"Eine Buchführung per Hand gibt es nicht mehr": Diese Aussage Dieter Ondraceks, des langjährigen Chefs der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, blieb zwar nicht unwidersprochen, doch sie signalisierte: Das elektronische Zeitalter hat endgültig die deutsche Wirtschaft erreicht, die Unternehmen haben alle ihre Steuerdaten papierlos gespeichert.
Nun wollen die Finanzämter nachziehen und auch zur papierlosen Steuererklärung übergehen. Die Bundesregierung hat dazu einen Entwurf für ein Steuerbürokratieabbaugesetz ( 16/10188) vorgelegt, zu dem sich Sachverständige am 8. Oktober in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses äußerten. Darin ist vorgesehen, dass vom Steuerveranlagungsjahr 2011 an sämtliche Steuererklärungen von Unternehmen "standardmäßig" auf elektronischem Wege an die Finanzbehörden übermittelt werden. Lediglich um "unbillige Härten" zu vermeiden, sollen die Finanzämter auf eine elektronische Übermittlung verzichten können. Geplant ist auch, dass die Inhalte der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung für Wirtschaftsjahre von 2011 an online zum Finanzamt gelangen. Umfangreiche Papiere sollen dann nicht mehr eingereicht werden müssen.
Trotzdem haben sich alle in der Anhörung dazu befragten Experten dafür ausgesprochen, dass die Online-Steuererklärung nicht zur Pflicht gemacht wird, sondern freiwillig bleibt. Denn auch die Steuerberater sind noch nicht ganz so weit wie es wünschenswert wäre, so Hartmut Schwab von der Bundessteuerberaterkammer. Die Überlegung sei, dass man ohnehin häufig noch Belege in Papierform einreichen müsse und sich dann dafür entscheide, die Steuererklärung zusammen mit den Papier-Belegen abzuschicken.
Wann ein solcher "Härtefall" vorliegt, der zu einer Ausnahme berechtigt, würde Anita Käding vom Bund der Steuerzahler gern im Gesetz selbst geregelt sehen, weil es sonst in der Praxis zu Problemen kommen könne. Auch sprach sie sich für längere Übergangsfristen aus, um eine "Entzerrung" zu erreichen. Birgit Müller vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels sagte, man solle den Existenzgründern die freie Wahl lassen. Die Einführung der elektronischen Umsatzsteuer-Voranmeldung habe gezeigt, dass "solche Prozesse Zeit benötigen".
Auf die Problematik der elektronischen Signatur ging Heinz-Udo Schaap vom Zentralen Kreditausschuss der deutschen Banken (ZKA) ein. Derzeit sei die elektronische Signatur, mit der die Online-Steuererklärungen versehen sein müssen, an eine konkrete Person gebunden. Schaap hielt dieses Instrument für "zu eng". Der ZKA habe daher vorgeschlagen, ein "elektronisches Siegel" einzuführen, das die Authentizität und Integrität von elektronisch übermittelten Dokumenten sicherstellt. Dieses Siegel würde sich auf ein Unternehmen, nicht auf eine konkrete Person beziehen, was für die Unternehmen mehr Flexibilität bei gleich hoher Sicherheit bedeuten würde. "Das wäre eine echte bürokratische Erleichterung", so Schaap, um auch andere steuerrelevante Dokumente wie etwa Kontoauszüge und Rechnungen zu übermitteln.
Schaap nahm im Übrigen auch die Kontenabfrage durch staatliche Stellen aufs Korn, die zur Terrorabwehr und Geldwäschebekämpfung eingeführt worden war. Die meisten Abfragen dienten heute nicht mehr diesen, sondern anderen, beispielsweise sozialversicherungsrechtlichen Zwecken. In solchen Fällen, schlug Schaap vor, sollte es einen Kosten- erstattungsanspruch für die Banken geben. Das Abrufverfahren habe die Banken bereits mehr als 100 Millionen Euro gekostet.
Mit dem Gesetz ist auch geplant, die Schwellenwerte für monatliche Lohnsteuer-Anmeldungen von 3.000 auf 4.000 Euro und für vierteljährliche Anmeldungen von 800 auf 1.000 Euro anzuheben. Weder Dieter Ondracek von der Steuer-Gewerkschaft noch Michael Herzog vom Bundesverband der Deutschen Industrie hatten dagegen Einwände.