Wer zu Hause einen nahen Angehörigen pflegt, droht - wenn kein Testament vorliegt - im Erbfall leer auszugehen. Die von der Bundesregierung vorgelegte Änderung des Erb- und Verjährungsrechts ( 16/8954) legt sich auf die so genannte gesetztliche Erbfolge fest. Beispielsweise Schwiegerkinder oder Angehörige einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, erbten in einem solchen Fall nichts. Dies gehe so nicht, befanden mehrere Sachverständige bei einer Anhörung des Rechtsausschusses am 8. Oktober.
So äußerte der ehemalige Professor an der Universität Bielefeld, Gerhard Otte, der Gesetzgeber erkenne zutreffend die Wichtigkeit häuslicher Pflege durch Personen, die dem Vererbenden nahestehen. In der Öffentlichkeit werde es aber auf Unverständnis stoßen, wenn ein großer Teil der Pflegepersonen von vornherein übergangen würde.
Die Honorierung unentgeltlich erbrachter Pflegeleistungen sollte daher nicht bei der Auseinandersetzung unter gesetzlichen Erben ansetzen, sondern jeder Pflegeperson unabhängig von ihrer erbrechtlichen Stellung zugute kommen. Dafür biete sich die Form eines "gesetzlichen Vermächtnisses" an. Auch Notar Professor Peter Rawert aus Hamburg war dieser Meinung.
Professor Thomas Pfeiffer von der Universität Heidelberg bezeichnete ebenfalls die Beschränkung auf gesetzliche Erben als verzichtbar. Wen der Verstorbene in welchem Umfang als Erben einsetze, habe er selbst in der Hand.
Pfeiffer merkte allerdings an, gesetzliche Ansprüche zu schaffen als Ausgleich für Pflegeleistungen in der Familie sei mit einer Verrechtlichung eines weiteren Bereichs der persönlichen Sphäre verbunden. Das habe zwar auch nachteilige Folgeerscheinungen - beispielsweise Streitigkeiten mit Beweisaufnahmen über Notwendigkeit und Umfang der Pflege "bis hinein in den Intimbereich". Das Gesetz habe sich aber bereits heute dafür entschieden, dies wegen der erheblichen und zukünftig noch steigenden Bedeutung der familiären Pflege hinzunehmen. Jörg Mayer, Notar aus Simbach am Inn, nannte die vorgesehene Neuregelung "äußerst problematisch". Zum einen sei zu befürchten, dass es eine Vielzahl von Streitigkeiten darüber geben werde, ob und in welchem Umfang die einzelnen gesetzlichen Erben Pflegeleistungen erbracht haben.
Zudem sei eine bessere Honorierung von Pflegeleistungen über das rechtstechnisch äußerst komplizierte Ausgleichungsverfahren sehr schwierig. Das Ausgleichungsverfahren sei insofern ungenügend, als andere pflegende Personen, insbesondere Schwiegerkinder, nach wie vor dadurch nicht berücksichtigt würden.
Gerhard Schlichting, Richter am Bundesgerichtshof, meinte, seines Erachtens müsse der Pflegeperson selbst überlassen bleiben, ob sie für ihre Leistungen ein Entgelt vom Erblasser verlangt oder nicht. Gerade wenn die Pflegeperson sich dem Erblasser gegenüber nicht so verpflichtet fühlt wie ein gesetzlicher Erbe, sei ein Aushandeln der Gegenleistung durchaus zumutbar.
Rechtsanwältin Angelika Nake aus Darmstadt begrüßte aus frauenpolitischer Sicht, dass die Voraussetzung "Verzicht auf berufliches Einkommen des Pflegenden" gestrichen werden solle. Die Vorschrift stimme nicht mehr mit der Lebenswirklichkeit überein. Sie monierte aber ebenfalls, dass bestimmte Personenkreise, die den Verstorbenen oft jahrelang gepflegt hätten, jetzt vom Erbe ausgeschlossen seien.
Unter den Sachverständigen wurde vereinzelt auch kritisiert, dass es nach dem Gesetzentwurf schon ausreiche, wenn man wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wurde, den Pflichteil beim Erbe zu entziehen. Einige Experten empfahlen, der Rechtsausschuss solle diese Frist hinaufsetzen.