Bahnprivatisierung
Opposition fordert, Börsengang ganz abzusagen - Koalition bleibt bei Beschluss
Wenigstens eine positive Seite kann Winfried Hermann der weltweiten Finanzkrise abgewinnen: Das Bundesfinanzministerium und die Deutsche Bahn AG (DB AG) haben den für Ende Oktober vorgesehenen Börsengang eines Teils der DB AG verschoben. Entsprechend zufrieden äußerte sich der bahnpolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen zumindest am 16. Oktober im Plenum des Deutschen Bundestages. Dabei ging es um mehrere Gesetzentwürfe und Anträge vor allem der Bündnisgrünen und der Linksfraktion zur Zukunft der Bahn.
So fordern die Grünen in ihrem Antrag ( 16/10455), den Börsengang der Deutsche Bahn Mobility Logistics AG auf "unbestimmte Zeit" zu verschieben. Eine Teilprivatisierung des Unternehmens, in dem der gesamte Personen- und Güterverkehr der DB AG zusammengefasst wurde, sei angesichts der internationalen Krise der Finanz- und Kapitalmärkte unverantwortlich, so die Begründung. Es könne weder im Interesse des Bundestages noch der Bundesregierung sein, die Anteile unter Wert zu verkaufen.
Der von der Regierung ursprünglich angenommene Erlös von bis zu 8 Milliarden Euro für den Anteil von 24,9 Prozent an der Mobility Logistics AG sei derzeit unrealistisch. Den Börsengang zum 27. Oktober unter den Bedingungen der weltweiten Finanzmarktkrise voranzutreiben, komme einer "Wertvernichtung" gleich, so Hermann. Er sagte voraus, dass sich die Börse nicht so schnell erholen werde.
Den Börsengang nur zu verschieben, ist der Linksfraktion zu wenig. Sie fordert in ihrem Antrag ( 16/10525), die Ausgabe und die Veräußerung von Aktien der DB AG "sofort" zu stoppen. Es zeige sich, dass die Kritik am Börsengang berechtigt gewesen sei, weil die Immobilien- und Bankenkrise auch Auswirkungen auf die Pläne der Bundesregierung habe, Teile der Deutschen Bahn AG zu veräußern. Beim Verkauf von Aktien der Bahn-Tochter Mobility Logistics AG sei deshalb "mit erheblichen Abschlägen" zu rechnen. Zudem habe der "dramatische Vertrauensverlust" an der Börse mittlerweile die US-Investmentbank Morgan Stanley erfasst, die das Unternehmen Deutsche Bahn berate und als Mitkonsortialführerin für die Veräußerung von Bahnaktien vorgesehen sei.
Auch die Finanzhäuser Goldman Sachs (USA) und UBS (Schweiz) seien von der internationalen Finanzkrise betroffen. Damit würden drei von vier Bankhäusern als angeschlagen gelten, die für die Ausgabe der Aktien vorgesehen seien. "Verschieben reicht nicht aus", betonte Dorothée Menzner von der Linksfraktion. Die Bahn dürfe nicht reinen Renditeinteressen unterworfen werden.
Das geht Uwe Beckmeyer (SPD) zu weit. Er erinnerte daran, dass der Bundestag am 30. Mai 2008 einen eindeutigen Beschluss zum Börsengang gefasst hat. "Dazu stehen wir", betonte er. Für ihn ist aufgeschoben noch längst nicht aufgehoben. Ähnlich äußerte sich auch Enak Ferlemann von der Union. Die Anträge der Opposition machten deshalb überhaupt keinen Sinn. Er wies darauf hin, dass es ab 2010 zu mehr Wettbewerb im Personenfernverkehr kommen werde. Dann würden auch weiterhin alle Bahnhöfe "am Netz" bleiben, die wirtschaftlich sinnvoll bedient werden könnten. "Es wird funktionieren, wenn die Nachfrage da ist", meinte er.
Mehr Wettbewerb ist auch für Patrick Döring wichtig. Der liberale Abgeordnete setzte sich deshalb dafür ein, dass im Fernverkehr auch Busse der Bahn Konkurrenz machen dürfen. Im Übrigen unterstützte er die Verschiebung des Börsengangs, da zurzeit kein entsprechender Preis zu erzielen sei. Neue Termindiskussionen hält er für unsinnig. "Es ist besser, erst einmal abzuwarten", sagte er. Die beiden Anträge überwies das Plenum zur weiteren Beratung an die Ausschüsse. So erging es auch zwei wortgleichen Gesetzentwürfen des Bundesrates und von Bündnis 90/Die Grünen ( 16/9797, 16/9903). Damit soll festgeschrieben werden, wie die DB AG nach dem Börsengang ihrer Verkehrs- und Logistiksparte das Schienennetz instandhalten muss und dass die Länderinteressen gewahrt bleiben. Außerdem soll gesetzlich untersagt werden, "dass Fernverkehrsangebote eingestellt werden".
Weniger Qualität befürchtet Die Privatisierung einer Zwischenholding für Verkehr und Logistik berge "eine Reihe von Risiken für den Schienenverkehr und die Qualität der Infrastruktur, deren Beherrschung nur auf Grundlage eines Gesetzes möglich ist", heißt es in den Entwürfen. Mit dem Gesetz sollen die DB AG und ihre Tochterunternehmen, die so genannten Eisenbahninfrastrukturunternehmen und die DB Netz AG, verpflichtet werden, "die Schienenwege in einem festgelegten, uneingeschränkt nutzbaren Zustand zu erhalten". In einer zwischen Bahn und Bund zu schließenden Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sollen entsprechende "Qualitätsparameter" festgelegt werden. Um diese überprüfen zu können, soll die Bahn dem Bund jährlich einen Netzzustandsbericht vorlegen. Außerdem solle der Bund die Einhaltung der Qualitätsparameter zum Beispiel mit Messfahrten kontrollieren. Die Gesetzentwürfe sehen ferner Sanktionsmöglichkeiten vor: Sollte die Bahn ihren gesetzlich festgeschriebenen Verpflichtungen zur Instandhaltung des Schienennetzes oder zur Aufrechterhaltung des Fernverkehrsangebots nicht nachkommen, "kann der Bund seine jährliche Unterstützung (2,5 Milliarden Euro) ganz oder teilweise zurückfordern", heißt es in den Gesetzentwürfen.