Es werden zwar nicht die Sterne vom Himmel geholt, aber immerhin künstliche Kometen. Man kann dort dem Geheimnis des Fliegens auf die Spur kommen oder als "SMS-Generation" erfahren, wie das Handy wirklich funktioniert. In den rund 200 Schülerlaboren, die an Universitäten, in Forschungseinrichtungen, Museen, Science-Centern und Indus-triebetrieben angesiedelt sind, experimentieren jährlich rund 300.000 Kinder und Jugendliche - mit steigender Tendenz. So mancher entdeckt dabei den Forscher in sich.
Es sind aber nicht nur die Jungs, die forschen und experimentieren. Auch Mädchen begeistern sich für Technik. Im Deutschen Museum in Bonn lernen die Mädchen von zehn Jahren an aufwärts mit dem Computer "Roberta" Programmieren und hauchen einem Roboter aus Legosteinen mit dem Namen "Robby" Leben ein. Die Jugendlichen dürfen ihren Roboter selbst bauen und übertragen dann von einem Laptop ausgewählte Daten per Infrarotschnittstelle auf den Roboter. Die Schülerinnen erleben, wie das kleine Gerät "autonom" und "intelligent" wird.
Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) lädt an den verschiedenen Standorten von Berlin bis Stuttgart in School-Labs ein. In Köln-Porz beispielsweise konstruieren jugendliche Besucher einen künstlichen Kometen, um Erkenntnisse über die Entstehung des Sonnensystems zu erhalten. Im "Offenen Labor" der Universität Lübeck ("Lola") vergleichen Oberstufenschüler DNA-Abschnitte vom Neandertaler mit denen vom Menschen und ziehen so Rückschlüsse auf deren Abstammung. Allen gemeinsam ist das Prinzip "Wissenschaft zum Anfassen, Ausprobieren und Verstehen".
Ohne Übertreibung kann man von einer regelrechten Schülerlaborbewegung in Deutschland sprechen. Die Idee: Eine Schulklasse besucht ein Labor innerhalb des regulären Unterrichts, in einer Projektwoche oder während einer Klassenfahrt. Schülerlabore wenden sich mit Sonderprogrammen auch an Hochbegabte oder eben speziell an Mädchen.
"Deutschland hat mit seinen Schülerlaboren die Nase vorn", so Dorothee Dähnhardt, Geschäftsführerin von Lernort Labor (LeLa). Das ist das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Schülerlabor-Netzwerk. "In keinem anderen europäischen Land wird das Lernen in der Schule durch die außerschulischen Angebote so zahlreich und erfolgreich ergänzt." Das Besondere ist, dass Kinder und Jugendliche und selbstverständlich auch die begleitenden Lehrkräfte direkten Kontakt mit Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen haben. Sie kommen mit den Erkenntnissen und der Methodik der aktuellen Forschung in Berührung. Es ist die Praxisnähe, die Aktualität und die spielerische, aktive Lernmethode, die Jugendliche so begeistert: Sie sind hautnah dran am Geschehen, benutzen Materialien, die es an der Schule so nicht gibt. Sie können teure Forschungsinstrumente einsetzen und kommen ohne große Restriktionen an Daten heran, auf die auch die "echten" Wissenschaftler zurückgreifen.
"Die Begeisterung für die Phänomene unserer Umwelt steht und fällt mit der Qualität von Angeboten, die einen aktiven, anschaulichen und erfahrungsreichen Zugang zur Welt der Naturwissenschaften bieten", unterstreicht Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. "Schülerlabore ermöglichen einen solchen Zugang. Sie verschaffen Schülerinnen und Schülern authentische Begegnungen mit moderner Forschung, vermitteln ein zeitgemäßes Bild von Naturwissenschaften und Technik und ihrer Bedeutung für die Gesellschaft und geben Gelegenheiten, naturwissenschaftlich-technische Tätigkeitsfelder und Berufsbilder auf anschauliche Weise kennen zu lernen."
Es ist der Ansatz, das Wie, sagt auch Andrea Fournier vom Schülerlabor im Forschungszentrum Jülich, das den Erfolg der Labore ausmacht. Das Ziel wird vorgegeben. Anschließend müssen sich die Schüler überlegen, mit welchen Schritten sie die Sache angehen. Der Aufwand, auch der finanzielle, lohnt sich, - ein Schülerlabortag kostet zwischen 1.800 und 2.000 Euro. Mittlerweile erwähnen Bewerber für Ausbildungsplätze ihre Erfahrung im Schülerlabor.
Um die naturwissenschaftliche Bildung zu stärken, müssen die Labore breit gestreut sein. Vorwiegend richtet sich das Angebot an Gymnasien, Realschulen und Gesamtschulen. 20 Prozent der Labore sprechen aber auch Hauptschulen an. Etwa 40 Prozent bieten Grundschülern und 20 Prozent Berufsschülern beziehungsweise Auszubildenden ein Programm.
"LeLa"-Geschäftsführerin Dorothee Dähnhardt unterstreicht, wie wichtig Schülerlabore für Lehrer seien. "Das Wissen in den Naturwissenschaften und der Technik wächst exponenziell. Durch die Anbindung an die Wissenschaft erhalten Lehrer wichtige Fortbildungen." Schülerlabore würden den Lehrer dabei begleiten, neue und gerade auch interdisziplinäre Themen und Technologien wie die Bio- und Nanotechnologie in den Unterricht zu bringen. Daher hätten Schülerlabore auch eine auf Dauer angelegte "Lebensberechtigung". Doch genau bei diesem Thema bilden sich bei ihr Sorgenfalten. Der Großteil der Labore ist zwar nicht älter als drei oder vier Jahre. Anschubfinanzierungen von Stiftungen, mit EU-Mitteln oder Geld vom Bund und den Ländern halfen beim Einstieg und Aufbau. Mittlerweile ist die Finanzsituation der Labore alarmierend. Es wird nach intelligenten Finanzierungskonzepten gesucht. Genauso alarmierend ist jedoch, dass die Förderung der Koordinierungsstelle vor dem Aus steht. Die Förderung von "Lela", dem Schülerlabor-Netzwerk, endet im Juni 2007. Vor dem Hintergrund der Föderalismusreform sieht sich der Bund offenbar nicht mehr in der Pflicht. Als zentraler Ansprechpartner der über Deutschland verteilten Labore ist die Koordinierungsstelle jedoch essenziell für die erfolgreiche Weiterentwicklung. Investitionen in die Bildung, die sich offenbar lohnen. So betont der Kieler Bildungsforscher Manfred Euler: "Der Besuch eines Schülerlabors hinterlässt bei vielen Kindern und Jugendlichen beachtliche Spuren in den Köpfen, mit positiven Rückwirkungen auf den schulischen Unterricht."
www.lernort-labor
www.physik.begreifen@desy.de
www.helmholtz.de/de/Helmholtz_als_Partner/Schuelerlabore
www.deutsches-museum-bonn.de