Beim Stichwort „Weimar” denkt
man häufig zuerst an das Ende,
an das Scheitern der ersten deutschen Demokratie: an die Wirtschaftskrise, den Reichstagsbrand, die nationalsozialistische
Machtübernahme.
Doch ist die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler keine Zwangsläufigkeit,
die politischen Akteure hätten auch
andere Optionen gehabt. Wer das berücksichtigt,
kann die Chancen besser erkennen, die sich die erste deutsche
Demokratie im Reichstag von 1919 an selbst erarbeitet. Erstmals kann das
ganze deutsche Volk (also auch Frauen)
Parlament wie auch Staatsoberhaupt
wählen, und erstmals hat die Volksvertretung,
der Reichstag, die Rolle des
Gesetzgebers inne.
Am Anfang steht die Weimarer
Republik zwar unter dem immensen
Druck der menschlichen und materiellen
Kriegsfolgen, doch die Mehrheit
der Wähler will es mit der Demokratie
versuchen: Die Sozialdemokraten (SPD)
gewinnen die Wahlen und können mit
der Deutschen Demokratischen Partei
(DDP) und der Deutschen Zentrumspartei
(Z) die „Weimarer Koalition”
bilden. Der Sozialdemokrat Friedrich
Ebert wird zum ersten Reichspräsidenten
der Republik gewählt. Er erlebt
das Ende der siebenjährigen Amtszeit
nicht: Die Republik muss sich im Februar
1925 mit einem Staatsakt im
Reichstagsgebäude von dem 54-jährig
Verstorbenen verabschieden. Er gehörte
zu den tragenden Säulen der jungen
Demokratie.
Trotz des Verlusts wichtiger Protagonisten
der Republik (Walther Rathenau wird 1922 ermordet, Gustav
Stresemann stirbt 1929) erleben die
Deutschen beim Blick auf das Wirken
im Reichstag den Alltag eines funktionierenden
Parlaments, das mit großem Fleiß seinen Aufgaben als Gesetzgeber
nachkommt. Gerade in den 20er Jahren
gibt es immer wieder Phasen, in denen
die demokratieskeptischen Parteien
und Bevölkerungsgruppen für einen „Vernunftrepublikanismus” gewonnen
werden können. Parallel dazu
muss sich nicht nur das Parlament als
Ganzes in seiner ungewohnten Rolle
selbst finden, es werden auch viele (darunter
erstmals auch Frauen) parlamentarisch völlig Unerfahrene „M. d. R.” —
Mitglied des Reichstages. Das Gebäude ist bald zu klein für die gewaltige Arbeit der angewachsenen Zahl der Abgeordneten. Während es im Kaiserreich seit 1874 397 Wahlkreise gab, steigt die Zahl der Mandate in der Weimarer
Republik an. Von zunächst 423 Abgeordneten (1919) auf über 600 Anfang
der 30er Jahre. Erweiterungsbauten werden im Norden des Reichstagsgegäudes geplant, aber nicht mehr verwirklicht.
Der Versailler Vertrag mit seinen
lähmenden Reparationsforderungen
bietet über viele Jahre Anlass für Auseinandersetzung und Polemik, hinzu
kommen Inflation, Massenarbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise, die
auch andere, erfahrenere Demokratien schweren Belastungsproben aussetzen. Webfehler der Verfassung, Stärkung der antiparlamentarischen Kräfte,
Verlust wichtiger Persönlichkeiten und
nicht zuletzt ein waghalsiges Machtmanöver setzen die Signale schließlich
auf „Scheitern”.
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Erschienen am 24. September 2008
Weimarer Republik
Verfassung, Parteien, Wahlen und Mandate:
www.bundestag.de/geschichte (Deutscher Parlamentarismus)