MENSCHENRECHTE
Auch in Europa sind noch eine Reihe von Missständen zu beklagen
Mit einer Internationalen Konferenz, mehreren Anhörungen und einer Rede der kolumbianischen Politikerin Ingrid Betancourt haben das Europaparlament, die EU-Kommission und die Vereinten Nationen des sechzigsten Jahrestages der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gedacht. Dabei feierte sich die Union vor allem selbst als weltweite Vorreiterin und Kämpferin für die Menschenwürde Doch auch in der EU liegt noch einiges im Argen, wie eine Anhörung europäischer Menschenrechtsaktivisten zu Beginn der Woche deutlich machte.
Viele Redner wiesen dabei darauf hin, dass die EU an Kandidatenländer in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz sehr hohe Anforderungen stelle. Sei aber ein Land erst einmal aufgenommen, gebe es keinerlei Kontrolle mehr.
So bestehe zum Beispiel in Slowenien das Problem der "annullierten Identitäten" fort. Nach der Unabhängigkeitserklärung hatte die Regierung in Slowenien lebende Bürger aus anderen jugoslawischen Republiken vor die Wahl gestellt, die slowenische Staatsangehörigkeit anzunehmen oder das Land zu verlassen. Einige wurden abgeschoben, andere leben bis heute ohne Papiere und rechtlichen Status im Land. Sie haben keinen Pensionsanspruch, keine Gesundheitsversorgung oder andere soziale Rechte. In der Slowakei hat das Parlament vor einem Jahr erneut bestätigt, die sogenannten Benes-Dekrete, auf deren Grundlage Ungarn und Deutsche nach Kriegsende aus der Tschechoslowakei vertrieben worden waren, seien unverändert gültig. Zehn Prozent der slowakischen Bevölkerung werden zur ungarischen Minderheit gerechnet, deren Rechte bis heute eingeschränkt sind. Probleme gib es in vielen Ostblockstaaten auch mit der Gleichbehandlung von Roma. Aber auch in den zur EU gehörenden westeuropäischen Ländern gibt es Menschenrechtsprobleme.
So kritisierte die liberale britische Abgeordnete Sarah Ludford, dass der europäische Haftbefehl dazu führe, dass zum Beispiel ein in England lebender Tunesier, der in Italien eine Straftat begangen hat, von britischen Richtern ausgeliefert werden müsse. "Die italienischen Behörden reichen ihn nach Tunesien weiter, obwohl in den dortigen Gefängnissen gefoltert wird", erklärte Ludford. Sie beklagte, dass den europäischen Regierungen der Mut fehle, einen Mitgliedstaat auf der Grundlage von Artikel 7 des EU-Vertrages wegen Menschenrechtsverletzungen anzuklagen. Damit sei auch Artikel 6, der die Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten in der Union garantiert, "eine Karteileiche".
Bei der zweitägigen Konferenz mit Menschenrechtsvertretern aus über 40 Nationen wurde beklagt, dass sich die EU nicht konsequent genug für Menschenrechte einsetze. Verschiedene Redner aus Entwicklungsländern sagten, es sei bedauerlich, dass die EU ihre Gelder nicht als Druckmittel einsetze, um bessere Menschenrechtsbedingungen in den Empfängerländern zu erzwingen.