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Über die verfassungsrechtliche Beurteilung waren sich die geladenen Sachverständigen jedoch höchst uneins. Während der Jurist Winfried Kluth von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg das Betreuungsgeld im Einklang mit dem Grundgesetz sah, sprachen sich seine Kollegen Ute Sacksofsky von der Goethe Universität in Frankfurt am Main und Joachim Wieland von der deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer aus verfassungsrechtlichen Gründen gegen den Gesetzentwurf aus. Der Staat dürfe keine Kompensation an seine Bürger zahlen, wenn diese eine staatliche Einrichtung wie eine Kindertagesstätte nicht in Anspruch nehmen. Schon deshalb nicht, weil die staatlichen Kindertagesstätten für die Eltern nicht kostenfrei seien. Kluth hingegen machte geltend, dass die Gebühren für einen Kita-Platz weit unterhalb der eigentlichen Kosten liegen. Durch das Betreuungsgeld werde also eine Rechtslage herbeigeführt, in der sowohl die Eltern finanziell durch den Staat unterstützt werden, die ihre Kinder nicht in einer Kita betreuen lassen, als auch jene, die dies tun.
Birgit Kelle, Vorsitzende des Vereins „Frau 200plus“, kritisierte in der Anhörung die ständigen Versuche der Politik, Eltern in die ein oder andere Richtung beeinflussen zu wollen. Vor allem würde nicht ausreichend differenziert zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen von Eltern und ihren Kindern. Es sei sicherlich richtig, dass fünf bis zehn Prozent der Kinder in Deutschland aus sozial schwierigen Elternhäusern in einer Kindertagesstätte betreut werden sollten. Dies könne aber nicht bedeuten, dass die große Mehrheit durch die öffentliche Diskussion genötigt werde, dies auch zu tun. Das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach entschieden, dass alle Erziehungsmodelle vom Staat neutral zu fördern sind. Deshalb müsse das Betreuungsgeld gezahlt werden.
Franziska Pabst vom Paritätischen Gesamtverband hingegen sprach sich gegen das Betreuungsgeld aus. Es würde nur dann gezahlt, wenn Eltern ihre ein- und zweijährigen Kinder nicht in einer staatlich geförderten Einrichtung betreuen lassen. Dies könne zur Folge haben, dass Eltern das Geld erhalten, wenn sie ihre Kinder in einer nicht geförderten Einrichtung betreuen lassen. Dann könne aber nicht mehr von einer Anerkennung der Erziehungsleistung gesprochen werden. Außerdem sei es fraglich, ob in solchen Einrichtungen die nötigen Qualitätsstandards gewahrt seien. Pabst lehnte zudem ab, dass das Betreuungsgeld auf Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch angerechnet werden soll. Dies komme einer Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Eltern gleich.
Mehrere Sachverständige wehrten sich gegen die in der öffentlichen Diskussion verbreitete Einschätzung, dass eine Betreuung in Tagesstätten ausschließlich zum Vorteil der Kinder sei. Rainer Böhm, Leitender Arzt am Sozialpädiatrischen Zentrum in Bielefeld, führte Studien an, nach denen Kleinkinder in Krippen und Kitas einem erhöhten Stressfaktor ausgesetzt sind und noch in späteren Jahren ein erhöhtes Aggressionspotenzial aufweisen. Und Johannes Schroeter, Landesvorsitzender des Familienbundes der Katholiken in Bayern, wehrte sich gegen die Behauptung, nur in Betreuungseinrichtungen würde eine frühkindliche Bildung vermittelt. Schließlich würden Kinder das Sprechen in erster Linie im Elternhaus erlernen. Dies sei ja wohl frühkindliche Bildung. Susanne Viernickel von der Alice Salomon Hochschule in Berlin warnte vor „zu einfachen Antworten“ in dieser Frage. Es sei nicht entscheidend, ob ein Kind in einer Kita, von einer Tagesmutter oder ausschließlich von den Eltern erzogen wird. Entscheidend sei die Qualität der Betreuung und der Erziehung. Eine echte Wahlfreiheit für Eltern existiere jedoch nur dann, wenn genügend Kitaplätze vorhanden seien.
Aus ökonomischen Gründen lehnten Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim und Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln die Einführung eines Betreuungsgeldes ab. Sollte es dem Staat nicht gelingen, Betreuungsmöglichkeiten flächendeckend und bedarfsgerecht anzubieten, dann stelle die Gewährung des Betreuungsgeldes ein Kostenrisiko für die öffentlichen Haushalte dar, argumentierte Bonin. Plünnecke ergänzte, es sei zu befürchten, dass gerade sozial schwache Mütter und Väter die Leistung in Anspruch nehmen und somit noch länger dem Erwerbsleben fern bleiben.
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