PAKISTAN
Das Land ist entscheidend für die Situation in Afghanistan - seine politische Linie aber ist unklar
Fotografieren darf man das Marriott-Hotel nicht mehr, auch wenn kaum mehr etwas von dem Luxushotel übrig ist. "Aus Sicherheitsgründen", erklärt ein Polizist, der die Ruine im Herzen Islamabads bewacht. Die Gegend ist weiträumig abgesperrt. Bei einem Attentat im letzten Monat kamen hier fast 60 Menschen ums Leben, über 260 wurden zum Teil schwer verletzt, darunter auch sieben Deutsche.
Kein Zweifel, Pakistan ist der neue Schauplatz des Anti-Terrorkriegs. Nur wenige hundert Kilometer westlich von Islamabad an der afghanischen Grenze stehen die MQ-1 und MQ-9-Drohnen der US-Luftwaffen mit ihren Hellfire-Raketen, vor der Küste von Karatschi liegt der Flugzeugträger USS Ronald Reagan der amerikanischen Marine.
In den Bergregionen Swat, Bajaur und Wasiristan hat es in den vergangen Wochen groß angelegte Militäroffensiven der pakistanischen Armee gegen radikale Islamisten gegeben. Etwa 250.000 Menschen, so schätzt das Internationale Rote Kreuz, sind auf der Flucht.
Auch das Hinterland bleibt von den blutigen Auseinandersetzungen nicht mehr verschont wie der Anschlag auf das Marriott-Hotel zeigt. Britische und UN-Diplomaten in Islamabad wurden angewiesen, ihre Familien nach Hause zu schicken. Feierlichkeiten, Ausstellungen, Konferenzen - eigentlich alles in der pakistanischen Hauptstadt wird abgesagt. Seit im März die neue, zivile Regierung an die Macht gekommen ist, vergeht kaum ein Tag, ohne dass ein Attentat die islamische Republik erschüttert. Gleichzeitig haben die USA eine härtere Gangart gegenüber Pakistan, ihrem wichtigsten Verbündeten im Anti-Terrorkampf, eingeschlagen: sie bombardieren fast täglich Ziele im unwirtlichen Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, wo Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer Zuflucht gefunden haben und wo sich auch Top-Terrorist Osama bin Laden versteckt halten soll. Dabei nimmt Amerika keine Rücksicht mehr auf pakistanische Befindlichkeiten.
Eliteeinheiten dringen für ihre Kampfeinsätze jetzt sogar offiziell auf pakistanisches Territorium ein, ohne das mit der Regierung abzustimmen, und ignorieren dabei die Souveränität des Staates. Das wiederum bringt die Masse der nicht gerade amerikafreundlich gestimmten Pakistanis weiter gegen die USA auf. Der "Krieg gegen den Terror" an der Seite der USA wird als Kampf gegen die eigene Bevölkerung und gegen Muslime angesehen.
Pakistan gilt als Schlüssel zum Erfolg im Krieg in Afghanistan. Dort hat sich die Situation in den letzten zwei Jahren deutlich verschlechtert. Die USA wollen daher in den nächsten Monaten Truppen aus dem Irak an den Hindukusch verlegen.
Doch Irak ist nicht Afghanistan, warnen Kritiker. Der Irak ist sehr viel reicher, er verfügt über mehr amerikanische und örtliche Truppen und die aufständischen Kämpfer im Irak genießen keine sicheren Schlupfwinkel wie Taliban und Al-Qaida in dem unwirtlichen Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan. Diese dünn besiedelte Gegend, in der vor allem Paschtunen wohnen, hat sich seit jeher dem Einfluss einer Zentralregierung weitgehend entzogen. Die Volksgruppe, die sich einer ausgeprägten Kriegskultur rühmt, siedelt auf beiden Seiten der porösen Grenze. Waffen, Kämpfer, Drogen und Geld passieren hier frei und ohne jede Kontrolle.
Und noch etwas unterscheidet die Situation in Afghanistan grundlegend: Die Haltung des pakistanischen Militärs zu den Islamisten ist zwiespältig. Jahrelang haben Pakistans Armee und der mächtige Geheimdienst ISI die Taliban nach Kräften gefördert. Sie nutzten die selbsternannten Gotteskämpfer, um Pakistans Ambitionen in Afghanistan und im von Indien verwalteten Teil Kaschmirs am Leben zu erhalten. Auch unter dem früheren Präsidenten und Armeechef Pervez Musharraf war es üblich, die für Pakistan nützlichen Terroristen zu verschonen, und nur diejenigen Extremisten zu bekämpfen, denen man keine strategische Bedeutung beimaß.
So erklärt sich, dass die pakistanische Armee, die seit 2004 im Nordwesten des Landes Krieg gegen die Extremisten führt, nach außen hin keine klare Linie verfolgt. "Es gibt keinen klaren Ansatz", kritisiert die in Brüssel ansässige "International Crisis Group". Mal werde mit massiver Gewalt gegen die Terroristen vorgegangen, dann wieder würden Friedensverhandlungen geführt.
Die unheilige Allianz zwischen den Mullahs und dem Militär in Pakistan hat eine lange Tradition. Die neue Zivilregierung unter Präsident Asif Ali Zardari hat sich energisch gegen den Terrorismus im eigenen Lande ausgesprochen. Es sei ein "Krebsgeschwür", das herausgeschnitten werden müsse, hatte Zardari nach dem Marriott-Anschlag verkündet.
Das neue Staatsoberhaupt hat in den letzten Wochen viel versucht, um im Land mehr Rückhalt gegen den Terrorkrieg zu schaffen. Erstmals berief er ein Briefing des Parlaments mit den führenden Armee- und Geheimdienstchefs ein, um die Militäroperationen im Nordwesten und den Krieg gegen die Extremisten zu diskutieren. "Wir jagen nicht mit dem Hund und fliehen mit dem Hasen, wie es Musharraf gemacht hat", versprach der Witwer der 2007 ermordeten Benazir Bhutto. Doch das Militär ist in Pakistan immer noch die entscheidende Kraft. Zardaris kämpferische Reden können kaum darüber hinwegtäuschen, dass er nicht der alleinige Herr im Hause ist.