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Die CDU zeigt sich optimistisch - will aber über Perspektiven nicht sprechen
Nach Aufnahme der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen rückt in Hessen die Ablösung von Ministerpräsident Roland Koch und seiner geschäftsführenden CDU-Regierung näher. Noch immer bauen CDU und FDP darauf, dass Andrea Ypsilanti auf dem Weg zur Macht gestoppt wird. Darüber, wie es weiter gehen soll, wenn die zielstrebige SPD-Chefin dann Ministerpräsidentin ist, herrscht bei den Christdemokraten jedoch tiefes Schweigen.
Als Kind, erzählte Roland Koch vor kurzem den Schülerinnen und Schülern eines Zeitungsprojekts, habe er Müllmann werden wollen, dann Polizist und schließlich Rechtsanwalt. Dass seine berufliche Zukunft dem hessischen Regierungschef auch jetzt wieder durch den Kopf geht, ist mehr als wahrscheinlich. Schließlich spekuliert die halbe Republik seit Wochen darüber, was aus Koch wird, sollte er im November seinen Stuhl für Ypsilanti tatsächlich räumen müssen. Eine klare Antwort jedoch ist vom Ministerpräsidenten zu diesem Thema nicht zu hören. "Wir werden uns an überhaupt keiner Spekulation beteiligen", erklärt Regierungssprecher Dirk Metz knapp. Kochs politisches Schicksal und das seines Landesverbandes gelten im Moment als Un-Thema, über das sich die hessischen Christdemokraten allenfalls im kleinsten Kreis austauschen. Zur Lage der hessischen CDU gebe es "keinen Erklärungsbedarf", winken führende Parteimitglieder ab. Die Frage, wie es nach einer Wahl Ypsilantis, weiter gehen solle, werde offenbar schlicht verdrängt, sagt ein Insider.
Dabei hätte die Partei einiges zu besprechen. Nach einem polarisierenden Wahlkampf, der im Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl am 27. Januar mündete, sehen sich die Christdemokraten einer linken Mehrheit gegenüber, die kaum zu Konzessionen bereit ist und deren gemeinsames Feindbild Roland Koch heißt.
Bemühungen der CDU mit den Sozialdemokraten über eine Große Koalition unter Kochs Führung zu verhandeln liefen ebenso ins Leere wie der Versuch, die Grünen in ein Jamaikabündnis zu ziehen. Grund waren tiefe inhaltliche Gräben zwischen den politischen Lagern und die Person Koch, an der die Partei bis heute unbeirrt festhält. Weil Ypsilanti mit ihrem ersten Versuch zur Regierungsübernahme am Widerstand in den eigenen Reihen scheiterte, steht der Ministerpräsident nun an der Spitze einer Regierung, der zwei Minister und die Mehrheit zur politischen Gestaltung fehlen, mit der niemand außer der FDP koalieren möchte, die aber ihren Posten erst verlassen darf, wenn sie abgewählt wird. Die weitere Arbeit am Haushaltsentwurf für das kommende Jahr hat der CDU-Finanzminister Karl-Heinz-Weimar inzwischen nach eigenen Worten "auf Eis gelegt".
"Ich glaube nicht, dass wir auf dem schwierigen Weg, der seit dem 27. Januar hinter uns liegt, einen Fehler gemacht haben", sagt CDU-Fraktionschef im Landtag Christean Wagner. Dem Tag, an dem Ypsilanti sich zur Ministerpräsidentin wählen lassen wolle, sehe seine Fraktion "hochkonzentriert, aber auch gelassen entgegen". Sollte die SPD-Vorsitzende Erfolg haben, so die Einschätzung eines Abgeordneten, werde die CDU sich endlich mit sich selbst beschäftigen und Diskussionen führen müssen, die jahrelang unterdrückt worden seien - auch über personelle Neubesetzungen.
Sollte die Wahl Ypsilantis scheitern, werde es "Gespräche mit allen Menschen guten Willens geben", kündigt Regierungssprecher Metz an. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Florian Rentsch geht davon aus, dass das Bündnis ohnehin nur von kurzer Dauer ist: "Es gibt viele Anzeichen dafür, dass es nicht lange halten wird". Sollte Ypsilanti aber gewählt werden, will Rentsch die Knackpunkte zwischen SPD und Grünen offenlegen und zeigen, inwieweit die SPD gegenüber den Forderungen der Linkspartei einknickt.
Skeptisch steht auch Grünen-Politiker Kleinert den Erfolgsaussichten einer rot-rot-grünen Zusammenarbeit gegenüber. Das, was derzeit in der Öffentlichkeit unter Wortbruch diskutiert werde, sagt der Politologe, wiege schwer auf Ypsilantis Schultern.
Sollbruchstellen zwischen den Koalitionären und dem Duldungspartner Linkspartei gibt es einige - vor allem im Bereich der Infrastrukturmaßnahmen. Die am 7. Oktober aufgenommenen Koalitionsverhandlungen sind noch mit einer weiteren Hypothek belastet: Kurz nachdem die Türen sich hinter der Verhandlungskommission geschlossen hatten, veröffentlichte CDU-Finanzminister Weimar seinen Haushaltsansatz für 2009. 1,26 Milliarden Euro beträgt die Deckungslücke nach seinen Angaben.
"Für irgendwelche Geschenke ist überhaupt kein Geld übrig", unterstreicht der CDU-Politiker auch mit Blick auf die Bankenkrise. Weitere Einschnitte seien unerlässlich. "Hessen ist reich an Schulden und arm an Vermögen", kommentiert Weimars designierter SPD-Nachfolger Reinhard Kahl den Kassensturz. Wie die linke Mehrheit ihre ehrgeizigen politischen Projekte unter diesen finanziellen Rahmenbedingungen umsetzen will, lassen die Verhandlungspartner von SPD und Grünen im Moment offen. Allein das von der Linkspartei auf die Agenda gesetzte Beschäftigungsprogramm zur Schaffung von 25.000 Arbeitsplätzen würde nach den Worten von CDU-Sozialministerin Silke Lautenschläger fast so viel kosten wie der Haushalt des Sozialressorts.
Dass CDU und FDP auf ein schnelles Ende des rot-grün-roten Projekts setzen, erstaunt vor diesem Hintergrund nicht. Neuwahlen jedoch gelten im bürgerlichen Lager als Ultima Ratio. Rentsch geht davon aus, dass im Falle des Scheiterns zunächst einmal Gespräche mit den Grünen geführt werden. Die Vorstellung, dass seine Partei ohne einen neuen Urnengang mit fliegenden Fahnen in eine Jamaika-Koalition geht, hält Hubert Kleinert indes für verwegen: "Das wäre politisch sehr unklug."
Zudem ist die Frage, ob Jamaika in der hessischen Landespolitik eine Chance hat, eng an die Person Kochs gekoppelt. Einerseits gilt der CDU-Chef an der grünen Basis als nicht vermittelbar. Andererseits könne nur Koch, so die Einschätzung von Rentsch, die Zusammenarbeit mit der Ökopartei innerhalb der hessischen CDU durchsetzen. Dies sei auch den Grünen bewusst. "Das ist das Dilemma, in dem die Partei steckt." Koch steht für die hessischen Christdemokraten nicht zur Disposition. "Das ist unsere autonome Entscheidung", betont Fraktionschef Wagner, "und ich glaube, die anderen Parteien haben das begriffen."