USA
Präsident Obama hat in den USA eine Energiewende eingeläutet. Doch noch mangelt es an passenden Rahmenbedingungen
Wenn ein texanischer Ölmulti zehn Milliarden US-Dollar in Windenergie investieren will, muss er ein lohnendes Geschäft wittern. Wenn er dann noch 60 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen in eine Medienkampagne steckt, um die Nation auf die Energiewende vorzubereiten, ist klar, dass sich die Zeiten geändert haben. Ein Jahr ist es her, dass T. Boone Pickens die Debatte über erneuerbare Energien in den USA auch in konservativen Kreisen gesellschaftsfähig machte. Wenn die Ölvorräte schrumpfen, müssen eben andere Modelle her. Der "Pickens Plan" sieht vor, dass Windenergie in zehn Jahren mehr als 20 Prozent der US-Stromversorgung abdecken kann.
Der Gründer der Mesa Petroleum Corporation war nicht der Erste, der in Texas auf die Idee kam, mit Wind sein Geld zu machen. Der Ort Sweetwater, von Sandstürmen und Dürre geplagt, hatte früher wenig zu bieten. Heute gibt es dort attraktive Einkaufszentren, Golfplätze und Restaurants - und Windräder, soweit das Auge reicht. 3.300 von 8.200 Megawatt, die in Texas installiert sind, sind rund um Sweetwater konzentriert. Und so ist ausgerechnet der Ölstaat zum Symbol für das geworden ist, was heute möglich ist in den USA.
Texas ist aber auch Symbol für das, was noch nicht möglich ist. In diesem Sommer hat Pickens seine Vision von der weltgrößten Windfarm in dem Staat vorerst aufgegeben. Als Gründe nennt er die Wirtschaftskrise und die fallenden Preise für Erdgas, das mit dem Wind als saubere Energiequelle konkurriert. Doch Pickens größtes Hindernis ist das Elektrizitätsnetz: Es fehlen schlicht die Übertragungsleitungen, um texanische Windkraft in andere Landesteile zu exportieren. Er will nun immerhin drei bis vier kleinere Anlagen bauen, auf mehrere Bundesstaaten verteilt. Irgendwo muss der Investor die 687 Generatoren, die er für zwei Milliarden Dollar bei General Electric (GE) bestellt hat, schließlich aufstellen.
Die USA stehen noch am Anfang. Mit 25.396 Megawatt installierter Windkraftkapazität haben sie im vergangenen Jahr Deutschland den Rang abgelaufen. Doch der Anteil des Windes an der Energieerzeugung ist mit knapp zwei Prozent gering. Die Bundesrepublik bezieht inzwischen acht Prozent ihres Stroms aus dieser Quelle, Dänemark sogar 20. Auch hat das Tempo, in dem in den USA neue Windräder installiert werden, im Vergleich zum Rekordjahr 2008 deutlich nachgelassen. Doch nun fangen die Fördermittel aus dem Konjunkturprogramm an zu fließen, und wenn die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, kann auch die Aufholjagd bei den erneuerbaren Energien weitergehen.
Dafür will Präsident Barack Obama sorgen. Er will die USA an internationale Klimaschutzziele heranführen, was sein Vorgänger George W. Bush lange abgelehnt hatte. Die Bedingungen dafür sind so günstig wie nie zuvor. Spätestens seit der Ölpreiskrise vom vergangenen Jahr treffen sich die Umweltschutzambitionen der Demokraten mit dem Wunsch vieler Konservativer, die Abhängigkeit von Energieimporten zu reduzieren. Und die Angst, einen Technologietrend zu verpassen, verbindet sich mit der Hoffnung, Arbeitsplätze zu schaffen. "Die Energiewende ist einer der Grundpfeiler in Obamas Vision von der wirtschaftlichen Erneuerung Amerikas", sagt Arne Jungjohann, Umweltexperte bei der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington. "Und es ist dem Präsidenten gar nicht hoch genug anzurechnen, dass er diese Botschaft in der Öffentlichkeit verankern konnte."
