JAHRESSTEUERGESETZ 2009
Kein Lob für das neue Verfahren zur Entlastung mitverdienender Ehefrauen
Beifall gab es wieder nicht. Im vergangenen Herbst war die Bundesregierung im Parlament mit ihrem Versuch gescheitert, für Doppelverdiener-Ehepaare ein attraktiveres Lohnsteuerabzugsverfahren anzubieten. Das so genannte Anteilsverfahren wurde aus datenschutzrechtlichen Gründen still beerdigt. Jetzt hat die Regierung im Jahressteuergesetz 2009 (16/10189) das "optionale Faktorverfahren" aus der Taufe gehoben, und wieder will keine Begeisterung aufkommen, nicht einmal bei denen, für die die Regelung vor allem gedacht ist: Ehefrauen, die arbeiten, aber deutlich weniger verdienen als ihre Männer, oder die nur deshalb nicht arbeiten, weil es sich wegen des hohen Lohnsteuerabzugs für sie nicht lohnt.
"Viel zu kompliziert" geraten ist die Regelung nach Ansicht von Christel Riedel vom Deutschen Frauenrat. In der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zu dem Gesetzentwurf sagte Riedel am 8. Oktober, viele Ehepaare würden durch das komplizierte Berechnungsverfahren in "tiefe Ratlosigkeit" gestürzt. Prognosen zufolge würden nur fünf Prozent der Ehepaare von der Regelung Gebrauch machen. Der Deutsche Frauenrat sähe es lieber, so Riedel, wenn es eine Individualbesteuerung gäbe, bei der jedem Ehepartner die ihm zustehenden Freibeträge in vollem Umfang belassen werden.
Auch aus Sicht von Ulrike Spangenberg vom Deutschen Juristinnenbund führt das Verfahren weder zu mehr Transparenz bei den Eheleuten noch zu einer Vereinfachung des Steuerrechts. Anita Käding vom Bund der Steuerzahler (BdSt) hob auf den bürokratischen Aufwand ab und meinte, das Verfahren schüre die Hoffnung, man werde während des Jahres netto mehr ausgezahlt bekommen. Wie Hartmut Schwab von der Bundessteuerberaterkammer riet sie dazu, Lohnersatzleistungen nicht mehr nach dem Netto-, sondern nach dem Bruttogehalt zu berechnen. Schwab sagte, er lehne das Verfahren nicht ab, sehe aber auch keinen großen Nutzen. Für Hartmut Tofaute vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) stellt es dagegen eine Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand dar.
Für verbesserungsfähig hielten einige Sachverständige auch die geplante Regelung zur steuerlichen Absetzbarkeit von Schulgeld an Privatschulen. Hier hatte der Europäische Gerichtshof vorgegeben, dass das Schulgeld entweder gar nicht oder einheitlich für alle Privatschulen innerhalb der EU absetzbar sein müsse. Bislang hatten nur Eltern von Kindern an Privatschulen in Deutschland und an deutschen Auslandsschulen davon profitiert. 30 Prozent der Kosten sollen absetzbar bleiben, allerdings künftig nur noch bis maximal 3.000 Euro. Sowohl Marie-Luise Stoll-Steffan als Vertreterin der Internationalen Schule Frankfurt am Main als auch Professor Frank-Rüdiger Jach von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg plädierten dafür, diesen Betrag auf 5.000 Euro anzuheben. Stoll-Steffan sagte, in Frankfurt würden Kinder ausländischer Familien, die für ein paar Jahre in Deutschland leben, unterrichtet. Ausdrücklich betonte sie, dass es dort keine Leistungsauslese gebe und dass es sich dabei nicht um eine Eliteschule handele. Professor Jach unterstrich, es sollten nicht mit Steuergeldern teure Eliteschulen mitfinanziert werden, sondern es gehe um EU-Bürger, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machten. Hartmut Tofaute vom DGB sagte, dann müssten allerdings auch Studiengebühren als Sonderausgaben absetzbar sein. Ebenso müsse die Berufsausbildung steuerlich mit der Schulausbildung gleichgestellt werden.
Zufrieden zeigten sich die Kommunalen Spitzenverbände. Der Bundesfinanzhof hatte bemängelt, dass es für die jahrelange Verwaltungspraxis vieler Kommunen, Überschüsse etwa bei der Energieversorgung zu verwenden, um Verluste im öffentlichen Nahverkehr auszugleichen, keine gesetzliche Grundlage gebe. Die soll nun mit dem Jahressteuergesetz geschaffen werden. "Die Regelung schreibt den Status quo fest", sagte Matthias Wohltmann vom Deutschen Landkreistag.
Keine Einigkeit unter den Sachverständigen war dagegen in der Frage erkennbar, ob das Fondssparen für die Altersversorgung steuerlich ebenso privilegiert werden sollte wie der Abschluss von Kapitallebensversicherungen. Stefan Seip vom Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) wies darauf hin, dass bei Fonds-Sparplänen 25 Prozent Abgeltungsteuer auf die Erträge fällig würden, während bei Lebensversicherungen nur 12,5 Prozent gezahlt werden müssten. Von einer Gleichstellung der Fonds mit den Versicherungen würden besonders Sparer mit geringem Einkommen profitieren, so Seip. Dass sich jemand nur aus steuerlichen Gründen für die eine oder andere Art der Altersvorsorge entscheidet, muss seiner Ansicht nach vermieden werden.
"Ganz anders" sah das Jürgen Wagner vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Fonds-Sparpläne und Lebensversicherungen seien nicht vergleichbare Produkte. Bei der Lebensversicherung werde ein Vertrag über eine bestimmte Zeit geschlossen, über Fondsanlagen könne der Sparer flexibel verfügen. Auch sei eine Lebensversicherung mit der Übernahme eines Risikos verbunden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband schlug sich in diesem Streit auf die Seite der Fonds: Dorothea Mohn sagte, zwar gebe es rechtliche Unterschiede, doch dienten beide Anlagen dem gleichen Zweck: "Auch wir wollen eine steuerliche Gleichbehandlung."