Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
In der Plenardebatte am Dienstag, 20. November 2012, warb Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr um Zustimmung für den um rund zweieinhalb Milliarden Euro gekürzten Haushalt seines Gesundheitsministeriums. Sein Etat leiste den größten Sparbeitrag aller Einzeletats und trage damit maßgeblich dazu bei, das Ziel eines ausgeglichenen Gesamthaushalts zu erreichen. "Das verdient Lob und beweist, dass die Politik mit dem Geld, das die Bürger ihr zur Verfügung stellt, auch auskommt", unterstrich der Minister. Zu Beginn der Wahlperiode habe der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) noch das bis dahin größte Defizite ihrer Geschichte gedroht. Heute missgönne es die Opposition der Bundesregierung, dass es Überschüsse in der GKV gebe, sagte Bahr. Diesen Erfolg habe die Regierung nicht durch Leistungskürzungen erreicht, sondern durch kluge Politik wie in der Arzneimittelversorgung, in der mittlerweile zwei Milliarden eingespart worden seien.
Ausdrücklich verteidigte Bundesminister Bahr auch die Kürzung des Zuschusses an den Gesundheitsfonds. Diese Entscheidung liege im Interesse eines ausgeglichenen Haushalts. "Wir müssen auch als Gesundheitspolitiker dafür eine Mitverantwortung übernehmen", betonte Bahr.
Der Bundestag stimmte dem Etat des Gesundheitsministeriums (17/10200, 17/10202) in der vom Haushaltsausschuss geänderten Fassung (17/10814, 17/10823) mit der Mehrheit von Union und FDP gegen das Votum der Opposition zu.
Zuvor hatte das Parlament Änderungsanträge der Linksfraktion (17/11511, 17/11512, 17/11515, 17/11516) abgelehnt, die 2,5 Milliarden Euro forderte, um den Investitionsstau in Krankenhäusern zu beseitigen, und eine Milliarde Euro, um einen "Fonds für Gesundheitsförderung und Prävention" einzurichten. 500 Millionen Euro sollten in die Förderung der nichtkommerziellen Pharma-Forschung fließen, und auch die Forschung auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs sollte nach dem Willen der Linken höher bezuschusst werden.
Der SPD-Abgeordnete Prof. Dr. Karl Lauterbach attestierte der Bundesregierung demgegenüber eine negative Leistungsbilanz in der Gesundheitspolitik. Die vom Minister gepriesenen Überschüsse in der GKV seien nicht auf gutes Wirtschaften, sondern auf eine historisch beispiellose Beitragssatzerhöhung zurückzuführen. Außerdem habe man den Versicherten eine Kopfpauschale auferlegt. "Nun hat die Regierung Angst vor deren Umsetzung", sagte Lauterbach, weil sie die Reaktion der Bürger fürchte.
Schwer nachvollziehbar sei auch, dass im Haushalt des Gesundheitsministers ausgerechnet bei der Vorbeugung gespart werde. "Das ist so, als wenn der Landwirt sein Saatgut an die Tiere verfüttert", kritisierte Lauterbach. Auch die angeblichen Strukturreformen im Gesundheitswesen hätten wenig bewirkt. Die Hausarztversorgung verschlechtere sich geradezu stündlich, ohne dass die Bundesregierung gegensteuere. "Der Hausarztberuf ist unattraktiv geworden", ist sich Lauterbach sicher. Insgesamt hätte die strukturellen Maßnahmen entweder geschadet oder nichts bewirkt.
Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus hielt dagegen, indem sie auf die positiven Wirkungen der von der Koalition initiierten Gesetzesvorhaben hinwies. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) habe zu einer Absenkung der Arzneimittelpreise und das Versorgungsstrukturgesetz zu einer verbesserten Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum geführt. Ferner sehe das Pflegeneuausrichtungsgesetz erstmals reguläre Leistungen für Demenzkranke vor, führte Aschenberg-Dugnus weiter aus.
Der Haushalt des Gesundheitsministers runde diese positive Lesitungsbilanz ab. "Wir führen den Nachweis, dass wir sparsam haushalten und zugleich gestaltende Politik machen können", sagte Aschenberg-Dugnus. Die Schwerpunktsetzung im Gesundheitshaushalt spiegele zugleich Ziel wider, die Eigenverantwortung des Bürgers auch im Bereich der Gesundheit zu stärken, statt ihn durch Verbote einzuschränken.
