bundesverfassungsgericht
Die wichtigsten Aspekte des Urteils zum Vertrag von Lissabon
"Das Bundesverfassunsgericht sagt Ja zum Lissabon-Vertrag, verlangt aber auf nationaler Ebene eine Stärkung der parlamentarischen Integrationsverantwortung", hatte Verfassungsgerichts-Vize Andreas Voßkuhle bei der Verkündung des Urteils zur sogenannten Begeleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon am 30 Juni gesagt. Hinter diesem "Ja, aber..." stehen zwei Entscheidungen: Die Richter betonen, dass das deutsche Gesetz zum Vertrag von Lissabon (Zustimmungsgesetz) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ebenso wie das für die Umsetzung des Vertrages in Deutschland nötige Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes. Das sogenannte Begleitgesetz dagegen, das die Rechte des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der EU ausweiten soll, haben die Verfassungsrichter für verfassungswidrig erklärt: Es gewährleistet keine ausreichende Beteiligung von Parlament und Länderkammer im europäischen Rechtsetzungs- und Vertragsänderungsverfahren.
Die obersten deutschen Richter haben klare Vorgaben gemacht, wie das Begleitgesetz geändert werden kann, um dem Grundgesetz zu entsprechen. Im Wesentlichen geht es um vier Punkte, die unter den Schlagworten "vereinfachte Vertragsänderung", "Brückenklauseln", "Flexibilitätsklausel" und "Notbremse" firmieren:
Vereinfachtes Verfahren: Demnach kann in bestimmten Fällen - zum Beispiel Binnenmarkt, Wirtschafts- und Währungsunion - der Vertrag von Lissabon mit einem einstimmigen Ratsbeschluss geändert werden. Das Verfassungsgericht sagt: Jede Änderung im vereinfachten Verfahren bedarf in Deutschland eines Gesetzes.
Brückenklausel: Durch Anwendung der Brückenklausel können die Abstimmungsmodalitäten im Rat - von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheitsprinzip - und das anzuwendende Gesetzgebungsverfahren geändert werden kann. Hier muss es, so die Richter, vor der Zustimmung des deutschen Vertreters im Europäischen Rat ein deutsches Gesetz geben.
Flexibilitätsklausel: Per Ratsbeschluss soll sich die EU neue Befugnisse beschaffen können, "um eines der Ziele der Verträge zu erreichen". Dies ist den Verfassungsrichtern zu unbestimmt; auch in diesem Fall ist ein deutsches Gesetz nötig.
Notbremse: Eine Intervention beim Europäischen Rat, weil Deutschland durch eine geplante Richtlinie grundlegende Aspekte seiner Strafrechtsordnung oder seines Systems der sozialen Sicherheit verletzt sieht, ist laut Gericht nur auf Weisung von Bundestag und -rat möglich.