ISLAM
Die Journalistin Cornelia Filter auf den Spuren von Konvertiten in Deutschland
Sie heißen Mohammed Hartmut Herzog, Abdul Hadi Christian Hoffmann oder Ayyub Axel Köhler. Sie sind Muslime deutscher Herkunft, die es in muslimischen Vereinen wie in der Mehrheitsgesellschaft zu Einfluss gebracht haben. Als Kenner sowohl des Islams als auch der deutschen Gesellschaft sind sie gefragte Gesprächspartner in Talkshows, im Innenministerium und bei Islam-Debatten auf den Podien der Republik.
Die Öffentlichkeit faszinieren sie allerdings aus einem anderen Grund: Herzog, Gründer und Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime, Hoffmann, ehemals CDU-Pressesprecher in Bonn und nun Vorsitzender der Muslimischen Akademie in Berlin, und Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, sind nach reiflicher Überlegung und aus freien Stücken zum Islam konvertiert. Das Deutsche Islam-Archiv in Soest geht von 18.000 Konvertiten seit 1945 aus, bei stark steigender Tendenz. Andere Experten zweifeln diese Zahl an. Fest steht aber: Die Zahl der Übertritte steigt.
Die Journalistin Cornelia Filter hat sich auf die Suche gemacht: nach den Köhlers und Hoffmanns, aber auch nach Konvertiten, die der Allgemeinheit völlig unbekannt sind. Gefunden hat sie eine enorme Bandbreite organisierten wie privaten islamischen Lebens: Sie hat einen Derwisch-Konvent in der Niederlausitz besucht, Moscheen und Islam-Zentren besichtigt, Muslime zum Interview getroffen. All das mit wohlwollenden Augen - was, so darf man vermuten, auch als eine Art Wiedergutmachung zu verstehen ist. Vor zwei Jahren setzte sich die langjährige "Emma"-Schreiberin in einem mehrseitigen Dossier zu Konvertiten gründlich in die Nesseln: Sie habe eine "Anklageschrift" voller "Vermutungen und Unterstellungen" verfasst, empörten sich Schreiber in einschlägigen Internetforen damals. Übel genommen wurde ihr vor allem das Frauenbild, das sie transportierte: von der kritiklosen, unselbstbewussten Frau, die sich qua Heirat den religiösen Wünschen ihres Angetrauten unterjocht.
Die erneute Reise Filters durch das islamische Deutschland - die dem Leser ein wenig überauthentisch mit Angabe jeder einzelnen Zugverbindung nahe gebracht wird - verfolgt eher die gegenteilige Absicht: Fanatisierte Muslime vom Schlage des international gesuchten Eric Breininger lässt Cornelia Filter überwiegend außer Acht. Die, die sie trifft, lässt sie weitgehend vorurteilsfrei erzählen, erklären und begründen: Was war die Initialzündung für ihre Zuwendung zu Allah? Wie praktizieren sie die Religion, wie legen sie den Koran aus? Den Vorwurf der Kritiklosigkeit und der übermäßigen Rücksicht gegenüber so manchem Gesprächspartner wird sie sich wohl von manchem gefallen lassen müssen.
Gelungen ist ihr aber, über 250 Seiten ein enorm vielschichtiges Bild muslimischen Lebens in Deutschland entstehen zu lassen. Cornelia Filter trifft liberale Frauenrechtlerinnen - mit denen sie sich geradezu frenetisch identifiziert -, wie zum Islam übergetretene Studentinnen, die einem Mann nicht die Hand geben würden. Und sie trifft mehrere Konvertiten, unter ihnen auch Mohammed Herzog, die eine erstaunlich pragmatische Begründung für ihr Tun angeben: Der Glaube an Allah sei klarer strukturiert als die heilige Dreifaltigkeit des Christentums; zudem biete der Islam klare Handlungsanleitungen für den Alltag. Letzteres klingt etwas erstaunlich, weil in dem Werk genau so deutlich wird: Jeder der Konvertiten liest den Koran anders - und der Leser fragt sich, warum sie in der Öffentlichkeit nicht häufiger und lauter diskutieren.
Es gibt weniger holprige Wege zur gesellschaftlichen Akzeptanz als den der Konversion zum Islam. Der Berliner Ausländerbeauftragte Günter Piening bringt es im Gespräch mit Cornelia Filter auf den Punkt: Wo Meinungsmacher sich im Kampf der Kulturen sehen, werden Konvertiten nicht in erster Linie als Mittler betrachtet - sondern als Deserteure.
Mein Gott ist jetzt Allah und ich befolge seine Gesetze gern.
Piper Verlag, München 2008; 253 S., 16,90 ¤