Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Datenhandbuch > 21. Auswärtige Beziehungen und europäische Integration
Stand: 31.3.2010
Der am 5. Mai 1949 in London von zehn europäischen Staaten (Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Schweden) gegründete Europarat ist die älteste zwischenstaatliche politische Organisation. Die Bundesrepublik Deutschland trat dem Europarat am 13. Juli 1950 bei. Der Europarat hat seinen Sitz in Straßburg. In seinen derzeitigen 47 Mitgliedsländern leben rund 800 Millionen Menschen, mit Ausnahme Kosovos, des Vatikanstaates und Weißrusslands gehören ihm somit sämtliche europäischen Staaten an.
Der Europarat1 hat nach seiner Satzung (Art. 1) die Aufgabe, „eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern zum Schutze und zur Förderung der Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, herzustellen und ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern“. Er ist auf die Errichtung eines gemeinsamen, den gesamten europäischen Kontinent umfassenden Raum gerichtet, in dem die grundlegenden Werte des Europarates – Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit (sog. Wertetrias) – gewährleistet werden.
Der Europarat setzt sich für eine größere europäische Einheit ein und hat zur Aufgabe, die pluralistische Demokratie und die Menschenrechte zu schützen, nach Lösungen für die Probleme der Zeit zu suchen und das Bewusstsein für eine kulturelle europäische Identität zu entwickeln und zu festigen. Seit 1990 ist die schrittweise Integration der neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa dazugekommen. Die Tätigkeitsbereiche des Europarates und der Parlamentarischen Versammlung umfassen damit alle Aspekte europäischer Fragen mit Ausnahme der Verteidigungspolitik.
Der Europarat hat bis heute mehr als 200 Abkommen und Konventionen ausgearbeitet. Am bekanntesten hiervon sind die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950 und ihre Zusatzprotokolle sowie die Europäische Sozialcharta und die Europäische Kulturkonvention. Viele dieser auch international beachteten Konventionen verdanken ihre Entstehung Anstößen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.
Organe des Europarates sind der Ministerrat und die Beratende (seit Juli 1974: Parlamentarische) Versammlung. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates2 war die erste parlamentarische Versammlung in der Geschichte Europas und wird auch als demokratisches Gewissen Europas bezeichnet. Sie hat Abgeordneten des Deutschen Bundestages, nachdem die Bundesrepublik Deutschland dem Europarat als Vollmitglied seit 1951 angehörte, die ersten Schritte auf europäischem Parkett erlaubt. Entsprechend seiner Größe entsendet jeder Staat eine bestimmte Anzahl von Vertretern und Stellvertretern. Liechtenstein hat zwei Sitze, während große Staaten wie Frankreich oder die Bundesrepublik Deutschland 18 Parlamentarier entsenden.
Die Parlamentarische Versammlung begleitet die Arbeiten des Ministerkomitees des Europarates parlamentarisch. Damit werden die nationalen Exekutiven von den Parlamentariern doppelt kontrolliert: Einmal in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und zum anderen im Hinblick auf die Umsetzung der Konventionen des Europarates in den nationalen Parlamenten. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates tagt viermal pro Jahr eine Woche lang in Straßburg und es finden sowohl während der Tagungen als auch während des ganzen Jahres in Abständen von ca. 6 bis 8 Wochen in Paris, Straßburg, Brüssel oder in einem der Mitgliedstaaten Ausschusssitzungen der zehn Fachausschüsse der Parlamentarischen Versammlung des Europarates statt. Vor der Einladung an einen Staat, Mitglied des Europarates zu werden, bzw. vor der Aufforderung an einen Staat, aus dem Europarat auszutreten, muss das Ministerkomitee eine Stellungnahme der Parlamentarischen Versammlung einholen.
Die Parlamentarische Versammlung wählt u. a. den Generalsekretär des Europarates, den Menschenrechtskommissar, sowie die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Deutsche Richter: 1990–1998 Rudolf Bernhardt; 1998–2004 Georg Ress; 2004–2010 Renate Jäger; ab 2011 Angelika Nußberger)
Folgende Mitglieder des Deutschen Bundestages hatten seit der 12. Wahlperiode in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Funktionen inne:
Ämter | Deutsche Amtsinhaber |
---|---|
Präsident | Karl Ahrens (1983–1986) Leni Fischer (1996–1999) |
Vizepräsidenten | Gerhard Reddemann (1986–1994) Leni Fischer (1995) Robert Antretter (1996–1998) Klaus Bühler (1999) Wolfgang Behrend (2000–2002) Rudolf Bindig (2002–2005) Joachim Hörster (2005–) |
Fraktionsvorsitzende | Leni Fischer (1994–1995, Christ-Demokratische Fraktion/ Europäische Volkspartei) Karl Ahrens (1986–1991, Sozialistische Fraktion) |
Vorsitzender des Politischen Ausschusses | Gerhard Reddemann (1991–1994) |
Vorsitzender des Geschäftsordnungsausschusses | Holger Haibach (2009–) |
Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung (früher: Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung; Wirtschaftsausschuss) | Uwe Holtz (1992–1994) |
Vorsitzender des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und Familie | – |
Vorsitzender des Ausschusses für Recht und Menschenrechte | Eduard Lintner (2002–2005) Herta Däubler-Gmelin (2005–2009) |
Vorsitzender des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und Bildung | Leni Fischer (1992–1995) |
Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft (früher: Ausschuss für Landwirtschaft) | Hermann Scheer (1994–1996) Wolfgang Behrendt (1999–2001) |
Vorsitzender des Ausschusses für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen | Wilfried Böhm (1988–1992) |
Vorsitzender des Ausschusses für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten eingegangenen Verpflichtungen | – |
Vorsitzender des Ausschusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern | – |
1 Vgl. Anja Schubert: Der Europarat, in: Der Aktuelle Begriff vom 8. Mai 2009, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages.
2 Vgl. Joachim Kehrhahn: Die Parlamentarische Versammlung des Europarates, in: Der Aktuelle Begriff '97. hrsg. von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages, Rheinbreitbach 1996, S. 21 ff.
Quelle: Deutscher Bundestag, Referat Internationale parlamentarische Versammlung sowie Europarat
Angaben für den Zeitraum bis 1990 s. Datenhandbuch 1949 – 1999, Kapitel 24.1.