ANNEMARIE RENGER
Staatsakt für verstorbene Bundestagspräsidentin am 13. März
Schon zu Lebzeiten konnte sie für sich in Anspruch nehmen, Geschichte geschrieben zu haben: Parlamentsgeschichte. Als erste Frau wurde Annemarie Renger 1972 zur Präsidentin des Deutschen Bundestages gewählt. "Es ist bewiesen, dass eine Frau das kann", sagte sie nach ihrer vierjährigen Amtszeit, in der sie nicht nur den Stil der parlamentarischen Arbeit prägte, sondern auch das Selbstverständnis der Frauen in der Politik veränderte. Am 3. März starb die "große Dame des Parlamentarismus" im Alter von 88 Jahren nach langer Krankheit in der Nähe von Bonn. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) würdigte seine Vorgängerin am vergangenen Donnerstag als "Abgeordnete mit Leib und Seele". Charakteristisch war ihr, so Lammert, "gelegentlich energischer Durchsetzungswille, den alle Parlamentarier, über Fraktionsgrenzen hinweg, erleben durften".
Im Jahr 1919 wurde Renger in eine sozialdemokratische Familie hineingeboren. Ihre Mutter gehörte zu einer der ersten Frauen, die sich aktiv in der SPD engagierten. Nach dem Krieg lernte die gelernte Stenotypistin den ersten SPD-Vorsitzenden nach dem Krieg, Kurt Schumacher, kennen und wurde dessen engste Vertraute. Seit 1953 gehörte sie über 37 Jahre lang dem Deutschen Bundestag an. Lange Zeit galt sie als die bekannteste deutsche Politikerin. Nach ihrer Zeit als Bundestagspräsidentin trat Renger 1979 auch bei der Bundespräsidentenwahl an, unterlag jedoch dem CDU/CSU-Kandidaten Karl Carstens. In ihrer Amtszeit setzte sich die engagierte Sozialdemokratin besonders für die Aussöhnung mit Israel und den östlichen Nachbarn Deutschlands ein und leitete persönlich die ersten Bundestagsdelegationen nach Polen, Rumänien und in die Sowjetunion. Von 1976 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 1990 war Renger Vizepräsidentin des Parlaments.
Am vergangenen Freitag wurde Annemarie Renger im Kreise ihrer Familie sowie von engen Freunden und politischen Weggefährten in Bonn beigesetzt. Im Deutschen Bundestag wird die frühere Bundestagspräsidentin am 13. März ab 9.00 Uhr mit einem Staatsakt geehrt, an dem neben der Familie alle Verfassungsorgane teilnehmen. Neben Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) soll dort auch der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sprechen.