Navigationspfad: Startseite > Presse > Aktuelle Meldungen (hib) > September 2010 > Anhörung Altersarmut: Experten befürchten Zunahme, doch nicht jeder mit "kleiner" Rente ist arm
Berlin: (hib/ELA) Altersarmut ist derzeit gering verbreitet, wird jedoch nach Meinung einiger Experten in den kommenden Jahren steigen. Dies ist das Ergebnis der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, bei der am Montag 12 Fachleute den Parlamentariern Rede und Antwort standen. ”Das Thema Altersarmut ist im Moment kein Thema“, sagte Dr. Wolfgang Binne von der Deutschen Rentenversicherung Bund, da derzeit ”weniger als drei Prozent der über 65-Jährigen“ Grundsicherung im Alter bezögen. Vertreter der Sozialverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) warnten jedoch vor steigender Armut im Alter. Durch die zunehmende ”Prekarisierung des Arbeitsmarktes“ (Ingo Nürnberger, DGB) mit einem wachsenden Niedriglohnsektor, ”kann die Entwicklung zu mehr Altersarmut nicht bestritten werden“, sagte Ragnar Hoenig vom Sozialverband Deutschland (SoVD).
Grund der Anhörung waren fünf Anträge von SPD ( 17/1747), Linksfraktion ( 17/1735, 17/256, 17/1116) und Bündnis 90/Die Grünen ( 17/2436). In allen Anträgen fordern die Parlamentarier eine Erhöhung der Rentenanwartschaften für Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II). Die Grünen wollen das fiktive Einkommen, welches die Grundlage der von der Bundesagentur für Arbeit abgeführten Rentenversicherungs-beiträge für ALG-II-Bezieher bildet, von 205 Euro auf 400 Euro erhöhen. Die SPD fordert für ALG-II-Bezieher mit weniger als 30 Entgeltpunkten, ein fiktives Einkommen in Höhe des durchschnittlichen Werts der Beitragszeiten des ALG-II-Beziehers zugrunde zu legen, jedoch maximal 0,5 Entgeltpunkte pro Jahr. Die Linke fordert generell 0,5 Entgeltpunkte pro Jahr des ALG-II-Bezugs zu berücksichtigen. Darüber hinaus fordert die SPD eine bis 2011 befristete und die Linke eine unbefristete Aufwertung der Rentenanwartschaften von Geringverdienern mit über 35 Beitragsjahren.
Die Vertreter der Deutschen Rentenversicherung wiesen darauf hin, dass ein geringes Rentenniveau nicht automatisch Altersarmut bedeute, da bestimmte Gruppen wie Beamte, Selbständige oder Freiberufler mit Rentenanwartschaften häufig zusätzliche Bezüge im Alter hätten. Regelungen gegen Altersarmut innerhalb der Rentenversicherung ”begünstigen dann auch jene, die dies gar nicht notwendig haben“, sagte Binne. Es gebe ein ”Problem der Zielgenauigkeit“. Prof. Johann Eeckhoff ergänzte, dass eine Verbesserung der Anwartschaften ”wie eine Art ?Sozialhilfe im Voraus‘ gezahlt wird, ohne dass wir wissen, ob derjenige das braucht“. Bernd Becker vom Statistischen Bundesamt führte aus, dass die Rente mit rund zwei Dritteln der Alterseinkünfte dennoch immer noch der ”dominanten Faktor“ beim Einkommen im Alter sei, Mieteinnahmen schlagen mit rund 20 Prozent zu Buche, hinzu kommen etwa Gelder aus privaten Versicherungen.
SoVD-Vertreter Hoenig wertete die Vorschläge der Oppositionsfraktionen als ”konstruktiv“, gab jedoch den Anträgen den Vorzug, die ”beim Bezug von Arbeitslosengeld II sofort und verfassungsrechtlich geschützt“ die Anwartschaften verbesserten. Im Nachhinein besser bewertete Anrechnungszeiten seien ”ein Versprechen auf die Zukunft“, ob es gehalten werden, sei ”fraglich“. Prof Gerhard Bäcker zeigte sich skeptisch bei der Frage, ob positive Aussichten beim Wirtschaftswachstum automatisch zu höheren Renten für Langzeitarbeitslose führen würden. Die Gruppe der Langzeitarbeitslosen profitiere ”noch nicht oder nicht ausreichend“ vom Sinken der Arbeitslosigkeit. Neben arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie etwa dem Mindestlohn hält der Experte daher Eingriffe bei den Rentenanwartschaften für angebracht.
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