AUSBILDUNGSPLÄTZE
Der Berufsbildungsbericht 2009 markiert aus Sicht der Opposition keine Trendwende
Ob es auf dem Ausbildungsmarkt eine Trendwende gibt oder nicht, lag bei der Bundestagsdebatte über den Berufsbildungsbericht am 23. April ganz im Auge des Betrachters. Anders als Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), die die Ergebnisse des Berichts als "ermutigende Fortschritte" und "positive Veränderung" zusammenfasste, beklagte die Opposition "einen Trend zum Schlechteren".
Die Quintessenz des bereits Anfang April veröffentlichten Bundesbildungsberichts der Bundesregierung für das Jahr 2009 ( 16/12640) klingt zunächst gut: Erstmals seit 2001 gibt es mehr Ausbildungsplätze als Bewerber: Vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 standen danach 630.738 Bewerbern 635.766 Ausbildungsplätze gegenüber. Allerdings ist der Überhang an Ausbildungsplätzen ein rein rechnerischer. 14.000 Jugendliche haben sich vergeblich um einen Ausbildungsplatz beworben, mehr als 80.000 stecken in sogenannten Übergangsmaßnahmen - einen Ausbildungsplatz haben sie nicht. Auch regional sind die Unterschiede groß: Während das Verhältnis von Bewerbern zu Ausbildungsstellen nach dem Datenreport des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), der dem Berufsbildungsbericht zugrunde liegt, in München, Stralsund und Frankfurt am Main "relativ ausgeglichen" ist, ist die Situation in Plauen, Nürnberg und Ludwigshafen "sehr ungünstig".
Ministerin Schavan sagte in der Debatte, jeder Jugendliche brauche ein Angebot zu Ausbildung und Qualifizierung. In der derzeitigen Wirtschaftskrise müsse gefragt werden: "Was kann getan werden, um für Unternehmen, die in Schwierigkeiten geraten sind oder die Unterstützung brauchen, um ihre Ausbildungskapazität erhöhen zu können, so etwas wie einen Schutzschirm für Ausbildungsplätze zu spannen?" Damit griff sie eine Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf (siehe Interview unten). Gleichzeitig appellierte Schavan an die Unternehmen und warnte: "Wer in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht ausbildet, dem fehlen in wirtschaftlich guten Zeiten die Fachkräfte."
Ganz unberechtigt scheint Schavans Sorge nicht zu sein: Einer repräsentativen Umfrage des BIBB zufolge geben derzeit 22 Prozent von 1.000 befragten Unternehmen an, künftig mehr Jugendliche auszubilden, 32 Prozent wollen weiterhin so viele Ausbildungsplätze besetzen wie bisher. 25 Prozent der Befragten planen allerdings, weniger Auszubildende einzustellen.
Cornelia Hirsch, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisierte, dass die Regierung zwar von einem Schutzschirm spreche, gleichzeitig aber tatenlos zusehe, "wie die Krise den Jugendlichen auf die Füße fällt". "Die Linke fordert deshalb eine gesetzliche Ausbildungsplatzgarantie", erklärte sie. "Ausbildung ist keine Wohltätigkeit der Unternehmen, sondern ihre Pflicht."
Vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 wurden insgesamt 616.259 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz (SPD), sagte mit Blick auf 2009: "Wir brauchen wieder über 600.000 Ausbildungsverträge." Allerdings müssten auch die Voraussetzungen der Ausbildungsplatzsuchenden stimmen. "Rund 80.000 Schüler verlassen die Schule jedes Jahr ohne Abschluss. Das ist nicht naturgegeben, sondern staatliches Versagen", mahnte Scholz.
Priska Hinz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete den im vergangenen Jahr beschlossenen Ausbildungsbonus als "ineffektiv". Mit dem Bonus sollen gezielt Ausbildungsstellen für die sogenannten Altbewerber geschaffen werden; ihre Zahl lag im Erhebungszeitraum des Berichts bei rund 320.000. Als Altbewerber gelten Jugendliche, die die Schule bereits im Vorjahr oder früher verlassen und nicht unmittelbar nach ihrem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz bekommen haben. Betroffen davon sind vor allem Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder Migrationshintergrund. "Auch in wirtschaftlich guten Zeiten ist es nicht gelungen, die Zahl der Altbewerber abzubauen", kristierte Hinz. Ein Antrag ihrer Fraktion (16/12680) für eine Reform des Ausbildungssystems wurde ebenso wie ein Antrag der FDP-Fraktion ( 16/12665), der eine stärkere Berufsorientierung in den Schulen sowie eine von "geschlechtsspezifischen Stereotypen losgelöste Berufsorientierung" fordert, an den Bildungsausschuss überwiesen.
Diese Forderungen unterstrich Patrick Meinhardt (FDP) in der Debatte: "Immer noch bewerben sich 75 Prozent der jungen Frauen auf 25 Ausbildungsberufe, und immer noch bewerben sich junge Männer schwerpunktmäßig im Bereich der Fertigungsberufe." Über eine intensive Ausbildungsberatung müsse erreicht werden, dass solche Stereotype aufgebrochen werden. Mit Blick auf die Wirtschafts- und Finanzkrise, die sich in den Zahlen des Berichts noch nicht niedergeschlagen hätte, bezweifelte Meinhardt, dass der Berufsbildungsbericht überhaupt noch aussagekräftig sei. Er wies zudem auf den Einfluss der demografischen Entwicklung hin. "Ihr Glück bei der Ausbildungsbilanz sind die rückgängigen Schülerzahlen", wandte er sich an Annette Schavan. Die Bundesregierung dürfe sich darauf nicht ausruhen.
Nach Angaben des BIBB wird die Zahl der Bewerber 2009 wegen der demografischen Entwicklung um etwa 30.000 sinken. "Die aktuelle Umfrage zeigt jedoch, dass auch die Zahl der neuen Ausbildungsverträge sinken könnte, wenn Politik und Wirtschaft jetzt nicht durch gezielte Maßnahmen gegensteuern", erklärte Manfred Kremer, Präsident des BIBB.