Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Datenhandbuch > 7. Plenum
Stand: 31.3.2010
Zur Wiederherstellung der Ordnung bei Störungen in den Plenarsitzungen stehen dem amtierenden Präsidenten im Rahmen seiner Ordnungsgewalt folgende Maßnahmen zur Verfügung:
Die Rüge ist in der Geschäftsordnung des Bundestages nicht geregelt; sie entspricht einem parlamentarischen Brauch.
Der Präsident kann den Redner, der vom Verhandlungsgegenstand abschweift, zur Sache verweisen. […](§ 36 Satz 1 GOBT)
Ist ein Redner während einer Rede dreimal zur Sache oder dreimal zur Ordnung gerufen und beim zweiten Male auf die Folgen eines dritten Rufes zur Sache oder zur Ordnung hingewiesen worden, so muss ihm der Präsident das Wort entziehen und darf es ihm in derselben Aussprache zum selben Verhandlungsgegenstand nicht wieder erteilen.
Überschreitet ein Mitglied des Bundestages seine Redezeit, so soll ihm der Präsident nach einmaliger Mahnung das Wort entziehen.
Der Bundestagspräsident kann Mitglieder des Bundestages auch von den Beratungen ausschließen. Die Geschäftsordnung (§ 38 Abs. 1 GOBT) legt fest:
(1) Wegen gröblicher Verletzung der Ordnung kann der Präsident ein Mitglied des Bundestages, auch ohne dass ein Ordnungsruf ergangen ist, für die Dauer der Sitzung aus dem Saal verweisen. Bis zum Schluss der Sitzung muss der Präsident bekannt geben, für wie viel Sitzungstage der Betroffene ausgeschlossen wird. Ein Mitglied des Bundestages kann bis zu dreißig Sitzungstage ausgeschlossen werden.
Nach wiederholtem undemokratischen Verhalten einer Fraktion in der 16. Wahlperiode wurde am 2. Juli 2009 die Regelung des Ausschlusses von Mitgliedern des Bundestages dahingehend erweitert, dass auch ein nachträglicher Sitzungsausschluss bei gröblicher Verletzung der Ordnung möglich wurde. Der neu eingefügte § 38 Abs. 2 GOBT schreibt fest:
(2) Ein Sitzungsausschluss kann auch nachträglich, spätestens in der auf die gröbliche Verletzung der Ordnung folgenden Sitzung ausgesprochen werden, wenn der Präsident während der Sitzung eine Verletzung der Ordnung ausdrücklich feststellt und sich einen nachträglichen Sitzungsausschluss vorbehält. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Ein bereits erteilter Ordnungsruf schließt einen nachträglichen Sitzungsausschluss nicht aus.
Der bisherige Absatz 2 wurde zu § 38 Abs. 3 GOBT. Er lautet:
(3) Der Betroffene hat den Sitzungssaal unverzüglich zu verlassen. Kommt er der Aufforderung nicht nach, wird er vom Präsidenten darauf hingewiesen, dass er sich durch sein Verhalten eine Verlängerung des Ausschlusses zuzieht.
Der Präsident „kann Mitglieder des Bundestages, wenn sie die Ordnung verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen. Der Ordnungsruf und der Anlass hierzu dürfen von den nachfolgenden Rednern nicht behandelt werden.“ (§ 36 Satz 2 und 3 GOBT)
Ordnungsmaßnahmen | 12. WP 1990–1994 | 13. WP 1994–1998 | 14. WP 1998–2002 | 15. WP 2002–2005 | 16. WP 2005–2009 |
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Rügen1 | 3 | 3 | 9 | 1 | 7 |
Verweisungen zur Sache2 | 4 | 12 | 1 | 2 | 0 |
Ordnungsrufe | 33 | 32 | 7 | 10 | 2 |
Zurückweisung „unparlamentarischer“ Äußerungen | 18 | 46 | 38 | 10 | 83 |
Wortentziehungen | 7 | 9 | 7 | 2 | 2 |
Sitzungsausschlüsse | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Unterbrechung der Sitzung wegen störender Unruhe | 0 | 0 | 1 | 0 | 0 |
Aufhebung der Sitzung wegen störender Unruhe | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Ein Ordnungsruf und die ihm zu Grunde liegende Verfehlung dürfen anschließend nicht diskutiert werden. Allerdings kann der betroffene Abgeordnete bis zum nächsten Plenarsitzungstag schriftlich begründeten Einspruch gegen den Ordnungsruf einlegen, über den dann das Plenum ohne Aussprache entscheidet (§ 39 GOBT).
1 Gezählt wurden nur die unter Verwendung des Wortes „Rüge“ beanstandeten Äußerungen.
2 Die Zählung der Verweisungen zur Sache stößt auf jene Schwierigkeit, dass Sachrufe an keine Form gebunden sind und es deshalb im Einzelfall zweifelhaft sein kann, ob überhaupt eine entsprechende Verweisung vorliegt.
3 Davon ein Vergleich mit einem Begriff oder Namen aus der nationalsozialistischen Zeit.
Quelle: Deutscher Bundestag, Referat Parlamentsrecht
Angaben für den Zeitraum bis 1990 s. Datenhandbuch 1949 – 1999, Kapitel 8.20.