Der Abgeordnete Michael Leutert von der Fraktion Die Linke übte heftige Kritik an der Kürzung des Gesundheitsetats. Nur vier Ministerien hätten überhaupt Kürzungen hinnehmen müssen. Die Bundesministerien für Arbeit und Soziales und für Gesundheit hätten aber allein eine Etatkürzung von insgesamt 28 Milliarden Euro zu verzeichnen, führte Leutert aus. Gemessen daran nehme sich die Entlastung der Versicherten durch die Abschaffung der Praxisgebühr bescheiden aus.
Für völlig verfehlt hält es Leutert, wegen der aktuellen Überschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung die Steuerzuschüsse an den Gesundheitsfonds zu kürzen. "Besser wäre es gewesen, die Patienten bei weiteren Zuzahlungen zu entlasten," sagte Leutert.
Der CSU-Abgeordnete Alois Karl konzentrierte sich in seinem Debattenbeitrag auf das Ziel der Haushaltskonsolidierung. "Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel zu viel Geld ausgegeben", betonte Karl. Deshalb komme es jetzt darauf an darauf hinzuarbeiten, dass der Bund bald ohne Schulden auskomme. "Der Einzelplan 15 wird einen wichtigen Beitrag dazu leisten", sagte Karl. Angesichts der Defizite, vor denen die GKV noch vor wenigen Jahren gestanden habe, müssten die derzeitigen Überschüsse ein Grund zur Freude sein.
Bei den Summen von drei beziehungsweise zwei Milliarden Euro, die der Bund dem Gesundheitsfonds in den Jahren 2011 und 2012 zur Verfügung gestellt habe, handele es sich um Darlehen, die nun wieder dem Haushalt zur Verfügung gestellt würden, erklärte der CSU-Abgeordnete. Mit seinen Konsolidierungsbeitrag von 2,5 Milliarden Euro gehe der Gesundheitsminister mit gutem Beispiel voran. Außerdem könne er "auch mit einem reduzierten Haushaltsansatz alle seine Vorhaben realisieren", versicherte Karl.
Katja Dörner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erinnerte an die große Einmütigkeit, mit der der Bundestag vor Kurzem der Abschaffung der Praxisgebühr zugestimmt habe. Es habe sich die Einsicht durchgesetzt, dass man mit einer Praxisgebühr nicht generell die Zahl der Arztkontakte vermindern könne, sondern allenfalls einkommensschwache Patienten davon abhalte, trotz Krankheit einen Arzt aufzusuchen. Solche punktuellen Gemeinsamkeiten der Fraktionen dürften aber über grundsätzliche Unterschiede in den gesundheitspolitischen Vorstellungen nicht hinwegtäuschen, sagte Dörner.
So sei die FDP nach wie vor eine Verfechterin der Kopfpauschale. "Der unsolidarische Zusatzbeitrag kommt in großen Schritten auf uns zu", betonte Dörner. Daher gingen alle künftigen Kostensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zulasten der Versicherten. Dies sei "ein weiterer Baustein der Entsolidarisierung in unserer Sozialversicherung", kritisierte Dörner.
Die Ausgaben des Gesundheitsministeriums werden im Jahr 2013 um knapp zweieinhalb Milliarden Euro – von 14,5 Milliarden Euro auf 11,99 Milliarden Euro – sinken. Dies hat der Bundestag mit der Koalitionsmehrheit beschlossen. Der größte Teil des Gesundheitsetats – nämlich 11,5 Milliarden Euro – kommt als Zuweisung dem Gesundheitsfonds zugute – jenen Topf, in den neben den Steuermitteln die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fließen und aus dem die Krankenkassen pro Versicherten einen bestimmte Summe erhalten.
Ein leichter Anstieg ist demgegenüber bei den Personalausgaben – von 187,05 Millionen Euro im Jahre 2012 auf 196 Millionen Euro 2013 sowie bei den sächlichen Verwaltungsausgaben – von 133,06 auf 138,75 Millionen Euro – zu verzeichnen. (tvw/20.02.2012)