Navigationssystem im Automobil: im modernen Verkehr entstehen eine Vielzahl persönlicher Daten
© Jochen Tack
Entwicklung im privaten Sektor
Eine wachsende Armada nützlicher Geräte erzeugt persönliche Daten – angefangen von Navigationssystemen in Autos über Ortsdaten in mobilen Geräten wie Handys bis hin zu Gegenständen, die mit RFID-C hips versehen sind. Das soll dem Anwender nützen. Doch dabei entwickelt sich auch ein schwer überschaubares Panoptikum der Datennutzung.
Wie sehr jeder Einzelne bereits
in den Fokus privater Unternehmen
gerückt ist, wurde
etwa deutlich, als eine US-Zeitschrift an
ihre Abonnenten eine Ausgabe mit einem
personalisierten Titelblatt verschickte.
Es zeigte die Luftaufnahme
des eigenen Hauses - der Verlag hatte
auf kommerzielle Satellitendaten zurückgegriffen.
Mit den hochauflösenden
Luftbildaufnahmen von Google Earth
ist das inzwischen nicht nur betuchten
Verlagen, sondern jedem möglich.
Menschen erlauben - freiwillig und
manchmal auch unfreiwillig - in öffentlich
zugänglichen Fotodatenbanken
Einblicke in ihr Privat- und Berufsleben.
Dabei geben nicht allein die Bilder selbst
Auskunft, wo man wohnt, was man
gern isst oder welche Veranstaltungen
man besucht. Die auf Fotoplattformen
generierten Daten zeigen auch persönliche
Beziehungen auf, also wer wen
kennt. Inzwischen gibt es bereits Kameras,
die nicht nur die Zeit, sondern
auch den Ort der Aufnahme speichern.
Personenbezogene Daten sind in
der Informationsgesellschaft ein wertvoller
Rohstoff, für den sich nicht nur
Behörden, sondern im Besonderen Unternehmen
interessieren: Telekommunikations-
und Internetverbindungsdaten
geben Auskunft, wann, wo und wie
oft Kontakte stattfinden. Waren- und
Kassendaten lassen sich danach auswerten,
wer welches Produkt wann,
wo und wie oft kauft. Werden diese
Daten nicht nur vereinzelt, sondern
gruppenweise erhoben und analysiert,
lassen sich Trends erkennen. Damit
können Unternehmen und Behörden auf
unerwünschte Entwicklungen rechtzeitig
reagieren: Handelskonzerne können
etwa Preisanpassungen für bestimmte
Produkte und Kundengruppen für begrenzte
Zeiträume vornehmen.
Supermarkt der Zukunft: Waren werden mit RFID-Technologie identifiziert
© Caro/Oberhaeuser
Jedes vormals stumme Ding, das
von Menschen für bestimmte Zwecke
benutzt wird, kann Daten über seine
Verwendung erzeugen und damit etwas
über das Verhalten seiner Benutzer aussagen.
Getrieben wird die Entwicklung
von der Frage der perfekten Logistik,
mit der sich inzwischen ganze Industriezweige
beschäftigen: Welchen Weg
nimmt ein ganz bestimmtes Teilchen
im Laufe seines Lebensprozesses?
Schon
länger ist es keine große Herausforderung
mehr, den Warenfluss einer mit
einem sogenannten RFID-Chip versehenen
Rasierklinge lückenlos nachzuvollziehen
- und - inklusive Diebstahlsicherung
- zu kontrollieren.
RFID steht für „Radio Frequency
Identification”. Die Chips enthalten
einen sogenannten Miniaturtransponder,
über den sie per Funk die auf ihnen
gespeicherten Informationen wie Artikelnummern,
Internetadressen, Produktherkunft
und -beschaffenheit abgeben
können. Die Verwendungsmöglichkeiten
der RFID-Chips sind jedoch nahezu unbegrenzt.
Die Funketiketten lassen sich
auf Waren, auf Verpackungen oder auf
Ausweisen anbringen, aber auch auf der
Arbeitskleidung, um etwa Mitarbeiter
jederzeit im Gebäude orten zu können.
Brisant wird es, wenn Handelsunternehmen
die RFID-Daten mit dem
Konsumverhalten der Nutzer verbinden
und für Marketingzwecke auswerten.
Häufig haben die Verbraucher
der Verwendung sogar zugestimmt
und ihre persönlichen Daten gegen
Rabatte und Sonderaktionen
eingetauscht - etwa beim Bezahlen
mit Kundenkarten.
Getestet wurde die Zusammenführung
von RFID-Daten und
Daten über das Verbraucherverhalten
bereits - ohne Wissen der Kunden.
Die Organisation vieler Lebensbereiche
basiert aber auch auf ortsbezogenen
Daten. Digitale, sogenannte
interaktive Telefonbücher können
bereits nicht nur die Kontaktdaten,
sondern auch die Präsenz- und Standortdaten
speichern. Auf diese Weise
erfährt man auf einen Blick, wie jemand
wo am besten zu erreichen ist.
Das Handy wird damit für jeden Teilnehmer
zum Ortungsinstrument.
Mit entsprechender „Intelligenz”
ausgestattete Fahrzeuge erlauben ähnliche
Anwendungen. So gibt es seit
Kurzem ein Geschäftsmodell, das auf
der Auswertung von Autofahrerdaten
basiert. Es wertet die gefahrenen Kilometer,
Straßen und Uhrzeiten aus und
schließt so auf das Fahrverhalten.
Wenig risikofreudige Autofahrer sollen
mit niedrigeren Versicherungssätzen
belohnt werden und nicht mehr die
fahrerischen Fehlleistungen des statistischen
Mittels mitfinanzieren. Entsprechende
Versicherungspolicen sind
bereits seit über einem Jahr auch auf
dem deutschen Markt erhältlich.
Mit solchen maßgeschneiderten
Diensten hält das Scoring Einzug in die
Versicherungswirtschaft. Die Strategie,
personenbezogene Daten für Preismodelle
und -konditionen auszuwerten, ist
aus dem Handel bekannt. So ermitteln
Auskunfteien für jede Anschrift in
Deutschland einen Wert, der sich aus
den Kreditinformationen der Schufa,
der Adresse, dem Alter und der Gebäudeeinschätzung
ermittelt. Versicherungen
und Handelsunternehmen
nutzen solche Dienste, um danach ihre
Risikoeinschätzung
zu erstellen. Mit
dem Autofahrer-Scoring wird nun auch
das individuelle Verhalten bewertet.
Eigentlich sollten Bürger eigenständig
über die Datenabgabe entscheiden
dürfen. Doch zu zahlreichen Angeboten
wie etwa den RFID-Fußball-tickets
bei der WM 2006 gibt es keine
Alternative. Sie müssen die Bedingungen
der Anbieter und Hersteller akzeptieren
- oder verzichten. Rechtliche
Lösungen stehen im Fall von RFID
noch aus.
« Vorheriger Artikel Nächster Artikel »
Text: Christiane Schulzki-Haddouti
Erschienen am 19. November 2008
Weitere Informationen:
RFID-Studie
des Bundesamts für
Sicherheit in der
Informationstechnik::
www.bsi.bund.de/themen