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**** NACH § 117 GOBT AUTORISIERTE FASSUNG ****
*** bis 10.55 Uhr ***
Deutscher Bundestag
122. Sitzung
Berlin, Freitag, den 11. September 2015
Beginn: 9.01 Uhr
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zum letzten Tag unserer Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt 1 –, die wir nun fortsetzen:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016)
Drucksache 18/5500
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019
Drucksache 18/5501
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Wir hatten bereits am Dienstag für die heutige Debatte eine Redezeit von insgesamt 4 Stunden und 48 Minuten beschlossen.
Wir beginnen heute mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, Einzelplan 12.
Dazu erteile ich dem Bundesminister Alexander Dobrindt das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Investitionshochlauf ist das Wachstums- und Wohlstands-Upgrade für das digitale Zeitalter. Rund 40 Prozent mehr Geld für unsere Infrastruktur – das gab es in der Vergangenheit noch nie, das ist eine große Leistung der Großen Koalition. Wir starten den Investitionshochlauf und stärken unsere Infrastruktur in Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre schön!)
Zu Beginn der Legislaturperiode haben wir gesagt, dass wir wesentlich mehr in die Infrastruktur investieren müssen, um Wachstum und Wohlstand dadurch zu sichern können. Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit darauf hingewiesen, dass dies durch einen Investitionshochlauf ermöglicht werden soll, und habe dann diesen Investitionshochlauf, der aus fünf Punkten besteht und auch genau das leistet, vorgestellt.
(Zuruf der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit dem Haushalt 2015 und der mittelfristigen Finanzplanung haben wir diesen gestartet, und mit dem Haushalt 2016 gehen wir jetzt den nächsten Schritt und unterstützen diesen Investitionshochlauf weiter. Wir sehen schon jetzt die Erfolge, meine Damen und Herren:
Das Sonderprogramm zur Brückenmodernisierung wurde mit 1 Milliarde Euro gestartet. Mit dem Haushalt 2016 werden wir die Mittel dafür auf 2 Milliarden Euro verdoppeln. Und ich mache da die klare Ansage: Jede Maßnahme zur Sanierung einer Brücke, die Baurecht erhält, wird auch finanziert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Im Juli haben wir 72 Straßenbauprojekten in einem Umfang von rund 2,7 Milliarden Euro eine Baufreigabe erteilt und damit auf einen Schlag beinahe alle Straßenbauprojekte in Deutschland, die planfestgestellt sind und Baurecht haben und damit sofort umgesetzt werden können, finanziert. Das hat es in der Vergangenheit noch nie gegeben.
Gleichzeitig mit den Neubaumaßnahmen stärken wir das Prinzip Erhalt vor Neubau,
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon sehe ich aber nichts!)
weil wir die Erhaltungsmittel von 2,5 Milliarden Euro auf fast 4 Milliarden Euro im Jahr 2018 erhöhen werden. Allein im Haushalt 2016 steigern wir die Erhaltungsmittel für die bestehenden Straßen um circa ein Drittel, nämlich von 2,5 Milliarden Euro auf 3,3 Milliarden Euro. Das ist ein Riesenerfolg für die Sanierung der bestehenden Infrastruktur.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir haben die Einnahmen aus der Versteigerung der Digitalen Dividende II zusätzlich mit Mitteln aus der Investitionsoffensive von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gebündelt und damit ein Milliardenpaket für den Breitbandausbau geschnürt. Zur Erinnerung: In den ersten Haushaltsreden wurde hier von Vertretern der Opposition darauf hingewiesen, dass wir beim Breitbandausbau mit 0 Euro gestartet wären. – Ja, wir sind mit 0 Euro gestartet und sind jetzt bei 2,7 Milliarden Euro gelandet, die wir in die flächendeckende Versorgung mit schnellem Breitband investieren. Das ist nachhaltige Politik.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben aber noch nicht einmal Glasfaser!)
