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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: Nach der Pflicht die Kür
Gültig ab: 18.03.2010 13:41
Autor: Matthias Meisner
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Nach der Pflicht die Kür

Lothar Bisky

Vier Jahre lang war Lothar Bisky Abgeordneter des Deutschen Bundestages, und er verabschiedet sich mit einer kleinen Spitze. Auf die Frage, was ihm im Parlament am besten gefallen habe, sagt er: „Der Keller.”

Lothar Bisky
Lothar Bisky
Lothar Bisky
Lothar Bisky
© photothek.net/Thomas Köhler

Bisky lacht. Hat er nur einen Witz gemacht? Der Parteivorsitzende der Linken zählt auf, was ganz unten alles dazugehört: Er nennt die Kantine, den Wachschutz, die Handwerker und die Putzfrauen. „Das normale Volk”, erklärt Bisky. „Im Keller bin ich immer richtig gut behandelt worden.” Wohlgefühlt habe er sich dort, „Solidarität erfahren”.

Kulturwissenschaftler ist Bisky in der DDR gewesen, unter anderem an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim SED-Zentralkomitee, später als Rektor an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg. Gleich nach der Wende verschlug es ihn in die Politik: Er half mit, aus der SED die PDS zu machen, wurde für sie erst Fraktionschef in Brandenburg, dann von 1993 bis 2000 und noch einmal 2003 Vorsitzender im Bund. Drei Jahre zwischendurch hatte er nochmal eine Professur in Babelsberg, die er für seine Partei wieder an den Nagel hängte. Gemessen an diesem Lebenslauf sind die vier Jahre im Bundestag für den 68-jährigen Cineasten wohl nicht mehr als ein paar Szenen.

Ohne Fraktion

Durchaus bedeutsame: Denn vergessen hat Bisky nicht, wie es war ohne Fraktion im Bundestag, vertreten allein durch die direkt gewählten Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau. Nur „mitleidig zugehört” habe man ihm, als er vor sieben Jahren, in der wohl schwierigsten Phase der SED-Nachfolgepartei, erneut den Vorsitz übernahm. „Wir waren auf Talfahrt”, erinnert sich Bisky. Und tat sich die mühselige Arbeit an, die ewigen Rechthaber unter seinen Genossen in die Schranken zu weisen und die PDS wieder zur „Partei der Kümmerer” zu machen. 2004 schrieb er ein Buch, „So viele Träume”, mit der Pointe, dass ihm alle „endlich Ruhe” gönnen würden, wenn es seine Partei wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag schaffen sollte.

„Die Linke kann nicht in Bremen ,hü' und in Potsdam ,hott' rufen”

So rasch wurde es dann doch nichts mit der Ruhe. Gregor Gysi und auch Oskar Lafontaine erwarteten das Mittun von Bisky, damit keiner zweifelt an der Ernsthaftigkeit des Projektes Linkspartei. Seine Kandidatur für den Bundestag empfand er selbst als Pflichtaufgabe. „Ich hab mich nie gedrängt. Es war nötig, um zu zeigen: Der glaubt selber dran.” Eine Hassliebe offenbart Bisky bei solchen Worten, es ist die gleiche Hassliebe, die ihn mit seiner Partei verbindet. „Komisch” fand er auch die PDS, wie er immer wieder zugab. Mit dem Satz „Die finale Mülltonne ist voll” hatte er 2000 nach Endlos-Streitereien seiner Genossen den Parteivorsitz zurückgegeben. „Beinahe fertig” fühlte sich Bisky mehrfach im Politikgeschäft. Er hat sich immer wieder hochgerappelt, und mit ihm die Partei. Etwas Preußisches empfindet er selbst dabei. Und ergänzt, dass einen der politische Betrieb auch „killen” könne.

Der Dritte Mann

Lothar Bisky war neben Gregor Gysi und Oskar Lafontaine der dritte Mann in der Spitzencombo der Linken, beim Rostocker Parteitag im Mai 2010 wird er ebenso wie Lafontaine als Chef der Linkspartei abtreten. Große Reden hat Bisky im Bundestag nicht gehalten, und auf Parteitagen holpert er durch die Manuskripte, sich stets streng an die Vorlage haltend. „Ich trainiere jetzt ab”, sagt er über seinen Wechsel nach Brüssel, und wieder lacht er zu seiner Auskunft. Im Juni 2009 war er in das Europaparlament gewählt worden, wurde gleich Chef der linken Fraktion und erwartet dennoch, dass für ihn nun endlich die Kür kommt. „Nicht so parteienborniert” sei das Straßburger Parlament, sagt Bisky.

Bisky wurde 1941 in Pommern geboren, seine Eltern flohen mit ihm nach Schleswig-Holstein. Er ging 1959, mit 18, allein in die DDR, angeblich, weil seine Famil ie das Geld für sein Abitur im Westen nicht aufbrachte. In seinem Buch schreibt er, dass er der DDR nicht nachtrauere, aber auch „längst nicht alles” an der alten Bundesrepublik schätze. Auf Fragen, ob er angekommen sei im vereinigten Deutschland, bekennt er trotzig: „Ich bin da.” Es nervt ihn immer wieder, wenn seine Parteifreunde aus Ost und West übereinander herfallen. „Die Linke kann nicht in Bremen ,hü' und in Potsdam ,hott' rufen”, verlangt er. Auch im Bundestag hatte Bisky immer wieder das Gefühl, er müsse seine Biografie erklären, sich und seine Parteifreunde empfindet er als „isoliert”. War da was? Aus einem Aktenfund in den „Rosenholz- Dateien” ging hervor, dass Bisky von 1966 an als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi geführt wurde. Er selbst entgegnet, nie wissentlich IM gewesen zu sein. Das Gegenteil wurde nie belegt.

Nach dem Wiedereinzug in den Bundestag 2005 schlug die Linksfraktion Bisky als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten vor. Die Parlamentsmehrheit ließ ihn viermal durchfallen, entgegen allen bisherigen Gepflogenheiten. „Abgestempelt” fühlte sich Bisky damals. Er berichtete, er habe sich nach der Abstimmungsniederlage Filme von Stanley Kubrick angesehen, darunter „2001 - Odyssee im Weltraum”. „Der Film lässt einen in die Unendlichkeit blicken”, sagt er. „Man schwebt. Man merkt, wie wenig man eigentlich ist.” Inzwischen meint er, die Sache damals habe „kurz wehgetan”. Aber als „alter Dialektiker” müsse er feststellen, dass jede Niederlage „die Chance für einen Sieg” beinhalte. In diesem Fall war es so, dass er mehr Zeit für seine Partei gehabt habe, „vielleicht war das sogar besser”.

Zur Person

Lothar Bisky, Jahrgang 1941, war schon auf vielen Feldern tätig: Kulturwissenschaftler, Hochschulrektor, Vizepräsident des Brandenburger Landtages und Vorsitzender der PDS und heute der Partei Die Linke. Ab 2005 war Bisky Mitglied des Bundestages und medienpolitischer Sprecher seiner Fraktion, seit Juni 2009 ist er Abgeordneter des Europäischen Parlaments und dort Fraktionsvorsitzender der Vereinten Europäischen Linke/Nordischen Grünen Linken.

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Text: Matthias Meisner 
Erschienen am 25. März 2010


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