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Informationen über dieses Dokument: Seitentitel: „Unruhe und Frieden stiften”
Gültig ab: 18.03.2010 13:41
Autor: Matthias Meisner
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„Unruhe und Frieden stiften”

Jan van Aken

Manch ein Kollege dürfte Jan von Aken einen Senkrechtstarter nennen: Vom frisch gewählten Abgeordneten zum Fraktionsvize - dieses Kunststück schafft nicht jeder auf Anhieb. Erst recht nicht, wenn man eigentlich ein Seiteneinsteiger ist. Seine berufliche Karriere begann der studierte Biologe als Mitarbeiter bei Greenpeace und als Waffeninspekteur der Vereinten Nationen.

Jan van Aken
Jan van Aken
© DBT/Edgar Ziippel

Das Gespräch mit Jan van Aken beginnt mit einer vermeintlich einfachen Frage. „Sie haben für die Vereinten Nationen gearbeitet. Als Biowaffeninspekteur. Oder heißt es richtig ,Inspektor'?” Van Aken zögert, seine Arbeitssprache in den vergangenen Jahren war fast durchgängig Englisch, so hat er geschrieben, so geredet. Er tippt auf Inspektor. „Aber sicher bin ich nicht. Ich müsste da auch in den Duden schauen.”

Es ist eine neue, für ihn noch immer etwas fremde Welt, die der sportlich wirkende 48-jährige Hamburger im Herbst vergangenen Jahres nach seiner Wahl in den Bundestag betreten hat. Als Spitzenkandidat der Linkspartei in Hamburg zog er ins Parlament ein, wurde von seiner Fraktion gleich zu einem der stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Erstmals in seinem Leben ist die Politik zu seinem Beruf geworden, selbst wenn er sich schon immer an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik sah.

Nach dem Studium verdingte sich der Biologe erst als Gentechnikexperte bei Greenpeace, gründete anschließend eine Initiative zur Ächtung von biologischen Kampfstoffen und wurde dann von den UN zum Waffeninspekteur ausgebildet. Die Linke ist seine erste Partei, nach seiner Rückkehr 2006 nach Hamburg ist er dort eingetreten, animiert auch durch das Engagement des Völkerrechtlers Norman Paech, seines Vorgängers im Bundestag.

Jetzt sitzt er in seinem neuen Abgeordnetenbüro Unter den Linden. Draußen auf den Fluren stapeln sich vier Monate nach seiner Wahl ins Parlament noch Möbel der Vorgänger. Auch die Einrichtung des Büros wirkt improvisiert: auf der Fensterbank ein kleiner Kaktus, eine gelbe Kunstblume an die Lampe gebunden, ein paar Fotos von der Familie mit Tesafilm an der Wand befestigt. An der Tür klebt ein großes Poster von der Siegerehrung des 200-Meter-Laufes bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko: Die beiden US-Amerikaner Tommie Smith und John Carlos, Gewinner der Gold- und der Bronzemedaille, recken ihre Fäuste mit schwarzen Handschuhen in die Luft, gewaltfreier Protest der schwarzen Sportler im Geiste von Martin Luther King. „Eine tägliche Mahnung im Raumschiff Berlin”, sagt van Aken.

Rucksack statt Aktenkoffer

Jan van Aken gibt sich Mühe, nicht als etablierter Politiker zu erscheinen. Er will nicht nur vom Terminkalender getrieben werden. Seine Outdoorjacke hängt an der Garderobe, statt mit Aktenkoffer reist er mit Rucksack. Gern trägt er Kapuzenpulli und Jeans, das Sakko hält er nur für spezielle Anlässe bereit - etwa, wenn er selbst im Plenum reden muss. Er hat sich vorgenommen, die Fahrbereitschaft des Bundestages nicht in Anspruch zu nehmen, und ist auch in Berlin am liebsten mit dem Fahrrad unterwegs. Auf die Frage, wie er sich davor schützen will, die Bodenhaftung zu verlieren, sagt der Politiker: „Ich werde noch mehr als sonst auf der Straße aktiv sein. Wenn politische Arbeit sich auf Talkshows und Kleine Anfragen beschränkt, verliert man wahrscheinlich ganz schnell den Sinn für das wirkliche Leben.”

