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Im Sprint zum Patt

Die Bundestagswahlen – Teil 16: 2005

Das Kabinett der Großen Koalition 2005 mit Bundespräsident Horst Köhler
© dpa
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Vorzeitige Wahlen bescheren den Parteien einen auf wenige Wochen verkürzten Wahlkampf: Nach der klaren Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 kündigt der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering Neuwahlen zum Bundestag an, über ein Jahr, bevor die Wahlperiode regulär zu Ende ist. Die Union mit ihrer Spitzenkandidatin Dr. Angela Merkel tritt an, um die rot-grüne Bundesregierung abzulösen. Doch die Wähler lassen am 18. September 2005 mit ihrem Votum nur eine Option zu. Gespannt wird noch die Nachwahl in Dresden erwartet.

Die rot-grüne Arbeitsmarktpolitik ist heftig umstritten. Bundeskanzler Gerhard Schröder stellt seine Vertrauensfrage am 1. Juli wegen des Widerstands aus der eigenen Partei gegen seine Reformen „Agenda 2010”.

Nach dem verabredeten Misstrauensvotum löst der Bundespräsident den 15. Bundestag auf und setzt Neuwahlen für den 18. September 2005 an. Bis September müssen die Parteien ihre Listen aufstellen, das Wahlprogramm entwickeln und die Wahlkampagnen und -Parteitage organisieren.

Wechselnde Wählergunst

Die SPD-Spitze will die rot-grüne Koalition fortsetzen, schließt eine Große Koalition jedoch nicht aus. Kanzler Schröder kandidiert zum dritten Mal. Die Diskussion über die Verfassungsmäßigkeit seines Vorgehens bei der bewusst verlorenen Vertrauensfrage im Bundestag beschert Rot-Grün eine negative Presse. Die Umfragewerte für die Regierung sind anfangs schlecht. Die Union, die die FDP zum Koalitionspartner erklärt und die CDU-Vorsitzende Angela Merkel als Kanzlerkandidatin nominiert, profitiert zunächst vom Ansehensverlust Schröders.

Gegen Ende des Wahlkampfs gelingt es Schröder, das Ruder herumzureißen, indem er die Bundestagswahl zu einer Richtungsentscheidung zwischen „sozialer Gerechtigkeit“ (SPD) und „Niedergang des Sozialstaates“ (CDU/CSU) zu vereinfachen versucht. Dabei redet die SPD nicht über das eigene Programm, sondern mehr über das der Union. Diese Strategie geht auf. Die Union gerät in die Rolle, sich verteidigen zu müssen. Darüber hinaus stellt sie ihre Wirtschaftskompetenz ins Zentrum, ohne sie unter Beweis zu stellen. Dabei wird der Finanzexperte Professor Dr. Paul Kirchhof im so genannten Kompetenzteam Merkels zur Belastung.

Medienwahlkampf

In der kurzen Zeit führen die Parteien wieder einen Medienwahlkampf. Das Fernsehduell zwischen Merkel und Schröder am 4. September wird von 21 Millionen Menschen gesehen. Sondersendungen und Nachrichten im Fernsehen sowie die Berichterstattung in Zeitungen werden auch von wenig politisch Interessierten wahrgenommen.

Meinungsumfragen nehmen in den Fernsehnachrichten immer breiteren Raum ein. Die Bürger wählen in Erwartung eines bestimmten Ergebnisses auch immer strategischer. So profitierten nach Meinung von Wahlforschern die kleinen Parteien, vor allem die FDP, von der Kampagne der Union gegen die sich in Umfragen abzeichnende Große Koalition.

Wahlkampf im Internet

Durch die kurze Zeit der Wahlvorbereitung setzen die Kampagnenmacher der Parteien gerade am Anfang auf das schnellste Massenmedium, das Internet. Seit dem letzten Wahlkampf steigt die Bedeutung des Internets für Kampagnen, denn im digitalen Raum sind gleich mehrere interessante Zielgruppen anzutreffen. So gibt es verschiedene Angebote wie virtuelle Kampagnenzentralen, Kandidatendomains, Unterstützerseiten und Mitmach-Webseiten.

Rot-Grün abgewählt, Patt der Großen

Die großen Parteien verlieren bei dieser Wahl: die SPD 4,3 Prozent der Stimmen, sie erreicht 34,2 Prozent; die CDU/CSU verliert 3,3 Prozent und kommt auf 35,2 Prozent. Das Ergebnis ist ein Patt. Weder die Union noch die SPD können mit ihren Wunschpartnern FDP und Bündnis90/Die Grünen eine mehrheitsfähige Regierung bilden. Rot-Grün wird abgewählt, die Union fährt mit 35,2 Prozent der Wählerstimmen ihr zweitschlechtestes Wahlergebnis auf Bundesebene ein.

Bei 61,9 Millionen Wahlberechtigten und einer Wahlbeteiligung von 77,7 Prozent kommen Union und SPD zusammen auf 69,4 Prozent, somit erstmals seit 1949 auf unter 70 Prozent. Die erste Große Koalition im Bund von 1966 wurde noch von 86,9 Prozent der Wähler gewollt.

Gewinner: die kleinen Parteien

Vor allem FDP und Linke/PDS legen deutlich zu. Bündnis 90/Die Grünen, angetreten mit ihrem Wahlprogramm der „solidarischen Modernisierung in ökologischer Verantwortung“, halten sich mit 8,1 Prozent fast auf dem Niveau von 2002. Die FDP, die eine Koalition mit der Union anstrebt, aber die von Merkel geforderte Erhöhung der Umsatzsteuer ablehnt, kommt auf 9,8 Prozent.

Das neue Wahlbündnis Die Linke.PDS mit ihren Spitzenkandidaten Dr. Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, zeitweise mediale Lichtgestalten gegenüber den Kanzlerkandidaten der großen Parteien, zieht mit 8,7 Prozent als viertstärkste Fraktion in den Bundestag ein. In den neuen Bundesländern wird sie hinter der SPD zweitstärkste Partei.

Nachwahl im Wahlkreis Dresden I

Am Wahlsonntag wird nur in 298 von 299 Wahlkreisen gewählt. 219.000 Dresdner dürfen am 18. September nicht wählen gehen, vorher abgegebene Briefwahl-Stimmen sind ungültig. Im Wahlkreis Dresden I findet am 2. Oktober eine Nachwahl wegen des Todes der NPD-Direktkandidatin statt. Das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik erst zweimal: 1961 und 1965 wurde wegen verstorbener Kandidaten nachgewählt, was aber ebenfalls die Zusammensetzung des Bundestages nicht mehr änderte. Die Nachwahl in Dresden beschert einem CDU-Kandidaten ein Überhangmandat.




Ausdruck aus dem Internet-Angebot des Deutschen Bundestages

www.bundestag.de/btg_wahl/wahlgeschichte/wahl2005/index.jsp

Stand: 21.09.2009