Das Parlament: Bringt ein Normenkontrollrat (NKR) wirklich weniger Bürokratie?
Werner Jann: Ich denke schon, dass der NKR dem Bürokratieabbau helfen wird. Ich glaube aber nicht, dass das jedem einzelnen Bürger deutlich wird. Das Gesetz wird die Wirtschaft entlasten, aber das findet in der Regel im Hintergrund statt.
Das Parlament: Geht das Gesetz weit genug?
Werner Jann: Ja, ich denke schon, denn der NKR ist ja politisch beim Bundeskanzleramt hoch angesiedelt. Ich bin aber auch der Meinung, dass der Normenkontrollrat selbstverständlich nicht die Aufgaben und die Arbeit der Regierung übernehmen kann. Das heißt, der NKR soll Informationen bereitstellen, er soll für Transparenz sorgen und er soll gelegentlich auch unbequeme Fragen stellen. Die endgültige Abwägung, ob man nun ein bestimmtes Gesetz oder eine bestimmte Regulierung braucht, das muss selbstverständlich die Regierung und letztendlich das Parlament entscheiden.
Das Parlament: Warum werden vom NKR nur Gesetzentwürfe der Regierung und nicht die aus den Reihen des Parlaments "unter die Lupe genommen"?
Werner Jann: Aus meiner Sicht ist das kein grundlegendes Problem, das wird sich in der Praxis einpendeln.
Das Parlament: Wie sollte der achtköpfige Normenkontrollrat besetzt sein?
Werner Jann: Es ist entscheidend, dass der Rat von Anfang an akzeptiert wird - innerhalb der Ministerien, aber auch in der Öffentlichkeit. Für mich wäre wichtig, dass er breit besetzt wird, also dass darin nicht nur Vertreter der Wirtschaft, ehemalige Beamte oder Politiker vertreten sind. Wichtig ist, dass diese Persönlichkeiten ein Gewicht in der Öffentlichkeit haben. Es geht nicht darum, dass alle Gruppen proporzmäßig beteiligt sind, aber im Rat sollten unterschiedliche Gesichtspunkte vertreten sein.
Das Parlament: Das Modell NKR ist in den Niederlanden bereits sehr erfolgreich. Kann Deutschland das nachahmen?
Werner Jann: Meines Erachtens nach ist es ein Fehler, wenn man meint, dass man ein Modell 1:1 in ein anderes Land übertragen kann, das klappt nie ganz, weil die Strukturen, Kulturen, Traditionen zu unterschiedlich sind.
Das Parlament: Warum gibt es gerade bei uns offenbar besonders viel Bürokratie?
Werner Jann: Wir sind in Deutschland besonders bü-rokratie- und regelverliebt. Das hat mit bestimmten kulturellen Prägungen, aber auch damit zu tun, dass die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung durch besondere Verwaltungsgerichte extrem ausgeprägt ist.
Das Parlament: Was verstehen Sie unter kultureller Prägung?
Werner Jann: Es gibt international vergleichende Untersuchungen, wie man in einer Kultur mit Unsicherheit umgeht. Dabei zeigt sich - aus meiner Sicht ehrlich gesagt leider -, dass wir in Deutschland im Vergleich mit anderen viel schlechter mit Unsicherheit umgehen können. Wir versuchen, Unsicherheit wegzuorganisieren. Das heißt, wir möchten möglichst klare Regeln und Anweisungen haben. Wir fühlen uns nur sicher, wenn vorab jeder mögliche Einzelfall geregelt ist, und wir können schlecht damit umgehen, der Verwaltung Ermessensentscheidungen zu überlassen.
Das Parlament: Welche Vorteile bringt das Standard-Kosten-Modell (SKM) beim Bürokratieabbau ?
Werner Jann: Bisher besteht das Problem, dass alle möglichen allgemeinen Gesetzesfolgen wissenschaftlich nicht wirklich abzuschätzen sind. Das SKM hingegen beschränkt sich auf einen ganz bestimmten Aspekt der Folgen, nämlich die Frage, wie werden Adressaten bürokratisch belastet? Das kann man vernünftig abschätzen. Über dieses Preisschild kann man sich unterhalten und das verändert natürlich den Entscheidungsprozess.
Das Parlament: Welche Rolle spielen die Länder beim Bürokratieabbau?
Werner Jann: Die Länder spielen eine große Rolle, weil die meisten Gesetze von ihnen durchgeführt werden. Aber der Bund hat eine Vorreiterrolle. Ja, die Länder sind wichtig, aber man sollte sich nicht gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben.
Das Parlament: Welche Schritte müssen jetzt folgen?
Werner Jann: Erstmal müssen wir den Normenkontrollrat einrichten und mit dem SKM beginnen. Dann wird man sich in einer so genannten Nullmessung einen Überblick über das Ausmaß von Bürokratie verschaffen. Im Prinzip ist Bürokratieabbau wie Gärtnern - das hört nie auf.
Das Interview führte Annette Sach