen. "Wie sollen wir denn unter diesen Umständen arbeiten können?", fragt der Anwalt, sichtlich bewegt vom Tod seines Kollegen. "Das ist alles andere als ein faires Verfahren!"
Auch Curtis Doebbler, einer der beiden amerikanischen Anwälte von Saddam Hussein spricht von extremen Behinderungen, denen er und seine Kollegen ausgesetzt seien. In Bagdad selbst könnten sich die Anwälte kaum bewegen. Ihre Zeugen müssten sie außerhalb treffen. Eine Verteidigung in Damaskus oder Amman aufzubauen für einen Prozess, in dem es um ein Dorf nördlich von Bagdad ginge, sei eigentlich nicht durchführbar. Doebbler ist Honorarprofessor an der Universität Nablus, Teil der palästinensischen Autonomiegebiete. Er versteht sich als Menschenrechtsanwalt. In dieser Funktion habe ihn Saddam Hussein in sein Verteidigerteam berufen, das vornehmlich von der Frau des Ex-Diktators und seinen Töchtern zusammengestellt wurde. "Rechtsstaatlichen Kriterien hält dieses Tribunal nicht stand", sagt er im Gespräch mit "Das Parlament". So könne es passieren, dass der Richter abends bei ihm anruft und ihm mitteilt, dass er tags darauf nicht im Gerichtssaal zu erscheinen bräuchte. Hinterher habe er dann erfahren müssen, dass einer der Staatsanwälte mit den Zeugen der Verteidigung, die für die Dauer der Verhandlung in der "Grünen Zone" untergebracht sind, Gespräche geführt habe. Auch die Beugehaft, die der Vorsitzende Richter über vier der Zeugen der Verteidigung verhängte, sei ein Verstoß gegen internationales Recht gewesen. Angeblich der Falschaussage bezichtigt, hätten die Anwälte keine Chance bekommen, mit ihnen zu reden. Stattdessen seien Verhörprotokolle im Gerichtssaal verlesen worden, deren Zustandekommen Doebbler als äußerst zweifelhaft einstuft. Der Amerikaner sieht sein Engagement für Saddam Hussein aus rein menschenrechtlichen Gesichtspunkten. "Menschenrechte sind nicht teilbar", antwortet Doebbler auf die Frage, wie er mit der Tatsache umgehe, dass der irakische Diktator diese bestialisch mit Füßen getreten habe.
Für die Verteidiger selbst gebe es minimalen Schutz, informiert Ziad Khasawneh, Duleimis Kanzlei-Partner. Lediglich während der Prozesstage seien sie in einer bewachten Villa untergebracht. Der Innenminister habe ihnen geraten, sich Waffen zuzulegen und Leibwächter anzuheuern. "Das war alles, was er zu unserem Schutz zu sagen hatte", sagt Khasawneh aufgeregt. Der kleine Mann mit den lebhaften Augen macht denn auch das Innenministerium für den Tod seiner drei Kollegen verantwortlich. Es sei bekannt, dass Todesschwadrone mit dessen Billigung in Bagdad unterwegs seien. Dem Innenminister untersteht die Polizei. Bayan Jabor, Innenminister der jüngsten Übergangsregierung, musste in einem Interview mit der BBC zugeben, dass es tatsächlich Killerkommandos in Bagdad gibt, die in Polizeiuniformen auftauchen. Er bestritt aber vehement, irgendetwas damit zu tun zu haben. Allerdings entzündete sich gerade an der Besetzung des Innenministeriums für die neue Regierung ein heftiger Streit. Sunnitische Parteien und Organisationen warfen Ex-Premier Dschafari vor, mit der Besetzung des Schlüsselressorts durch einen Schiiten die Jagd auf Sunniten eröffnet zu haben.
Doch der Innenminister ist wieder ein Schiit, wenngleich er als gemäßigt gilt. Erst wenige Tage im Amt, ist es schwer, die Haltung von Jawad Bulani zu beurteilen. Als Mitglied der ersten Übergangsregierung, dem 25-köpfigen Regierungsrat, ist er Irak-Kennern bestens bekannt. Als ehemaliges Mitglied der Luftstreitkräfte Husseins - Bulani war dort als Ingenieur tätig - weckt er auch bei den Sunniten die Hoffnung, dass sie in Zukunft vor Übergriffen fanatischer Schiiten besser geschützt würden. Rechtsanwalt Ziad Khasawneh ist dennoch skeptisch: "Die wollen sich jetzt an uns rächen, koste es was es wolle."