Bayern
Die Bürger wählen neue Kommunalparlamente. Die erfolgsverwöhnte CSU wird zunehmend nervös
Vor den bayerischen Kommunalwahlen am kommenden Sonntag sind am weiß-blauen CSU-Himmel dunkle Wolken aufgezogen. Und die politischen Wetterfrösche grübeln bereits, ob das für die traditionelle Regierungspartei im Freistaat nicht einen Umschwung der seit Jahrzehnten anhaltenden Schönwetterlage bedeuten könnte. Die Opposition wittert im Ringen um 71 Landratssessel und Kreistage sowie um mehr als 2.000 Rathäuser bereits Morgenluft und rechnet sich erstmals echte Chancen aus, endlich die Alleinherrschaft des übermächtigen Gegners auf Landesebene zu beenden.
Vom aktuellen Wahlergebnis wird ein starker Impuls für die bayerische Landtagswahl im Herbst erwartet. Die CSU, die das Geheimnis ihrer großen Erfolge nicht zuletzt auf ihre starke Verwurzelung in der Kommunalpolitik zurückführt, kann sich deutliche Verluste nicht leisten. Sie würden unweigerlich den gefährlichen innerparteilichen Streit darüber aufleben lassen, ob das seit Herbst amtierende neue Führungsduo Günther Beckstein als Ministerpräsident und Finanzminister Erwin Huber als CSU-Chef die richtigen Nachfolger von Edmund Stoiber sind. Dessen dominierende Persönlichkeit und umjubelten Auftritte, beispielsweise beim Politischen Aschermittwoch in Passau, werden immer noch als Maßstab herangezogen, wenn die beiden Nachfolger eher das Normalmaß eines Politikers abgeben und in ihre neuen Rollen erst noch hineinwachsen müssen. Nervosität hat bei der CSU die jüngste Um-frage im Auftrag des Radiosenders Antenne Bayern (durch das Meinungsforschungsinstitut MIFM) ausgelöst. Danach käme die Regierungspartei bei einer Landtagswahl derzeit "nur" noch auf 50 Prozent im Vergleich zu 54 Prozent im November. Die SPD holt danach weiterhin 20 Prozent, die Grünen schaffen elf Prozent. In den Landtag könnte die FDP mit 7 Prozent einziehen, die Freien Wähler holten um 2,5 Punkte auf vier Prozent auf, während Die Linke bei rund drei Prozent verharrte.
Die dunklen Wolken am CSU-Himmel sind in erster Linie hausgemacht. Sie sind zum Teil Nebenprodukt des noch von Stoiber durchgesetzten strengen Sparkurses auf dem Weg zum Haushalt ohne Neuverschuldung, den auch viele Kommunen schmerzhaft spürten. Da gibt es latente Unzufriedenheit mit der Schulpolitik, speziell den Folgen einer überstürzten Einführung des G8-Gymnasiums. Da lehnt eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung den von der Staatsregierung fest eingeplanten Transrapid ab. Da ärgern sich offenbar überraschend viele über das in Bayern verhängte bundesweit strengste Rauchverbot und kündigen an, die CSU deswegen nicht mehr zu wählen - ohne Rücksicht darauf, dass auch SPD und Grüne für das Verbot stimmten.
Auswirkungen auf die Kommunalwahlen dürften zudem die drohenden, mit bis zu 1,9 Milliarden Euro angegebenen Verluste der Bayerischen Landesbank im Sog der US-Kreditkrise haben. Das Geldinstitut ist je zur Hälfte in den Händen des Freistaats und der kommunalen Sparkassen - und damit der Kommunen, die von den Verlusten direkt betroffen sind. SPD und Grüne verlangen Hubers Rücktritt, dem sie als stellvertretendem Verwaltungsratsvorsitzenden nicht nur mangelhafte Kontrolle des Bankvorstands vorwerfen, sondern auch, das Parlament erst viel zu spät und dann falsch über die Risiken informiert zu haben.
Huber seinerseits bestreitet dies vehement und beteuert, über belastbare Zahlen und das Ausmaß der Risiken selbst erst verspätet informiert worden zu sein. Nicht zuletzt deshalb musste Landesbankchef Werner Schmidt inzwischen seinen Hut nehmen.
Die stärkste Konkurrenz droht der CSU auf kommunaler Ebene seit jeher von den Freien Wählern, die derzeit rund 600 Bürgermeister und 14 Landräte stellen. Fest in SPD-Hand sind unter anderem die drei größten Städte des Landes: München, Nürnberg und Augsburg. Vor allem der gern als "Sonnenkönig" und "Bürger-King" apostrophierte Münchner Oberbürgermeister Christian Ude hebt mit seinen populären Kollegen Ulrich Maly (Nürnberg) und Paul Wengert (Augsburg) das Selbstwertgefühl der auf Landesebene bislang abgeschlagenen SPD. Mit ihrer Wiederwahl wird fest gerechnet. Die Sozialdemokraten hoffen außerdem, weitere prestigeträchtige Rathäuser erobern zu können.
Das gilt vor allem für jene Städte, in denen sich die CSU durch innerparteiliche Streitereien selbst geschwächt hat. So kandidieren in Regensburg nach einer erbitterten Auseinandersetzung um rechtsradikale Umtriebe fünf Christsoziale auf einer eigenen Liste gegen den bisherigen Oberbürgermeister und bayerischen Städtetagspräsidenten Hans Schaidinger (CSU). CSU-Abspaltungen treten auf separaten Listen auch in Würzburg und Coburg gegen ihre alte Partei an.
Im Wahlkampf-Endspurt versuchte Minis-terpräsident Beckstein noch, mit einer Re-gierungserklärung zur Kommunalpolitik für gute Stimmung zu sorgen. Doch während er die Staatsregierung als "starken und verlässlichen Partner der Kommunen" rühmte und ausführlich die staatlichen Leistungen an sie aufzählte, prasselte es Störfeuer von der Opposition. SPD-Fraktionschef Franz Maget wertete Becksteins Rede als "sonntägliches Hochamt mit viel Weihrauch und wenig Substanz". Unbeeindruckt wies die CSU diese Vorwürfe zurück. Fraktionschef Georg Schmid betonte: "Bayern ist das kommunalfreundlichste Land in ganz Deutschland, ja in ganz Europa." Am Sonntag werden die Bürger darüber befinden.