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"Hallo - Ich bin Oz.“ Oz Aruch mag es gern direkt und unkompliziert. "Bei uns in Israel duzen sich alle“, sagt er zur Erklärung. Eine "Sie-Form“ gebe es im Hebräischen gar nicht. Da trifft es sich gut, dass Oz Aruch sein Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) des Deutschen Bundestages bei dem Grünen-Abgeordneten Jerzy Montag absolviert. Mit dem "Jerzy“ steht Oz Aruch von Anfang an auf Du und Du. "Jerzy ist für mich natürlich eine Autorität, ist doch völlig klar“, macht er deutlich. Das müsse sich jedoch nicht in der Anrede ausdrücken.
Ohnehin ist Oz Aruch mit dem IPS-Praktikum selbst und auch mit der Tatsache, dieses im Büro Jerzy Montags absolvieren zu können "sehr zufrieden“. Montag, der auch Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe ist, habe ihn "immer ernst genommen und zu vielem auch befragt“, erzählt der 27-Jährige.
Bei Treffen mit israelischen Delegationen habe er dann "auf der anderen Seite gesessen“, sagt er. "Ich kam mir manchmal vor wie ein 'Undercover Agent’, schließlich haben die Israelis gedacht, ich sei ein Deutscher.“ Für Oz Aruch eine sehr interessante Erfahrung.
Dabei ist er genau genommen auch ein Deutscher. "Ja - es stimmt: Ich habe beide Staatsbürgerschaften“, sagt er. Seine Oma väterlicherseits wurde schließlich in der Berliner Charité geboren. "Meine Urgroßeltern haben bis 1933 in Berlin-Mitte gelebt.“ Damals, so erzählt es die Familiensaga, habe sein jüdischer Urgroßvater mit Namen Adolf "den anderen Adolf“ bei einer Veranstaltung auf dem Alexanderplatz gesehen. "Danach fiel die Entscheidung: Wir gehen nach Palästina.“
Im Jahre 2006 kam Oz zurück nach Berlin. "Meine Familie war in meiner Kindheit oft in Europa, aber nie in Deutschland“, erinnert er sich. Der damals 22-Jährige lässt sich aber gleich im Anschluss an seine dreijährige Militärzeit nach Berlin locken. "Das hatte mit der Fußball-WM zu tun, aber natürlich auch mit der Geschichte meiner Großeltern.“
Anfangs sprach er kein Wort Deutsch. "Ich habe dann einen Sprachkurs belegt, der mich immer mehr begeistert hat“, erinnert er sich. So wurde die Rückkehr nach Israel immer weiter verschoben, bis sich Oz entschloss, an der Freien Universität Berlin seinen Bachelor in Philosophie und Sozial- und Kulturanthropologie zu machen.
Den Bachelor hat er nun in der Tasche - im Herbst beginnt Oz Aruch mit seinem Masterstudiengang "Internationale Beziehungen“ in Cambridge. Künftig, so sein Plan, will er sich der Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschland und Europa auf der einen Seite und Israel auf der anderen Seite widmen. "Da gibt es noch viel Potenzial“, ist er sich sicher.
Diese Tätigkeit sollte wenn möglich auf einer "Entscheidungsebene“ stattfinden. "Eine Nichtregierungorganisation (NGO) ist nicht das, worauf ich abziele“, sagt er. Eher könne er sich vorstellen im Diplomatischen Dienst oder direkt in der israelischen Politik zu arbeiten. "Man muss dort sein, wo die Entscheidungen getroffen werden“, macht er seine Sicht deutlich.
Zwischen Bachelor in Berlin und Master in Cambridge also noch das IPS im Bundestag. Oz Aruch ist glücklich, daran teilnehmen zu dürfen. Ein Freund von der Universität in Jerusalem habe ihn auf das Programm aufmerksam gemacht, erzählt er. Zum Bewerbungsgespräch musste er glücklicherweise nicht nach Tel Aviv in die Deutsche Botschaft fliegen. "Als ich erzählt habe, dass ich in Berlin lebe, wurde gesagt, das ginge auch hier.“
Was sind nun die wichtigsten Erkenntnisse seines Praktikums? Insbesondere bei den Grünen, aber im Grunde im ganzen Bundestag funktioniere Politik "ohne Parolen lauthals zu schreien und ohne hinter den Kulissen zu kungeln“, sagt er. Zumindest habe er das nicht gesehen, fügt er augenzwinkernd hinzu. "Es ist sehr beeindruckend, wie der Bundestag arbeitet“, lautet daher seine Einschätzung.
Was die Bevölkerung angeht, so kommt er nach fünfjähriger Berlin-Erfahrung zu dem Urteil: "Die Deutschen sind superpolitisch.“ Zudem stünden sie - vielleicht auch angesichts der Historie- ohne Wenn und Aber hinter der Demokratie. In Israel sei das derzeit anders. "Bei uns ist die politische Lage sehr heikel. Da wird der Ruf nach einem starken Führer immer lauter.“
Die Demokratie wiederum, die aus Sicht vieler Menschen in seiner Heimat keine Lösungen bringe, gehe diesen "inzwischen ein bisschen auf die Nerven“, stellt Oz fest und fordert: "Dagegen muss etwas getan werden.“
Die Frage nach der eigentlichen Heimat ist inzwischen bei ihm nicht ganz unproblematisch. "Ich fühle mich, wie in einer Identität zwischen den Welten“, sagt er. In Deutschland schaue er auf die Leute wie ein Israeli und in Israel fühle er sich manchmal wie ein Deutscher.
Dieser Eindruck werde dadurch unterstützt, dass er bei seinen Aufenthalten dort ab und zu auf der Straße auf Englisch angesprochen wird. "Das ist mir früher nicht passiert.“ Ist er also inzwischen ein Heimatloser? Ein bisschen schon, sagt er. Andererseits: "Ich fühle mich an beiden Orten zuhause, wenn auch in Berlin ein bisschen mehr, da ich hier zum ersten Mal ein eigenes Leben aufgebaut habe.“
So ist es wenig verwunderlich, dass Oz Aruch traurig darüber ist, dass das IPS-Praktikum Ende Juli vorbei ist und auch seine persönliche Berlingeschichte (vorerst) ein Ende findet. Aber wem die deutschisraelischen Beziehungen so am Herzen liegen wie Oz, der findet immer einen Weg zurück. (hau)