DDR-geschichte
Moritz Holfelders emotionaler Nachruf auf den Palast der Republik
Der Kulturpublizist Moritz Holfelder hat mit seinem "Aufstieg und Fall eines symbolischen Gebäudes" einen sehr emotionalen Nachruf auf den Palast der Republik verfasst. Holfelder ist kein Ewiggestriger: Der Autor ist Westdeutscher ohne Kindheitserinnerungen an den Palast. Sein verspätetes Plädoyer gibt eher denen eine Stimme, die sich fragen, warum und wann man den Zeitpunkt verpasst hat, an dem man noch mit Erfolg gegen den Palast-Abriss hätte protestieren können.
Holfelder macht aus seiner Haltung keinen Hehl. Er belegt damit ein auffälliges Charakteristikum des ehemaligen ostdeutschen Prachtgebäudes - dass sich an seiner Existenz ganz offensichtlich die Geister scheiden, dass sich die Menschen in Ost und West in frenetische Fans oder Gegner des Palastes trennen. Außerdem, das wird schon in den einleitenden Abschnitten klar, geht es nicht allein um das sozialistische Erbe, sondern auch um das Hohenzollern-Schloss, das zuvor an dieser Stelle stand. Folgerichtig beginnen Holfelders Schilderungen noch vor dem Bau der ersten Burg im 15. Jahrhundert.
Dem Schloss-Abriss weint der Autor keine Träne nach; eher klingt Verwunderung über die ostdeutschen Machthaber an, die die Entscheidung über die Neubebauung von Berlins verwaister Mitte über 20 Jahre vertagten. Dann erst begannen sie mit den Planungen für ein Haus, dessen einzigartiges Konzept der Autor ein ums andere Mal hervorhebt. Die Verbindung zwischen einem "Haus des Volkes" und dem Parlamentssitz habe es nirgendwo sonst gegeben. Es folgen Beschreibungen der Bauarbeiten, Details zum Innenleben des Palastes sowie der Ausstattung des großen Saals, der flexibel verschiedenen Anforderungen angepasst werden konnte. Holfelder vergisst nicht, den schlampigen Umgang mit jenem Stoff zu erwähnen, der schließlich den Abriss besiegelte: Asbest. Von Anfang an sei das angewendete Spritzverfahren auch in der DDR nicht zulässig gewesen, aber die Planerfüllung sei den Verantwortlichen wichtiger erschienen als Rücksichtnahme auf die Gesundheit der späteren Nutzer.
Der Autor widmet sich auch den Veranstaltungen, die im Haus stattfanden und von denen nur ein Bruchteil politischer Natur gewesen sei. Kein Wort darüber, dass "Ein Kessel Buntes" oder FDJ-Friedensfeste durchaus eine systemstabilisierende Wirkung hatten. Stattdessen unterstellt er immer wieder einen gleichsam im Wesen des Hauses liegenden oppositionellen Geist, der auch Punk-Konzerte zugelassen habe. Die Vereinigungspolitiker hätten dies vollkommen verkannt und dem Palast letztlich undemokratisch den Garaus gemacht. Wenn das Volk hätte entscheiden dürfen, meint Holfelder, so hätte es sich gegen den Abriss ausgesprochen.
Verständlich, dass er deswegen mit den Plänen zum Neubau des Schlosses wenig anfangen kann und die energische Unterstützung von Politikern für dieses Projekt kritisiert. Der schriftlichen Dokumentation folgt eine ausgesprochen ansehnliche Bilderstrecke, wie überhaupt die Abbildungen eine große Stärke des Buches ausmachen. Abschließend porträtiert Holfelder eine Reihe Prominenter und Normalbürger, deren Lebensweg die Palast-Geschichte kreuzte - unter anderem Udo Lindenberg, Willy Sitte, Thomas Flierl und Wilhelm von Boddien. Sein Versuch, die Sprechweise ostdeutscher Proletarier zu verschriftlichen, wirkt allerdings etwas aufgesetzt.
Holfelders Darstellung ist sicher keine ausgewogene Dokumentation der Palast-Geschichte. Aber sein engagiertes Buch ist über weite Strecken durchdacht und unterhaltsam. Störend ist lediglich, dass er immer wieder den "oppositionellen" Charakter des Hauses als Argument gegen den Abriss bemüht, obwohl er doch wesentlich bessere Gründe für diese Position anführt und sei es nur, dass hier der ideale Ort zur Darstellung von DDR-Geschichte gewesen wäre. Dennoch: ein tolles Buch nicht nur für Palast-Nostalgiker.
Palast der Republik. Aufstieg und Fall eines symbolischen Gebäudes.
Ch. Links Verlag, Berlin 2008; 208 S., 29,90 ¤