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Die Opposition hat die Parlamentswahl überraschend gewonnen und ringt nun um Koalitionen
Es regnete Rosenblätter auf die Sieger, jubelnde Menschen feuerten Freudenschüsse in die Luft, die Hupkonzerte auf den Straßen rissen nicht mehr ab. Zwei Tage lang feierte Pakistan den Ausgang der Parlamentswahl vom 19. Februar, die der Opposition einen überragenden Sieg gebracht hat. Zwei Tage feierten viele Pakistani aber auch die Niederlage der alten Regierung. Weit abgeschlagen landete die Regierungspartei PML-Q, die Präsident Pervez Musharraf nahe steht, nur auf dem dritten Platz und muss künftig vermutlich auf die Oppositionsbank.
"Die Demokratie nimmt Rache", titelte die pakistanische Zeitung "The News" schon am Morgen nach der Wahl. In der Nacht zuvor waren ein prominenter "Q"-Politiker nach dem anderen in ihren Wahlkreisen durchgefallen. Der frühere Eisenbahnminister, ein enger Vertrauter Musharrafs, der Ex-Außenminister, der ehemalige Verteidigungsminister, fast das ganze Kabinett wurde von den Wählern entlassen. Das vernichtende Votum galt auch Präsident Musharraf, der allerdings gar nicht zur Wahl stand. "Das Wahlergebnis ist ein Riesenverlust für den Präsidenten und seine Königspartei", meint Karl Fischer von der Hanns-Seidel-Stiftung in Islamabad.
Formal ist der Ex-General nicht einmal Mitglied der Q-Partei. Musharraf hatte sich bereits vom alten Parlament für weitere fünf Jahre wählen lassen, doch er musste den Notstand ausrufen und die Obersten Richter austauschen, um die rechtliche Hürde für seine erneute Präsidentschaft zu nehmen. Nun könnten die Geister, die Musharraf bannte, wieder zurückkehren. Die beiden siegreichen Oppositionsparteien, die Pakistanische Volkspartei (PPP) und die Muslimliga (PML-N), fordern beide die Wiedereinsetzung der alten Richter, die Musharraf das Leben seit fast einem Jahr schwer gemacht haben. Das könnte für den Präsidenten gefährlich werden.
"Was haben US-Präsident George Bush und Musharraf gemeinsam?", scherzt man in Pakistan. "Beide sind politisch lahme Enten und sehen der Arbeitslosigkeit entgegen."
Musharraf hat einen Rücktritt ausgeschlossen. Der frühere Armeechef, der seit Ende November das Präsidentenamt in Zivil bekleidet, gilt allerdings als geschwächt, seit er unter dem Druck der USA auf seine Doppelrolle als oberster Befehlshaber und Staatschef verzichtet hat. Wenn Bush das Weiße Haus verlässt, könnte der Abschied auch für Musharraf gekommen sein, der wichtiger US-Verbündeter im Antiterror-Kampf ist.
Doch zunächst müssen sich die beiden Wahlgewinner zusammenraufen. Auf der einen Seite ist da der große Wahlsieger, die Pakistanische Volkspartei (PPP), deren charismatische Führerin Benazir Bhutto Ende Dezember im Wahlkampf durch einen Selbstmordattentäter ums Leben kam. Viele Pakistani sehen in der berühmten Politikerin eine Märtyrerin und haben die PPP aus Erfurcht vor der Toten gewählt. Doch der Tod von Benazir hat die PPP letztlich ohne eine klare Führungspersönlichkeit gelassen. Der Witwer von Benazir, Asif Ali Zardari, der neue starke Mann in der PPP, gilt als unbeliebt bei der Basis. Für den Premierministerposten sucht die Partei daher einen anderen Kandidaten.
Besser aufgestellt ist die PML-N unter Nawaz Sharif. Seine Partei hat überraschend stark abgeschnitten. Die klare Linie, die Sharif gegen seinen Erzfeind Musharraf gefahren hat, hat sich offenbar ausgezahlt. Zweimal war Sharif in den 90er-Jahren Premierminister gewesen. Seine zweite Amtszeit endete 1999 abrupt, als Musharraf ihn in einem unblutigen Coup absetzte. Es ist unwahrscheinlich, dass Sharif und Musharraf noch einmal Freunde werden.
Für eine Regierungsbildung müssen sich Zardari und Sharif nun aber auf eine gemeinsame Linie einigen. Die Sondierungsgespräche begannen drei Tage nach der Wahl. Bereits bei der Frage nach dem Umgang mit Musharraf gibt es Differenzen. Sharif will, dass Musharraf sofort geht. Doch in dieser Frage laviert Zardari. "Das Parlament wird über die Zukunft von Musharraf entscheiden", erklärte er diplomatisch.
Die PPP fährt einen proamerikanischen Kurs. Nicht nur der Umgang mit Musharraf, auch die Frage nach der Haltung zu den USA wird zwischen den beiden potenziellen Koalitionspartnern PPP und PML-N deshalb ein Streitpunkt sein.
"Ich glaube nicht, dass die Koalition lange halten wird", sagt Henning Effner von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Islamabad. Auch Karl Fischer von der Hanns-Seidel-Stiftung ist kritisch: "Die Koalition verfügt über kein Konzept, um den Wust der Probleme, mit denen Pakistan kämpft, zu lösen." Es bleibe die Grundfrage offen, wie sich Pakistan im Kampf gegen den Terrorismus definiert.
Doch egal, wie die neue pakistanische Regierung aussehen wird, die Wahl hat gezeigt, dass es der Bevölkerung nicht egal ist, wer ihr Land regiert. Die Menschen haben der Angst vor Anschlägen getrotzt und sind in die Stimmlokale gegangen. Die Wahlbeteiligung lag bei über 46 Prozent, was für Pakistan hoch ist. Ein Sieg der Demokratie ist das gewiss.