Die Union wolle "keine Vorverurteilung", aber auch "keinen Freispruch" verkünden: Mit dieser Erklärung der Abgeordneten Kristina Köhler (CDU) hat die Union bei der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses erstmals öffentlich zu der seit Wochen behandelten Frage Stellung genommen, ob der BND-Einsatz in Bagdad im Frühjahr 2003 der offiziellen Linie der damaligen rot-grünen Regierung widersprach, Deutschland beteilige sich nicht am Irak-Krieg. Köhler, die als neue Obfrau ihrer Fraktion die Nachfolge des jüngst als Staatsminister für die ausgeschiedene Hildegard Müller ins Kanzleramt gewechselten Hermann Gröhe antrat, ließ eine gewisse Distanz zum Koalitionspartner SPD erkennen - ohne sich allerdings auf die Seite der Opposition zu schlagen.
Aus Sicht der CDU-Parlamentarierin stellen sich zwei offene Fragen: Warum war das US-Hauptquartier so sehr an den Meldungen zweier BND-Agenten aus Bagdad interessiert, wenn deren Erkenntnisse für die Kriegsführung angeblich doch irrelevant gewesen seien? Und warum habe die deutsche Regierung, die nicht direkt am Krieg beteiligt war, überhaupt Informationen mit militärischem Inhalt aus dem Irak benötigt?
Auch diese Sitzung wurde von der Konfrontation zwischen SPD einerseits und FDP, Linkspartei und Grünen andererseits beherrscht. Überprüfen ließ sich die Stichhaltigkeit der jeweiligen Argumente nicht, da die Vernehmung von BND-Vertretern bislang ausschließlich geheim stattfand. Auch die weiteren Vernehmungen dürften nicht öffentlich sein.
Für SPD-Obmann Michael Hartmann besagten jedenfalls die Zeugenbefragungen, dass von den aus Bagdad zur BND-Zentrale in Pullach übermittelten Erkenntnissen keine Meldungen zum US-Hauptquartier in Katar flossen, die für die "taktisch-operative Kriegführung" hätten genutzt werden können. Im Übrigen sei die US-Armee gar nicht auf die Hilfe des BND angewiesen gewesen: Für das US-Militär hätten im Irak seinerzeit 90 Agenten ("Rockstars") gearbeitet, zudem hätten Drohnen-Aufklärungsflüge Informationen geliefert. Es gebe keinerlei Belege, sagte Sozialdemokrat Hartmann, dass BND-Meldungen "die militärischen Entscheidungen der USA beeinflusst haben".
Max Stadler (FDP) hingegen unterstrich: "Eine Nichtbeteiligung am Krieg sieht anders aus." Die vom BND gelieferten "militärischen Lagebilder" seien sehr wohl für die US-Armee von Belang gewesen: Schließlich seien solche Erkenntnisse wichtig für die Frage gewesen, ob die Bombardierung von Bagdad fortgesetzt oder die Bodenoffensive begonnen werden solle. Norman Paech (Linkspartei) sah zunehmend die These bestätigt, dass sich das US-Militär mit Hilfe des BND über den Fortgang des Kriegsgeschehens informiert habe. Auch aus Sicht von Hans-Christian Ströbele (Grüne) verdichten sich die Hinweise, dass die Nachrichten des BND für die US-Kriegführung von "erheblicher Bedeutung" gewesen seien.
Besonders frappierend muteten bei SPD und Opposition die gegensätzlichen Interpretationen der "non targets" an, also jener vom Bundesnachrichtendienst an die US-Armee übermittelten Ziele in Bagdad, die nicht angegriffen werden sollten. Hartmann sagte, beispielsweise habe die Benennung des Standorts eines von Journalisten frequentierten Hotels geholfen, "Menschenleben zu retten". Paech und Ströbele indes erklärten, zumindest in der heißen Kriegsphase seien vom deutschen Geheimdienst gar keine "non targets" an das US-Militär gemeldet worden.