FÖDERALISMUSKOMMISSION
Ärmere Bundesländer wollen auf Ausgleichszahlungen nicht verzichten
Noch hat Antje Tillmann den 18. Dezember "als Termin fest eingeplant". Eigentlich sollen an diesem Tag im Bundestag die Gesetzentwürfe zur Neuordnung der staatlichen Finanz- architektur mit einer Schuldenbegrenzung für die öffentliche Hand als Kern eingebracht werden. Die CDU-Abgeordnete, in ihrer Fraktion für die Föderalismuskommission zuständig, gibt sich optimistisch: "Ich rechne mit einer Lösung. Alle wissen, dass dies nötig ist". Viel Skepsis klingt hingegen bei FDP-Parlamentarier Ernst Burgbacher an, dem Vize-Vorsitzenden des Gremiums: "Es dürfte kein wirklich gutes Ergebnis herauskommen." Der Liberale verweist allein schon auf den "großen Zeitdruck", nachdem Günther Oettinger (CDU) und Peter Struck (SPD) als Chefs der Kommission die Verkündung eines Durchbruchs immer wieder verschoben hätten. Die Aussichten auf eine Einigung schätzt Fritz Kuhn, Vormann der Grünen-Fraktion, auf 50 Prozent. Selbst Ministerpräsident Oettinger sagt im Stuttgarter Landtag eher zurückhaltend: "Die Chancen stehen nach wie vor nicht schlecht."
Ursprünglich war für den 16. Oktober endlich die Präsentation eines neuen Modells für die Bund-Länder-Finanzbeziehungen avisiert. Doch daraus wird wohl nichts, die "heiße Phase" dürfte sich noch hinziehen. Nach wie vor zeichnet sich kein Kompromiss bei einer Schuldenbremse und bei Finanzhilfen zugunsten klammer Länder ab - letzteres hat sich durch neue Ideen sogar verkompliziert. Zudem wirkt sich die internationale Finanzkrise, die den Staat zur Mobilisierung gewaltiger Milliardensummen zwingt, auch auf die Föderalismuskommission aus. Darüber hinaus könnte in Hessen demnächst CDU-Ministerpräsident Roland Koch der SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti weichen - und Koch verficht einen betont restriktiven Kurs beim Thema Staatskredite.
FDP-Politiker Burgbacher kritisiert, dass man sich von einer grundlegenden Neuordnung der staatlichen Finanzarchitektur mit einer Steuerautonomie für Länder und einer Reform des Finanzausgleichs längst verabschiedet habe. Der Liberale hält eine Verständigung von Union und SPD auf der Basis des Konzepts von Peer Steinbrück für denkbar: Der SPD-Finanzminister will Bund und Ländern in "normalen" Zeiten eine jährliche Kreditaufnahme in Höhe von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erlauben, in Ausnahmefällen wie Rezessionen oder Naturkatastrophen soll es mehr sein dürfen. Dieses Konzept wird auch vom saarländischen Regierungschef Peter Müller (CDU) befürwortet. Burgbacher seinerseits legt sich für ein striktes Verschuldungsverbot ins Zeug.
Nun pocht die Union eigentlich auf null Kredit in normalen Wirtschaftsphasen. Die SPD-Fraktion jedoch will eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von 0,75 Prozent des Bruttosozialprodukts gestatten, das wären rund 18 Milliarden Euro - aus Sicht von Joachim Poß (SPD) ein großer Fortschritt gegenüber der heutigen Lage. Diskussionen über rigidere Strategien sind für den SPD-Fraktionsvize von eher theoretischer Natur: Sinnvoll seien Kreditschranken, die der Staat auch einhalten könne. Grundsätzlich stößt in Teilen der SPD die Absicht auf Ablehnung, die Finanzpolitik künftig gewählter Parlamente und Regierungen durch strikte Regeln stark einzuengen. CDU-Abgeordnete Tillmann dagegen lehnt eine 0,75-Prozent-Marge als "nicht tragbar" ab. Sie hält einen Kompromiss zwischen Steinbrücks Konzept und der strengeren Linie der Union für möglich. Es müssten vor allem die Ausnahmen präziser definiert werden, die ein Abweichen von der Kreditbegrenzung rechtfertigen, sagt sie.
Aber verhagelt nicht der Finanzcrash die Arbeit der Föderalismuskommission? Muten deren Debatten nicht akademisch an, wenn strauchelnde Banken dem Staat sagenhafte Milliardensummen zumindest als Reserve abfordern? Tillmann (CDU) argumentiert, dass Finanzkrisen als Sondersituationen in Konzepten zu restriktiven Kreditregeln durchaus vorgesehen seien. Trotzdem könnten das große Debakel und dessen Konsequenzen zum spannendsten Aspekt der Sitzung am 16. Oktober werden.
Noch schwieriger als bei Schuldenbremsen muten Kompromisse bei den umstrittenen Finanzspritzen für arme Länder wie das Saarland, Bremen und Schleswig-Holstein an, die ihre Etats ohne neue Schulden nicht ausgleichen können. Oettinger und SPD-Fraktionschef Struck schwebt ein mit jährlich 1,2 Milliarden Euro ausgestatteter Topf vor, der vom Bund und von reichen Ländern je zur Hälfte gespeist wird und aus dem die drei erwähnten Länder Zinshilfen erhalten. Die Tilgung der 1,5 Billionen Euro Altschulden von Bund, Ländern und Gemeinden soll erst in fünf bis sieben Jahren angepackt werden. Mit einem ganz anderen Vorschlag überrascht das Bundesfinanzministerium: Danach würden aus einem 735-Millionen-Euro-Fonds Berlin jährlich 294 Millionen, Bremen 180 Millionen, Sachsen-Anhalt 139 Millionen, das Saarland 86 Millionen und Schleswig-Holstein 36 Millionen erhalten. Saar-Finanzminister Peter Jacoby (CDU) protestiert: "Wir wollen und brauchen mehr". Steinbrücks Idee sei "nicht akzeptabel", meint auch die Schweriner SPD-Kollegin Sigrid Keler, da ihr Land in einen solchen Topf einzahlen müsse. Mit der "Zins-Steuer-Quote" präsentiert der Kieler CDU-Finanzminister Rainer Wiegand ein drittes Modell: Zuschüsse für arme Länder sollen sich danach berechnen, welchen Anteil der Steuereinnahmen sie für Zinsen ausgeben müssen. Ohne Hilfen bei der Tilgung von Altschulden würden finanzschwache Länder einer Schuldenbremse nicht zustimmen, droht Saarlands CDU-Ministerpräsident Peter Müller.