Fidel Castro
Die Bilanz eines früheren Mitstreiters überzeugt - aber nicht in allen Punkten
Fidel Castro ist gestorben." Der Autor Peter Schenkel Eisenhertz beginnt seine Analyse zu Werk und Vermächtnis des kubanischen "máximo líder" mit einer Unwahrheit. Zwar hat sich Castro von der aktiven politischen Bühne verabschiedet, sein Tod aber wurde trotz bisweilen aufkeimender anderslautender Gerüchte nicht bestätigt. Gleichwohl bedeuten der Rückzug Fidels aus der kubanischen Politik nach 49 Jahren und die Übernahme der Staats- und Regierungsgeschäfte durch seinen Bruder Raúl eine Zeitenwende. Die Nach-Castro-Ära hat begonnen. Genau das bringt der Einstieg Schenkel Eisenhertz' pointiert zum Ausdruck.
Freilich hat es in der jüngeren Vergangenheit x-fache Versuche gegeben, dem Phänomen Castro auf die Spur zu kommen. Erinnert seien hier nur an zwei jüngere, auch in deutscher Sprache veröffentlichte Werke anlässlich des 80. Geburtstages des Revolutionsführers vor zwei Jahren: die solide Biografie von José de Villa (Econ Verlag) und die von Norberto Fuentes verfasste, in ihrem Duktus merkwürdig anmutende, da fiktive "Autobiografie" Fidel Castros (Verlag C. H. Beck). Braucht es also noch dieses weitere Buch zum Thema?
Interessant an Schenkel Eisenhertz' Buch "Kuba unter Castro. Fidel, Che, die Revolution und ich" ist die Perspektive des Autors. Dieser lernte Castro 1955 persönlich kennen, folgte ihm nach dem Sturz des früheren Diktators Fulgencio Batista am 1. Januar 1959 enthusiastisch nach Kuba. Von 1960 an bekleidete er Ämter in Che Guevaras Industrieministerium. Im Jahr 1966 verließ Schenkel Eisenhertz dann jedoch die Insel, ernüchtert von der kommunistischen Wirklichkeit. Verheiratet mit einer Kubanerin lebt der 85-Jährige, der in seinem weiteren Berufsleben viele Jahre lang für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Lateinamerika tätig war, heute in Ecuador.
Schenkel Eisenhertz lässt die Leser genauso teilhaben an seiner anfänglichen Begeisterung für die kubanische Revolution wie an seinen wachsenden Zweifeln an den lauteren Absichten Castros, die schließlich in einer bitteren politischen und persönlichen Enttäuschung enden. Es ist dieses in der Vita des Autors begründete Spannungsfeld von Nähe und Distanz zu Castros Kuba, die das Buch aus dem Meer diesbezüglicher Literatur heraushebt. Gerade dass er es sich mit seiner Kritik an den kubanischen Verhältnissen nicht leicht macht, er auch nicht den Hinweis vergisst, dass etwa das Bildungssystem auf der Insel in Lateinamerika nach wie vor seinesgleichen sucht, macht sein Gesamturteil über Castro glaubwürdig. Dieses fällt eindeutig kritisch aus: "Er hatte das kubanische Volk hintergangen, eine niemandem außer sich selbst verantwortliche Diktatur und einen widerlichen Polizeistaat geschaffen und die kubanische Wirtschaft fast zugrunde gerichtet." Interessant ist in diesem Zusammehang Schenkel Eisenhertz' These, die anfängliche "Zurschaustellung demokratischer Überzeugungen und Ziele" habe Castro als "Tarnung viel radikalerer Ziel- setzungen", nämlich der Etablierung eines kommunistischen Regimes, gedient. Ein Manko ist, dass er diesen Gedanken nicht intensiver verfolgt und argumentativ unterlegt. Der Verweis, Castro habe bereits in den 50er-Jahren Marx studiert, reicht jedenfalls nicht aus.
Grundsätzlich verortet der Autor wichtige Stationen aus Castros Leben jedoch präzise in der politischen Weltgeschichte - ein Faktor, der das Buch durchaus auch für "Kuba-Einsteiger" lesenswert macht. Insbesondere der Bericht Schenkel Eisenhertz' zu den Anfangsjahren der kubanischen Revolution wirkt authentisch, seine Analyse dazu nachvollziehbar. Umso enttäuschender ist daher, dass seine Ausführungen zum heutigen Kuba und zur Nach-Castro-Zukunft des Staates sehr oberflächlich ausfallen. Allzu zufällig ist hier seine Recherche ("Wie mir meine Bekannten erzählten..."), allzu anekdotisch sein Stil ("Als meine Frau 1995 das letzte Mal ihre Mutter in Havanna besuchte,..."). Schade.
Kuba unter Castro. Fidel, Che, die Revolution und ich.
Herbig Verlag, München 2008; 253 S., 19,95 ¤