USA
Vincent Bugliosi klagt den US-Präsident wegen Mordes an
Dass George W. Bush am 20. Januar 2009 von Bundespolizisten wegen einer anhängigen Mordanklage verhaften wird, wenn er aus dem Weißen Haus auszieht, ist nicht zu erwarten. Aber der US-Präsident könnte sich nach Ablauf seiner achtjährigen Amtszeit durchaus auf der Anklagebank eines Gerichtes wiederfinden. Nicht weniger zumindest fordert der ehemalige Staatsanwalt Vincent Bugliosi. Seine jetzt auf Deutsch erschienene "Anklage wegen Mordes gegen George W. Bush" stürmte innerhalb kürzester Zeit nach ihrem Erscheinen im Mai 2008 auf die Bestsellerliste der "New York Times".
"George W. Bush, der Präsident der Vereinigten Staaten", so klagt Bugliosi, "führte sein Land unter Vorspiegelung falscher Tatsachen skrupellos in einen Krieg, durch den über 100.000 Menschen, darunter 4.000 amerikanische Soldaten, eines gewaltsamen Todes starben." Bugliosi muss allerdings einräumen, dass Bush nach amerikanischem Recht "nur" wegen des Todes der US-Soldaten angeklagt werden könnte, da die irakischen Kriegsopfer im Ausland getötet wurden. Anklage erheben dürften nicht nur der amerikanische Justizminister, sondern auch seine Amtskollegen in den Bundestaaten und die Staatsanwälte der Countys, aus denen die gefallenen Soldaten stammen.
Das mit Leidenschaft und einer großen Portion Wut geschriebene Buch lässt erahnen, dass Bugliosi Bush am liebsten selbst ins Kreuzverhör nehmen würde. Immerhin, der Mann gehörte in seiner aktiven Zeit zu Amerikas Top-Juristen. Nicht ohne Stolz führt er an, dass er als Staatsanwalt keinen seiner 21 Mordprozesse verloren und in acht Fällen die Todesstrafe erwirkte habe. Er könne wohl einschätzen, "welche Beweise für eine Anklage wegen Mordes vor Gericht und die Sicherstellung einer Verurteilung nach US-Recht nötig sind". Und er brachte den Sektenführer Charles Manson, dessen Anhänger 1969 mindestens neun Menschen ermordet hatten - unter ihnen Roman Polanskis schwangere Ehefrau Sharon Tate - lebenslang hinter Gitter. Bugliosis Buch "Helter Skelter" über diesen Fall avancierte zum erfolgreichsten Kriminalsachbuch aller Zeiten.
Der Fall Manson spielt auch in Bugliosis Klage gegen Bush eine argumentative Rolle: Das Urteil wegen Mordes erreichte Bugliosi mit der Begründung, Manson habe die Tat zwar nicht selbst begangen - aber verursacht. Bugliosis Hauptanklagepunkt gegen Bush ist jedoch, dass dieser das amerikanische Volk bewusst belogen habe, um den Irak-Krieg zu führen. Weder habe er, so führt er in seinem Plädoyer an, jemals einen Beweis für Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen vorgelegt, noch für eine behauptete Verbindung zum Terrornetzwerk Al-Qaida.
Die Vorstellung von einem Mordprozess gegen einen ehemaligen Präsidenten wegen dessen Politik mutet sicherlich gewagt an. So etwas kennt man bislang nur von den Prozessen gegen Diktatoren oder den Kriegsverbrechertribunalen von Den Haag. Andererseits kennt die amerikanische Verfassung das Instrument der Amtsenthebung, das "Impeachment". Und Bugliosi lässt es sich nicht nehmen, das gegen Bill Clinton angestrebte Amtsenthebungsverfahren im Zuge der Lewinsky-Affäre als Vergleichsgröße zu zitieren: "Wenn wir Anklage gegen einen Präsidenten erheben, weil er einvernehmlichen Sex außerhalb der Ehe vertuschen wollte, was tun wir dann, wenn ein Präsident sein Land auf der Basis einer Lüge in einen Krieg treibt?" Um ein "Impeachment" geht es Bugliosi nicht: Würde Bush aus dem Amt entfernt, "wäre er immer noch ein freier Mann". Mit anderen Worten: Der forsche Ex-Staatsanwalt will Bush offensichtlich hinter Gittern sehen.
Dass der Irak-Krieg für die USA in mehrfacher Hinsicht zum Desaster geriet, ist inzwischen - selbst unter vielen Republikanern - unstrittig. Ob er allerdings das "größte Verbrechen" in der amerikanischen Geschichte ist, wie Bugliosi behauptet, muss bezweifelt werden. Verglichen mit der millionenfachen Vernichtung und Vertreibung der nordamerikanischer Indianer auf dem Gebiet der USA mutet diese Anschuldigung reichlich überzogen an. Unbestreitbar hingegen ist, dass Vincent Bugliosi gründlich recherchiert und Fakten zusammengetragen hat, um seine Anklage wasserdicht zu machen. Ob sie auch vor Gericht tatsächlich Bestand hätte, kann allerdings nur ein Prozess erweisen.
Anklage wegen Mordes gegen George W. Bush.
Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2008; 344 S., 16,90 ¤