Finanzkrise
Parlament verabschiedet 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket für deutsche Banken
Wenn es auf den Finanzmärkten brennt, muss gelöscht werden - auch wenn es sich um Brandstiftung handelt." Dies erklärte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) am 15. Oktober im Plenum des Deutschen Bundestages, als die Regierung ihr am 13. Oktober beschlossenes Löschpaket ins Parlament einbrachte. Das Gesetz wurde in einem bisher nicht gekannten Eilverfahren schon am 17. Oktober auf Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ( 16/10651) verabschiedet. Da der Bundesrat am selben Tag zustimmte und Bundespräsident Horst Köhler das Gesetz noch am 17. Oktober ausfertigte, konnte es am 18. Oktober in Kraft treten.
Mit dem Gesetz zur "Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes" ( 16/10600) sollen die Banken in Deutschland bis Ende 2009 unterstützt werden. Dafür sind Garantien für die Geschäfte von Bank zu Bank bis zu 400 Milliarden Euro vorgesehen. Außerdem soll ein Fonds bis Ende 2009 den Banken Eigenkapital gegen Anteile geben und notfalls auch Kreditausfälle abkaufen. Insgesamt soll der Fonds Kredite von bis zu 100 Milliarden Euro aufnehmen können, sodass das Maßnahmenpaket insgesamt 500 Milliarden Euro umfasst. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erlebt die Weltwirtschaft in diesen Wochen ihre schwerste Bewährungsprobe seit den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Geldmärkte seien praktisch funktionsunfähig, immer weitere Märkte drohten infiziert zu werden. Deshalb habe international und auch national gehandelt werden müssen. "Der Staat war und ist die einzige Ins-tanz, um das Vertrauen zwischen den Banken wiederherzustellen, und zwar zum Schutz der Bürger und nicht zum Schutz von Bankinteressen", betonte sie.
Sie sei sich bewusst, dass noch nie ein umfangreiches Gesetzesvorhaben mit einem so ehrgeizigen gesetzgeberischen Zeitplan auf den Weg gebracht wurde. Sie dankte allen für die Bereitschaft, sich im Interesse des Landes auf diesen Zeitplan einzustellen. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zollte der Leistung "hohen Respekt und hohe Anerkennung", ein solch kompliziertes Werk dem Bundestag so schnell vorzulegen. Wegen der Größenordnung und der Eilbedürftigkeit werde das Parlament vor eine besondere Herausforderung gestellt. Trotzdem hätten die Fraktionsführungen unbeschadet ihrer unterschiedlichen Rollen in Koalition und Opposition ihre Bereitschaft erklärt, unter Verzicht auf die üblichen Fristen schnellstmögliche Beratungen und eine Entscheidung über dieses Gesetzespaket zu ermöglichen. "Dies ist nicht nur ein eindrucksvoller Beleg für die Handlungsfähigkeit unserer Verfassungsorgane, dies ist auch ein eindrucksvoller Beleg für die oft beschworene Solidarität der Demokraten, die das Vertrauen verdienen und neu begründen, das an anderer Stelle verlorengegangen ist", so der Bundestagspräsident unter Beifall aller Fraktionen. Er machte aber ebenso deutlich, dass das Parlament trotz der Eilbedürftigkeit seine Haushaltskontrollrechte nicht abtrete oder aufgebe.
Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Guido Westerwelle, erklärte, dass die Abgeordneten seiner Fraktion nicht aufhörten Parlamentarier zu sein, nur "weil wir jetzt im Interesse unseres Landes aus patriotischer Verantwortung heraus darauf drängen, schnell zu beraten und zu entscheiden". Es könne nicht gelten: Je größer die Summe, desto geringer die parlamentarische Kontrolle. "Umgekehrt ist es richtig", so Westerwelle. Die schnelle Beratung heiße für seine Fraktion jedoch nicht, dass jedes Detail, jedes Instrument, jede Maßnahme des Gesetzes auch unterstützt werde.
Für Peter Ramsauer (CSU) zeigt die parlamentarische Behandlung des Pakets, dass das demokratische System und der Parlamentarismus handlungsfähig sind und in einer schwierigen Situation verantwortlich handeln. Er wies darauf hin, dass die Maßnahmen bis zum 31. Dezember 2009 befristet seien. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, stimmte der Fristverkürzung zu, weil es richtig sei, dass es in den Nationalstaaten Europas Rettungspakete in dieser Größenordnung gibt. Andernfalls könne die systemische Krise im Finanzsektor auch im Hinblick auf die Arbeitsplätze zu groß werden. Er hielt die Aussage aber für falsch, dass es zu dem Paket keine Alternativen gebe. So kritisierte er, dass die private Seite nicht in Anspruch genommen werde. Weiter glaubt er nicht, dass der Staat bei den vielen "Kann-Regelungen und Verordnungen" tatsächlich effektiven Einfluss auf die Banken ausüben kann.
SPD-Haushaltssprecher Carsten Schneider meinte, dass irgendwann die historische Betrachtung des Gesetzes als Zeitenwende dahingehend angesehen werden könne, dass ein ungezügelter Kapitalismus zu Ende gegangen und der Staat zurück ist. "Das bedeutet nicht, staatsgläubig zu sein." Der Staat nehme vielmehr als Akteur seine Aufgaben stärker wahr. Oskar Lafontaine, der Vorsitzende der Linksfraktion, betonte, dass das Problem nicht mit dem Begriff Finanzmarktkrise beschrieben werden könne. Es handele sich vielmehr um eine Krise der Demokratie. Um Krisen auf den Weltfinanzmärkten zukünftig zu verhindern, forderte er neue Regeln. Dazu zählte er feste Wechselkurse, eine verbindliche Regelung der weltweiten Finanzströme und eine "Austrocknung der Steueroasen".