Doch erst müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Der "American Clean Energy and Security Act", der Ende Juni im Repräsentantenhaus die erste Stufe auf dem hart umkämpften Weg zu einem Klimaschutzgesetz passiert hat, soll nicht nur erstmals den Ausstoß von Treibhausgasen in den USA regulieren. Er gibt auch das Ziel vor, den Anteil erneuerbarer Energien an der Gesamterzeugung bis 2020 auf 15 Prozent zu steigern. Aus dem Haushalt des Energieministeriums und aus dem Konjunkturprogramm stellt der Staat Milliarden für Kreditgarantien und Zuschüsse für die Erschließung von Energiequellen wie Wind, Sonne und Biomasse sowie für die Entwicklung von Übertragungstechnologien bereit.
Von diesen Ambitionen profitiert auch die marode Autoindustrie: Eine Million Elektroautos sollen in Obamas Vision bis 2015 auf Amerikas Straßen fahren - möglichst aus heimischer Produktion. Die Regierung hat Kredite in Höhe von 25 Milliarden Dollar für die Entwicklung der Fahrzeuge bereit gestellt.
Und mehr als 120 Unternehmen wetteifern um zwei Milliarden Dollar Zuschüsse für die Entwicklung der Batterien, mit denen diese Autos fahren. "Dies ist die größte Investition in dieser Art von Technologie in der amerikanischen Geschichte", schwärmte Obama, als er das Programm im August in Indiana vorstellte, einem Zentrum der Autozulieferindustrie. Energiesparen ist das andere große Ziel in einem Land, das mit Abstand den größten Pro-Kopf-Verbrauch weltweit hat. Investitionen in Energieeffizienz in Höhe von 520 Milliarden Dollar steht nach Berechnungen des Beratungsunternehmens McKinsey ein Einsparpotenzial von 1.200 Milliarden Dollar gegenüber. Die Obama-Regierung hat die Botschaft verstanden: Wer sein Haus gegen Kälte und Wärme isolieren will, hat deshalb auch Anspruch auf Hilfen aus dem Konjunkturprogramm.
Den internationalen Rückstand aufzuholen, wird einen Kraftakt erfordern. Bei den Autobatterien sind asiatische Unternehmen vorne. Im europäisch dominierten Markt für Windkraft konnte mit Ausnahme von GE bisher kein US-Unternehmen in die erste Liga vordringen. "Gerade das reichliche Vorhandensein der Ressource kann Innovationen bremsen", glaubt Timm Krägenow, Leiter des Brüsseler Büros des Center for Clean Air Policy. So habe in Deutschland das begrenzte Potenzial die Entwicklung technologisch anspruchsvollerer Offshore-Windparks beschleunigt. Auch bei Netzsteuertechniken sei die deutsche Forschung weit fortgeschritten, denn je höher der Anteil einer neuen Energiesorte an der Gesamtproduktion ist, desto schwieriger lässt sie sich ins Stromnetz integrieren.
Fieberhaft wird in den USA nach einem Anreizsystem gesucht. Modelle wie das deutsche Einspeisegesetz, das Erzeugern langfristige Abnahmegarantien zu einem verbindlichen Preis gibt, finden nur langsam Eingang in die Debatte. Die Förderung läuft meist über Steueranreize, doch in der Rezession versagte das System: Unternehmen, die keine Gewinne machen, können auch nichts mehr abschreiben. Auch der bürokratische Aufwand ist höher, wenn der Erzeuger die Lieferbedingungen mit dem Abnehmer aushandeln muss - kleinere Unternehmen oder Privathaushalte können sich das nicht leisten.
"Der Einspeisetarif hat sich als das überlegene Modell erwiesen", sagt Daniel Kammen, Professor für Energiewirtschaft an der kalifornischen Berkeley University. Und so bastelt Kalifornien, das stets eine führende Rolle in der amerikanischen Umwelttechnologie gespielt hat, bereits an einem Mischmodell aus steuerlichen Anreizen und Abnahmegarantien. So war es auch in der Vergangenheit oft: Experimentierfreudige Bundesstaaten führten im Alleingang strengere Abgasnormen für Fahrzeuge, Quoten für erneuerbare Energien und sogar ein regional begrenztes Emissionshandelssystem ein - bis der Rest des Landes nachzog. Die USA seien "ein schlafender Riese, der anfängt, sich zu räkeln", glaubt Jungjohann. In diesem April deckte das Land schon elf Prozent seiner Energieversorgung mit "Renewables". Und man muss nicht allzu weit in die Zukunft reisen, um zu sehen, wie Texas alleine das kleine Deutschland bei der Windkraft überholt.
Die Autorin ist Korrespondentin der Financial Times Deutschland in den USA.