Private Erinnerungen, so bemängelt Mary Fulbrook in ihrer Darstellung über "Das ganz normalen Leben" in der DDR, werden zu häufig als "retrospektive Nostalgie" abgetan. Die englische Historikerin sucht dagegen nach einem "multidimensionalen Ansatz", der erklärt, warum so viele Ostdeutsche überwiegend positiv an die Jahre der Diktatur zurückdenken.
Fulbrook beschreibt, wie man in der DDR seine Freizeit verbrachte, welche Veränderungen Rollenbilder erfuhren, wie der Staat versuchte, eine Jugend nach seinen Vorstellungen zu formen - und welche Konflikte und Einflussmöglichkeiten es in allen Bereichen gab. Trotz des unzweifelhaft diktatorischen Charakters der DDR habe es nicht nur Nischen gegeben, in denen Individualität ausgelebt wurde, sondern auch Räume innerhalb des Mainstream: Die meisten Menschen hätten ein angenehmes und gesundes Leben im Konsumsozialismus geführt.
Fulbrook erzählt unterhaltsam und eigenständig. Da hätte es der wiederholten Behauptung, die Geschichtsschreibung habe sich bislang mit der Alltagsgeschichte der DDR nicht befasst, gar nicht bedurft.
Das ganz normales Leben. Alltag und Gesell-schaft in der DDR.
Primus Verlag, Darmstadt 2008; 364 S., 29,90 ¤