EU-Förderung
Luckenwalde baut Designer-Bücherei
Vielleicht wird der ehemals baufällige Bahnhof im brandenburgischen Luckenwalde nun doch eine Erwähnung in den Annalen der Architekturgeschichte finden. Nach der Sanierung wirkt der hellgraue Putz des wilhelminischen Gebäudes wieder adrett. Daneben leuchtet in der gleißenden Sonne ein goldfarbener Kubus, der mit spitzem Winkel die Straße überragt und schon von weitem einen starken Kontrast zu der kleinstädtischen Atmosphäre der Umgebung bietet.
Der Bahnhof ist jetzt eine Bibliothek, der glänzende Neubau nebenan beherbergt die Kinder- und Jugendbücher. Ein Prestige-Projekt, dass die Stadt mit ihren 21.000 Einwohnern nicht allein hätte stemmen können. Hier half hauptsächlich die Europäische Union. Luckenwalde bestritt aus dem EU-Förderprogramm Urban II für Stadtentwicklung mit rund 2,1 Millionen Euro einen Großteil der Bücherei-Baukosten. Zu diesem Geld mussten Bund, Land und die Stadt selbst jeweils über 427.000 Euro dazu geben. Es folgten Kosten für die Erschließung und die Ausstattung.
Die Stadt ist eine von 70 europäischen Städten, die den Förderzuschlag erhielt. Es soll ein Neuanfang sein für einen Ort, dessen Einwohner von Arbeitslosigkeit und Zukunftsangst geplagt werden. Zahllose Ruinen säumen die Straßen, Wohnungen stehen leer. Deswegen freute sich Bürgermeisterin Elisabeth Herzog-von der Heide (SPD) besonders, als sie die neu gestaltete Bibliothek im Sommer dieses Jahres eröffnen konnte. "Die Urban-Förderung versetzte uns in die glückliche Lage, uns Dinge zu erlauben, von denen wir sonst nur träumen könnten."
Luckenwalde sicherte sich im Jahr 2000 einen der vielen EU-Fördertöpfe für Stadtentwicklung. Die EU stellte für Urban II insgesamt 728,3 Millionen Euro zur Verfügung, davon erhielt Deutschland 145,7 Millionen. 15 Millionen Euro flossen nach Luckenwalde, die um noch mal 5 Millionen durch Bund- und Länderprogramme sowie Eigenmittel der Stadt aufgestockt werden mussten. Die kleine Stadt finanzierte davon den Bau eines Gewerbehofes, eines Biotechnologieparks, eines Kieztreffs und einiges mehr. Und eben die Bibliothek.
"Die Stärke von Urban II ist die große Flexibilität, die die Kommunen bei der Planung und Verwendung haben. Sie sind freier, aber auch gefordert, selbständig Lösungen zu finden", meint Christian Ehler. Das Mitglied der EVP im EU-Parlament kennt die Stadt gut, die in seinem Wahlkreis liegt. Gerade für kleine Kommunen biete das Programm viele Chancen. "Sie haben viel mehr Gestaltungsfreiheit als in den großen Strukturfonds der EU, die die Verwendung der Mittel genau vorgeben." Wer die weitläufige Eingangshalle der Bücherei betritt, sieht, wie sehr hier gearbeitet wurde: Rote Tresen bestimmen das Bild, die als Regal oder Theke für das Lesercafé dienen. Ein blaues Band aus Kacheln fließt auf den Wänden. Sorgfältig saniert wurden auch die hellgrauen Bodenfließen, von schwarzen Linien in Quadrate geteilt. Über allem schwebt eine Decke mit Kassettenmuster in zig Metern Höhe. Die Berliner Architekten Martina Wronna, Katharina Feldhusen und Ralf Fleckenstein veränderten das denkmalgeschützte Gebäude behutsam.
Keine zwei Jahre ist es her, da war das Haus noch eine Ruine, die einer Umfrage aus 2003 zufolge für die Bürger ganz oben auf der Rangliste der unangenehmsten Plätze des Ortes stand. Als Folge wirtschaftlicher und sozialer Probleme verzeichnete die Befragung zudem eine depressive Stimmung in Teilen der Bevölkerung. Nur sieben Prozent der Schüler sehen in der Stadt eine berufliche Perspektive. Da reichen Arbeitsplätze allein nicht, um Menschen an einen Ort zu binden und die Stimmung zu heben. Hier soll die neue Bibliothek helfen. "Mit Urban II soll auch dafür gesorgt werden, dass die Menschen sich in ihrer Stadt wohlfühlen", erläutert Christian von Faber, der in der Stadtverwaltung für das Projekt verantwortlich ist. Christian Ehler unterstreicht ebenfalls, dass Stadtumbau mit Urban II mehr als der Abriss von Plattenbauten sei. Zumal die Kommunen viel Eigeninitiative zeigen müssten.
Christian von Faber und Elisabeth Herzog-von der Heide betonen beide, dass es für die kleine Stadtverwaltung nicht leicht war, das Projekt zu schultern. Ohne Berater hätte man knifflige ökonomische, soziale und kulturelle Expertisen nicht ausarbeiten können, die Grundlage die Planungen waren. Mittel dafür flossen aus dem Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung.
An eine Bibliothek dachte 1999 aber noch keiner, als die ersten Überlegungen zu Urban II auf der Tagesordnung standen. Doch die als Deutsche Bahn mit dem Fahrkartenverkauf das Gebäude schloss, wuchs im Rathaus von Luckenwalde der Wunsch, das Eingangstor zur Stadt nicht weiter verkommen zu lassen. Die in viel zu beengten Räumen untergebrachte Bücherei suchte schon lange ein neues Haus. Eine abschließende Evaluation aus diesem Jahr bescheinigt der Stadt schon eine erfolgreiche Umsetzung der Urban II-Mittel. Deren langfristige Wirkung lässt sich aber noch nicht prognostizieren. Ob die Bücherei Erfolg hat, wird sich erst in der Zukunft zeigen. Bisher gehen die Meinungen in Luckenwalde über die "goldene Kiste" am Bahnhof auseinander. Aber immerhin: Einen Bibliotheksverein gibt es schon, der mit rund 50 Mitgliedern Schüler betreut und aushilft, wo die Mitarbeiter die Arbeit nicht schaffen.