GENDIAGNOSTIK
Nach langem Ringen hat der Bundestag Regeln für Untersuchungen festgelegt
Wenige Daten haben eine so elementare Bedeutung wie genetische Informationen über einen Menschen. Schließlich geben sie Einblick in den "Bauplan" des Betreffenden - einschließlich einer möglichen Veranlagung für bestimmte Krankheiten. Entsprechend zwiespältig stehen viele der Gendiagnostik und ihren Möglichkeiten gegenüber: "Es gibt die Furcht vor dem gläsernen Menschen ebenso wie die große Hoffnung, den Schlüssel zur Heilung vieler und schwerster Krankheiten entdeckt zu haben", beschrieb der FDP-Parlamentarier Heinz Lanfermann in der Schlussdebatte des Bundestages über das schwarz-rote Gendiagnostikgesetz am 24. April das Spannungsfeld. Bislang fehlten im Bereich der Gendiagnostik gesetzliche Regelungen - was sich jetzt ändern wird: Nach jahrelangen Diskussionen verabschiedete das Parlament mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit von Union und SPD den Regierungsentwurf ( 16/10532) in modifizierter Fassung.
Erstmals werden damit Regelungen zu Untersuchungen genetischer Eigenschaften von Menschen und dem Umgang mit ihren Ergebnissen getroffen, wie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in der Debatte betonte. Dabei gehe es etwa darum, "ob jemand die Disposition hat, an Mukoviszidose zu erkranken" oder genetisch mit einem Brustkrebsrisiko vorbelastet ist.
"Die Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen können das Leben der Menschen ganz massiv beeinträchtigen" und Eltern "vor ganz schwierige Entscheidungen stellen", fügte Schmidt hinzu. Mit dem Gesetz solle verhindert werden, dass diese Daten missbraucht oder Menschen aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften diskriminiert werden.
Die CDU-Gesundheitsexpertin Annette Widmann-Mauz sagte, das Gesetz betreffe sogenannte Vaterschaftstests ebenso wie "Tests in der Arbeitswelt" oder Ultraschall-Untersuchungen bei Schwangeren auf mögliche Fehlbildungen des Ungeborenen bis hin zu "Gentests, die Wahrscheinlichkeitsaussagen machen" über die Möglichkeit späterer Erkrankungen. Wichtig sei, dass mit dem Gesetz sowohl ein "Recht auf Wissen" als auch das "Recht auf Nichtwissen" etabliert werde. Ihre SPD-Kollegin Carola Reimann ergänzte, entscheidend bei jeder genetischen Untersuchung sei das Recht auf informationelle Selbstbstimmung. Jeder solle selbst entscheiden, ob er sich "auf bestimmte Erkrankungen genetisch untersuchen lässt". Mit "Aufklärung und Beratung auf hohem fachlichem Niveau" solle dem Patienten eine "souveräne Entscheidung" für oder gegen eine Untersuchung ermöglicht werden.
Genetische Untersuchungen dürfen daher laut Beschluss nur mit Einwilligung der zu untersuchenden Person und ausschließlich von Ärzten vorgenommen werden. Erlauben Untersuchungen eine Voraussage über die Gesundheit der untersuchten Person oder eines ungeborenen Kindes, ist eine Beratung vor und nach der Untersuchung vorgeschrieben.
Die vorgeburtliche genetische Untersuchung wird mit dem Gesetz auf rein medizinische Zwecke beschränkt. Bei der Untersuchung dürfen nur Eigenschaften festgestellt werden, die die Gesundheit des ungeborenen Kindes vor oder nach der Geburt beeinträchtigen können. Zulässig sind vorgeburtliche Untersuchungen etwa auf das Downsyndrom, nicht aber pränatale Tests zu Krankheiten, die erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbrechen können.
Auch Vaterschaftstests sind nur zulässig, wenn die zu untersuchende Person eingewilligt hat. Ferner dürfen Versicherungsunternehmen von Kunden keine genetischen Untersuchungen oder Auskünfte über bereits vorgenommene Tests verlangen. Geht es allerdings um Versicherungssummen ab 300.000 Euro, müssen die Ergebnisse schon erfolgter Untersuchungen der Versicherung vorgelegt werden.
Arbeitgeber sollen ebenfalls keine genetischen Untersuchungen von Mitarbeitern fordern dürfen. Auch wird ihnen die Verwendung der Ergebnisse von Tests untersagt, die in anderem Zusammenhang vorgenommen wurden. Verwenden dürfen sie Informationen aus Gentests indes, wenn dies aus Arbeitsschutzgründen erforderlich ist.
Für die Linksfraktion kritisierte Frank Spieth die Ausnahmeregeln für Versicherungen und Arbeitgeber als "Schlupflöcher" beim Schutz vor Datenmissbrauch. Auch die Grünen-Parlamentarierin Priska Hinz befand, die Regelungen seien hier "lückenhaft". Kritik aus der Opposition kam zudem zu einem Passus zu genetischen Abstammungstests bei Verfahren zum Familiennachzug. Spieth sah darin eine "diskriminierende Regelung" gegenüber in der Bundesrepublik lebenden Ausländern, die ihre Familie nach Deutschland holen wollen. Diese sollten künfig mit einem Gentest ihre Verwandtschaft mit Angehörigen "quasi" beweisen. Zwar solle dies nur bei fehlenden oder unzuverlässigen Papieren greifen. Ob das der Fall sei, prüfe die Ausländerbehörde: "Dieser angeblich freiwillige Test wird dann sehr schnell zum Regelfall." Hinz monierte, dass deutsche Auslandsvertretungen Gentests verlangten, "weil die Behörden sagen, der Papiernachweis reicht uns nicht aus". Auch dort müsse "jede genetische Untersuchung zur Familienzusammenführung auf Freiwilligkeit beruhen".