Viele Fragebögen hat der angehende Politiker schon im Wahlkampf ausfüllen müssen. Die Hamburger Regionalpresse fragte ihn nach seiner größten Schwäche: „Mein Spaß daran, den Mächtigen mal ein Bein zu stellen.” Und was er tun würde, wenn er nicht gewählt würde: „Das Gleiche wie früher bei Greenpeace und den Vereinten Nationen: Unruhe und Frieden stiften.” Bei solchen Antworten klingt durch, dass er in seinen früheren Jobs auch viel über Kampagnenplanung, Strategie und Taktik gelernt hat - Kenntnisse, die er nun für die Linke umsetzen will. Die sei, sagt er, mehr als eine Partei, „sie ist auch ein politisches Projekt, um soziale Bewegungen, Gewerkschaften oder Umweltaktivisten zu stärken und den außerparlamentarischen Druck zu erhöhen”. Präzis setzt er sich Ziele, um als Abgeordneter „die Welt zu verändern”. Spätestens zum Ende der Legislaturperiode soll der letzte Bundeswehrsoldat Afghanistan verlassen haben, deshalb streitet er für die Forderung seiner Partei nach Sofortabzug und nennt die Friedensfrage ein „Essential” für die Linke. Froh wäre van Aken, könnte er mit Hilfe seines Abgeordnetenmandats das Thema Waffenexporte auf die politische Agenda setzen: „Die meisten Deutschen wissen gar nicht, wie viele Waffen wir exportieren. Deutschland darf keine Maschinenpistolen mehr nach Afrika liefern.”

Jan van Aken
Jan van Aken
© DBT/Edgar Ziippel

Der Abgeordnete sieht sich verortet im linken Flügel seiner Partei. Aber er will keine Flügelkämpfe anheizen und hat seinen Teil dazu beigetragen, dass der Hamburger Landesverband das parteiinterne Image des „Chaotenhaufens” ablegen konnte. Als Vizefraktionschef koordiniert er die Aktivitäten der Außen- politiker in der Fraktion, da sind alle Strömungen vertreten und van Aken muss ohnehin moderieren. Ob er nicht manchmal zu nett sei? „Nett sein hilft. Nett zu sein, finde ich gut. Ich kann aber auch auf einem Podium bis aufs Messer streiten und dann mit meinen Kontrahenten beim Bier weiter diskutieren. Die Sache muss Spaß machen.” Während van Aken noch stutzte, dass er von den Abgeordneten der anderen Fraktionen schon bei seiner ersten Rede im Parlament „gnadenlos ausgebuht” wurde, hat er sich in den eigenen Reihen schnell Ansehen erarbeitet. Er vertrat Fraktionschef Gregor Gysi bei Angela Merkels Unterrichtung zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan, reiste selbst nach Kabul und Kundus. Und nach Oskar Lafontaines Ankündigung, sich aus der Bundespolitik zurückzuziehen, wurde er von Parteifreunden sogar als neuer Parteivorsitzender ins Gespräch gebracht.

Und privat? Die Familie ist ihm wichtig. Er freut sich auf die Familie, auf sein Daheim in einem Wohnprojekt am Rande von St. Pauli und nimmt gern die Kritik der drei Kinder - 11, 13 und 15 Jahre alt - hin, er koche nicht gut. Hobbys? „Nichts Besonderes”, kokettiert van Aken: „Eigentlich bin ich total langweilig.”

Zur Person

Jan van Aken, geboren 1961, engagierte sich bereits während seines Biologiestudiums an der Universität Hamburg als Atomkraftgegner. Nach seinem Abschluss war er Gentechnikexperte bei Greenpeace, 1999 gründete er mit US-Forschern das „Sunshine Project” zur Ächtung von biologischen Kampfstoffen. Ab 2003 arbeitete er bei den Vereinten Nationen als Waffeninspekteur. Seit 2009 ist van Aken Mitglied des Deutschen Bundestags und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke.

 

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Text: Matthias Meisner 
Erschienen am 25. März 2010


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