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Die Oppositionsfraktionen waren sich über die grobe Richtung einig: Die pauschale Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Zinsen vom Ersparten sowie auf Dividenden soll nicht so bleiben. Im Detail gingen die Vorstellungen der Oppositionsredner in der Debatte des Bundestages am Donnerstag, 10. Mai 2012, allerdings auseinander. Einig zeigte sich dagegen die Koalition: Sowohl CDU/CSU als auch die FDP lehnten Steuererhöhungen auf Kapitaleinkünfte ab.
"Die Abgeltungsteuer ist die erfolgreichste Form der Besteuerung von Kapitaleinkünften, die es in der Bundesrepublik Deutschland jemals gegeben hat", stellte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), in der Debatte fest. Eine Erhöhung des Steuersatzes lehnte er ab: "Lieber ein realistischer Steueranspruch, der auch durchgesetzt wird, als ein ideologisch überhöhter Steueranspruch mit einer virtuellen Eintrittswahrscheinlichkeit."
Auch Daniel Volk (FDP) hielt an der heutigen Form der Kapitaleinkünftebesteuerung fest. Der "linke Teil dieses Hauses" argumentiere immer, der Staat brauche mehr Geld. Jedoch sei es falsch zu glauben, dass mehr Steuereinnahmen folgen, wenn man die Steuersätze erhöhe.
Die jüngste Steuerschätzung mit Mehreinnahmen von 30 Milliarden Euro zeige doch, dass eine vernünftige Steuerpolitik zu Mehreinnahmen führe. Massiven Steuererhöhungen, die Volk als "Raubzug" bezeichnete, würden dagegen zu sinkenden Einnahmen des Staates führen.
Olav Gutting (CDU/CSU) hielt den Sozialdemokraten vor, sich von früheren Positionen zu verabschieden.
Obwohl zu Zeiten der Großen Koalition eingeführt, gefalle den Sozialdemokraten die heutige Form der Abgeltungsteuer nicht mehr.
"Der Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent muss erhöht werden auf 32 Prozent", forderte der SPD-Finanzexperte Carsten Sieling. Allerdings warnte Sieling davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
In die Besteuerung durch die Abgeltungsteuer seien auch Dividenden voll einbezogen worden, die früher nach dem Halbeinkünfteverfahren nur zur Hälfte hätten versteuert werden müssen.
"Das Abgeltungsteuergeschenk muss ganz weg", forderte Dr. Diether Dehm (Die Linke), der darauf hinwies, dass in Deutschland den 7.500 Milliarden Euro Privatvermögen 2.000 Milliarden Euro Staatsschulden gegenüberstünden.
"Nur mit Umverteilung kann die Staatsverschuldung abgebaut werden. Spekulanten dürfen nicht länger mit einer läppischen Steuer von 25 Prozent davonkommen", sagte Dehm.
Gleich mehrere Punkte führte Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) gegen die Abgeltungsteuer an. "Es pfeifen alle Spatzen von allen Dächern: Diese Abgeltungsteuer ist Murks." Die Steuer verursache einen unglaublich hohen bürokratischen Aufwand und erleichtere die Steuerhinterziehung, weil sie anonymisiert abgeführt werde.
"Die versprochenen höheren Steuereinnahmen sind nicht geflossen", kritisierte Paus. Es gebe statt dessen Mindereinnahmen von drei Milliarden Euro. Dass Kapitaleinkommen niedriger besteuert werde als Arbeitseinkommen, "das versteht kein Mensch".
Der Bundestag lehnte auf Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (17/7666) mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Linksfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen den Antrag der Linksfraktion (17/4878) zur Abschaffung der Abgeltungsteuer ab. Kapitaleinkünfte müssten wieder dem persönlichen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen unterworfen werden, hatten die Abgeordneten gefordert.
An die zuständigen Ausschüsse überwiesen wurde ein weiterer Antrag der Linksfraktion (17/9552). Darin spricht sie sich für die Einschränkung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managerbezügen aus. So soll der Betriebsausgabenabzug für die jeweiligen Gesamtbezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder auf das 20-fache des unteren Facharbeiterlohns der Branche beschränkt werden. Bisher können diese Gehälter unbegrenzt als Betriebsausgaben abgezogen werden. "Sie vermindern somit den zu versteuernden Gewinn und führen daher für die Vergütungen zahlenden Unternehmen zu geringeren Steuerzahlungen", schreibt die Fraktion.
Kampeter sprach sich in der Debatte strikt gegen eine Begrenzung von Managergehältern durch steuerrechtliche Regelungen aus. Die Regierung glaube, dass bei der Vergütung von Managern Maß und Mitte einzuhalten seien, aber das Steuerrecht sei "nicht der Ort, um diese Schlacht auszutragen".
Sieling sagte: "Wir haben ein Riesenproblem in dem Bereich." Man müsse auch steuerpolitisch an das Problem herangehen, "damit der Anreiz in den Unternehmen minimiert wird, hohe Gehälter zu zahlen".
Volk pochte auf das Eigentumsrecht: "Die Frage, wie hoch diese Vergütungen sind, ist eine Frage, die die Eigentümer des Unternehmens zu entscheiden haben." Darüber habe nicht die Politik am grünen Tisch zu entscheiden. Dehm warnte dagegen, die Schere zwischen Arm und Reich dürfe nicht weiter auseinandergehen. Paus wies darauf hin, die Grünen hätten schon vor drei Jahren Einschränkungen beim Betriebsausgabenabzug von Managergehältern gefordert.
Ebenfalls an die Ausschüsse überwiesen wurde ein Antrag der Linksfraktion (17/9525) auf Einführung einer "Reichensteuer". Bei einem zu versteuernden Einkommen von über einer Million Euro soll ein Grenzsteuersatz von 75 Prozent eingeführt werden. Vorbild ist ein Vorschlag des neu gewählten französischen Präsidenten Franςois Hollande, der in Frankreich die Einführung einer Einkommensteuer von 75 Prozent auf das Einkommen von über einer Million Euro jährlich gefordert hatte.
"Deutschland hat die Einführung einer solchen Steuer noch nötiger als Frankreich, denn hier war das Ausmaß der ungleicher werdenden Einkommensverteilung in den letzten beiden Jahrzehnten im internationalen Vergleich besonders hoch", begründet die Linksfraktion ihren Vorstoß. Nach ihren Angaben besitzen mehr als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung entweder kein oder ein nur sehr geringes Nettovermögen. Das oberste Prozent besitze dagegen inzwischen knapp ein Viertel des gesamten Vermögens in Deutschland. (hle)