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Am Freitag, 9. November 2012, hat sich das Bundestagsplenum mit den Rechten und Lebensbedingungen von Menschen mit Behinderungen befasst. Auf das historische Datum verwies die sozialdemokratische Abgeordnete Ulla Schmidt in ihrer Rede. Es habe positive Ereignisse wie den Fall der Berliner Mauer 1989, es habe aber auch sehr negative gegeben. Die Reichspogromnacht am 9. November 1938 bildete den Auftakt zur Verfolgung der Juden in Nazideutschland, der auch unzählige Menschen mit Behinderungen zum Opfer fielen. Heute "haben wir es unserer parlamentarischen Demokratie und dem Grundgesetz zu verdanken, dass die erste Generation behinderter Männer und Frauen das Rentenalter erreichen kann", sagte Schmidt anschließend. In der UN-Behindertenkonvention sehe sie eine "große Chance für die Gesellschaft".
Anlass der eineinhalbstündigen Debatte waren zwei Anträge der SPD-Fraktion sowie ein Antrag von CDU/CSU und FDP. In ihrem Antrag "UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen" (17/7942) fordern die Sozialdemokraten, die deutschen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der UN-Behindertenrechtskonvention zu überprüfen. In ihrem Antrag formulieren sie einen umfangreichen Maßnahmenkatalog unter anderem zur Bewusstseinsbildung und Gleichstellung, zu Assistenz und Mobilität, Arbeit und beruflicher Rehabilitation, Bildung, Kinder und Familie, Barrierefreiheit und Bahnverkehr.
In ihrem zweiten Antrag "Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit – Behindertenrechtskonvention umsetzen und Entwicklungszusammenarbeit inklusiv gestalten" (17/8926) hatte sich die SPD-Fraktion dafür ausgesprochen, die Belange von Menschen mit Behinderung in der Entwicklungszusammenarbeit stärker als bisher berücksichtigen. Die Koalitionsfraktionen setzen sich in ihrem Antrag (17/9730) für ein "selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen" als Grundsatz der deutschen Entwicklungspolitik ein. Somit unterstützen sie das Anliegen der Bundesregierung, die "Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit nicht nur zu verankern", sondern im Entwicklungsministerium (BMZ) und seinen Durchführungsorganisationen auch "systematischer zu gestalten".
Die FDP-Abgeordnete Gabriele Molitor betonte, dass alle Bundestagsabgeordneten in dieser Causa "ganz viele Gemeinsamkeiten" hätten, und zwar "über die Fraktionen hinweg". In der Tat betonten alle Redner, dass die Inklusion von Menschen mit Behinderungen voranschreiten müsse. "Der Nationale Aktionsplan nur Umsetzung der UN-Behindertenkonvention", sagte Molitor weiter, sei eine "vorbildliche Gesamtstrategie".
Sie lobte den Antrag der Koalitionsfraktionen, in dem "Inklusion kein Fremdwort mehr sei". Allerdings könne man Inklusion nicht erzwingen, so wie es die SPD in ihrem Antrag fordere, sagte die liberale Politikerin an die Sozialdemokraten gewandt.
Maria Michalk (CDU/CSU) erklärte, dass Inklusion kein Gesetz sei, "sondern eine Herzenssache".
Sie hoffe, "dass wir mit den Betroffenen die Dinge diskutieren und schrittweise abstellen, die die Bedingungen der Inklusion noch nicht erfüllen".
Markus Kurth, Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen, sagte, die UN-Konvention beinhalte Maßnahmen, die nicht behinderte Menschen "als Selbstverständlichkeit ansehen" würden. Das Besondere an ihr aber sei, dass sie "unterstützende Strukturen" fordere und als Recht feststelle.
Die normale Menschenrechtscharta sei hier nicht ausreichend, denn die normalen Menschenrechte seien Abwehrrechte, wie beispielsweise das Recht auf Meinungsfreiheit oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit. "Abwehrrechte gegen ein übermächtiges Kollektiv und gegenüber staatlichen Zumutungen."
Für die Fraktion Die Linke sprach Dr. Ilja Seifert. Er selbst ist seit einem Badeunfall 1967 querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Noch immer sei die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen doppelt so hoch wie normal. "Von Gleichheit also noch keine Spur", sagte Seifert. Und auch in der Infrastruktur ortete er noch zahlreiche Probleme. Es gebe zwar barrierefreie Busse, für die die Betroffenen auch gekämpft hätten. Aber beispielsweise sei es für Rollstuhlfahrer nicht möglich, eine Toilette in einem Flugzeug aufzusuchen.
Es gebe auch nur wenige barrierefreie Schiffe. Auch barrierefreie Wohnungen seien schwer zu finden. Deshalb sei die freie Wohnungswahl, die auch Menschen mit Behinderungen gewährt werden soll, eine Farce, sagte Seifert. Die UN-Behindertenrechtskonvention müsse verbindlich gelten.
Im Anschluss an die Debatte stimmten die Abgeordneten über die drei genannten Anträge ab. Dabei folgten sie jeweils den Beschlussempfehlungen der zuständigen Ausschüsse: Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner Beschlussempfehlung (17/10010) den Antrag "UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen" (17/7942) der SPD-Fraktion mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der antragstellenden Fraktion bei Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.
Auch der zweite Antrag der SPD-Fraktion "Behinderung und Entwicklungszusammenarbeit – Behindertenrechtskonvention umsetzen und Entwicklungszusammenarbeit inklusiv gestalten" (17/8926) war im Ausschuss (17/10330) auf Widerstand gestoßen. Er wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen abgelehnt. Der Antrag der Koalitionsfraktionen (17/9730) war zuvor im Ausschuss für Arbeit und Soziales diskutiert worden. In dessen Beschlussempfehlung (17/10330) spricht sich das Gremium für die Annahme des Antrags aus. Dafür hatten die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sowie der Linksfraktion gestimmt. Die SPD hatte gegen den Antrag gestimmt, die Grünen enthielten sich. (ver/09.11.2012)