Das Symbol trifft die Mächtigen ins Mark. Für sie ist es „Westimport vom Klassenfeind”, „Wehrkraftzersetzung”. Der Anspruch der evangelischen Kirche, in Sachen Frieden mitzureden, stört die SED kaum. Doch als das Symbol „Schwerter zu Pflugscharen” unter Jugendlichen zuhauf kursiert, geht es im Land, das „Frieden und Sozialismus” propagiert, gar nicht friedlich zu. Was unter die Leute kommt, kennen nur wenige im Westen; Menschen in der DDR drucken und verteilen es. Das Symbol beruht auf einer Bibelstelle.
Der sowjetische Künstler Jewgeni Wutschetitsch schuf danach eine Bronzefigur. Als Präsent der Sowjetunion an die UNO gelangt sie 1959 in deren Garten: ein Signal der Sowjetunion, sie meine friedliche Koexistenz ernst. „Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen umschmieden und ihre Lanzen zu Winzermessern”, heißt es beim Propheten Micha.
Ein Druckverbot umgehen die Initiatoren. Sie drucken das Symbol auf Vlies, Textildruck braucht keine Genehmigung. Wer es als Lesezeichen oder Aufnäher benutzt, wird verwarnt und muss, ist er hartnäckig, von der Schule, darf kein Abitur machen, fliegt von der Uni, bekommt keine Lehrstelle oder Betriebsverbot. Polizisten fordern auf, den Aufnäher abzutrennen. Wer sich weigert, muss aufs Revier. Das Kleidungsstück wird beschlagnahmt, erst gegen Bezahlung einer Schneiderrechnung ausgehändigt. Dennoch: Auf der ersten Friedenswerkstatt in Berlin kann man mit einer Linoldruckpresse Haut oder Hose bestempeln. Selbst der Moskauer Rundfunk rügt die SED. Die Skulptur stehe als Friedenssymbol für die außenpolitischen Ziele der Sowjetunion und sei allerorts, vor allem bei Werktätigen, sehr populär.
Auf dem Kirchentag in Wittenberg 1983 setzt ein Schmied den Bibelspruch in die Tat um. Über tausend junge Teilnehmer begleiten die Hammerschläge mit rhythmischem Klatschen und „Ho-ho-ho”-Rufen. Pfarrer Friedrich Schorlemmer: „Das Symbol des Schwertes, das zu Pflugscharen werden soll, wird kaum noch gezeigt.” Bis zur deutschen Einheit hält die evangelische Kirche der DDR an dem Symbol fest.
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Chronik „Der Anfang vom Ende der DDR: Die Jahre 1985-1990” »
Text: Karl-Heinz Baum
Erschienen am 2. Oktober 2009