Die mittelständischen Familienunternehmen, denen die Bundesregierung mit ihrer Erbschaftsteuerreform ( 16/7918) eigentlich den Betriebsübergang auf die nächste Generation erleichtern will, sind nicht sonderlich begeistert. Und das, obwohl viele Unternehmen die Möglichkeit erhalten sollen, künftig gar keine Erbschaftsteuer mehr zahlen zu müssen. Doch dazu müssen sie für den Staat eine Gegenleistung erbringen. Die Erben müssen den Betrieb 15 Jahre lang weiterführen, und es müssen Arbeitsplätze gesichert werden.
Die Fristen sind zu lang in dieser schnelllebigen Zeit, war ein häufig gehörtes Gegenargument bei der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 5. März zu diesem Thema. Neben der Regierungsvorlage standen auch ein Gesetzentwurf der FDP ( 16/2087), ein Antrag der Liberalen, die Reform nicht mit einer Steuererhöhung zu verbinden ( 16/7765), sowie Anträge der Linksfraktion (16/3348) und der Grünen ( 16/8185) für eine gerechte Reform der Erbschaftsbesteuerung zur Debatte. Die Grünen wollen beispielsweise, dass für die Länderhaushalte mehr als das angepeilte Steueraufkommen von 4 Milliarden Euro herauskommt. Der Steuertarif sollte sich nur an der Leistungsfähigkeit und nicht am Verwandtschaftsgrad orientieren, heißt es in ihrem Antrag.
Die Reform geht unter anderem auf eine Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts zurück, die Besteuerung von Betriebsvermögen, Grundvermögen, Anteilen an Kapitalgesellschaften und land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Hinblick auf die Wertermittlung "verfassungsfest" zu machen. Die künftige Bewertung soll sich nach dem Willen der Regierung am "gemeinen Wert", also am Verkehrswert, orientieren. Einhellig plädierten die Sachverständigen dafür, die Bewertungsregelungen nicht wie vorgesehen in eine Verordnung auszulagern, sondern in das Gesetz selbst aufzunehmen. Der Bamberger Steuerrechtler Georg Crezelius bezeichnete die Regierungsvorlage als verfassungswidrig, weil nur etwa acht bis zehn Prozent der Erbfälle steuerpflichtig werden. Eine Steuer, die nur jeden zehnten Erbfall treffe, gehöre abgeschafft.
Geplant ist, die Freibeträge und einige Steuersätze bei Erbfällen außerhalb des engeren Familienrahmens zu erhöhen. Beim Unternehmensübergang sollen 85 Prozent des Betriebsvermögens unter bestimmten Voraussetzungen von einer "Verschonungsregelung" profitieren können, während die restlichen 15 Prozent nach Abzug eines Freibetrags von maximal 150.000 Euro immer besteuert werden. Mehrere Sachverständige bezeichneten den Zeitraum von 15 Jahren, um den Betriebsübergang mit Hilfe der Verschonungsregelung erbschaftsteuerfrei zu gestalten, als zu lang. Diese Begünstigung ist nach Aussage von Sabina Gerhart vom Deutschen Unternehmensverband Vermögensberatung an "in der Regel unerfüllbare Bedingungen geknüpft". Aus diesem Grund rechneten auch viele Familienunternehmen mit einer höheren Erbschaftsteuerbelastung, wie Peer-Robin Paulus vom Verein "Die Familienunternehmer - ASU" ausführte. Bei einem Verstoß innerhalb dieser 15 Jahre solle die Steuerschuld nicht wie derzeit vorgesehen in voller Höhe fällig werden, sondern lediglich zeitanteilig. "Misslich" nannte Paulus das Vorhaben, die Verschonungsregelung nur dann zuzulassen, wenn das Verwaltungsvermögen nicht mehr als die Hälfte des Gesamtbetriebsvermögens ausmacht. Thomas Lindner vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau plädierte dafür, die Fristen drastisch zu reduzieren und gesetzliche Öffnungsklauseln zu schaffen, um nachweisen zu können, dass ein Stellenabbau betriebsnotwendig ist und nicht allein der Renditesteigerung dient.
Wenn die Erbschaftsteuer erhalten bleiben solle, so der Rechtswissenschaftler Joachim Wieland aus Speyer, müsse es überzeugende Gründe für eine Verschonungsregelung geben. Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel nannte die Verschonungsregelung problematisch und riet, wegen ihrer Missbrauchsanfälligkeit einen anderen Weg zu finden.