Wir gehen nach dem Dreiklang Investition, Innovation, Modernisierung vor. Die Große Koalition macht das. Die Erfolge zeigen: Die Investitionswende ist vollzogen. Wir investieren wieder, und zwar auf Rekordniveau. Insgesamt steigern wir im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit dem Investitionshochlauf unsere Investitionslinie von 10,4 Milliarden Euro auf rund 14 Milliarden Euro im Jahr 2018. Es steht somit mehr Geld für die Infrastruktur zur Verfügung als jemals zuvor.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich weiß, dass das von dem einen oder anderen hier auch kritisch beäugt wird. Ich lese die Kommentare, die mir immer wieder auf den Weg mitgegeben werden, gerade auch von den Kollegen der Grünen. Wenn sich Ihr Vorzeigeverkehrspessimist, der grüne Minister Winne Hermann, der in Baden-Württemberg vom Investitionshochlauf übrigens am meisten profitiert, auch noch beschwert, dass zu viele Straßen in Baden-Württemberg gebaut werden, dann kann ich nur sagen: Sie bleiben ganz offensichtlich eine straßenfeindliche Entmobilisierungspartei.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben sich seit den 80er-Jahren, als Sie gemeinsam Karl, der Käfer gesungen haben, verkehrspolitisch nicht weiterentwickelt.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier nicht auf dem Nockherberg! Das ist hier nicht Aschermittwoch!)
Aber die Menschen erkennen das. Der Bund hat ohne Ihr Zutun in die Infrastruktur investiert und die Voraussetzungen dafür geschaffen, 15 Projekte in einer Größenordnung von einer halben Milliarde Euro gleichzeitig zu finanzieren. Sehen Sie es endlich ein: Ihre Aussagen sind falsch.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verhalten sich ja so, als seien Sie immer noch CSU-Generalsekretär!)
Liebe Frau Wilms, Sie haben noch vor kurzem gesagt, ein Bundesverkehrsminister würde hier ideologische Politik nach Parteibuch machen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar! Das macht er ja auch!)
Ich glaube, das trifft auf den grünen Minister zu, der in Baden-Württemberg regiert.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie nur für Bayern! Sie sind aber Bundesverkehrsminister!)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Einen Augenblick.
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Ideologisch, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Grünen an dieser Stelle.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Es ist für unsere Stenografen außerordentlich schwierig, gleichzeitig alle Zwischenrufe sorgfältig fürs Protokoll zu notieren. Deswegen wäre eine gewisse Sequenz auch schon im Sinne der Beweisführung anzustreben.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Stenografen können das sehr gut, Herr Präsident! Keine Sorge!)
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Ich habe alle mitbekommen. Sie bewegen sich auf der Linie, die ich hier gerade versucht habe darzustellen. Es war nichts Neues dabei.
Ich weiß wohl, dass Sie von den Grünen mit Ihrer Kritik ein Stück weit verzweifelt sind,
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind ganz zerknirscht, Herr Dobrindt!)
weil Sie mein Investitionspaket in eine unangenehme Situation gebracht hat. Sie wollen keine Straßen bauen; das hat Winne Hermann noch einmal deutlich gesagt.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann hat er das gesagt?)
Die Fixierung auf den Infrastrukturausbau sei der Weg zurück.
Ich sage: Wir wollen Straßen bauen. Wir wollen bestehende Straßen modernisieren. Wir wollen die Lebensqualität in der Region steigern.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das widerspricht sich aber: Straßenbau und Lebensqualität! Das müssen wir diskutieren!)
Wir wollen die Kapazität der Netze erhöhen, und wir wollen den Verkehr effizienter machen. Genau das leistet diese Große Koalition mit dem Investitionshochlauf für die Infrastruktur.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Unglaublich! Alles Blödsinn! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir feiern Anfang Oktober dieses Jahres 25 Jahre deutsche Einheit und Freiheit. Wenn wir zurückblicken, dann können wir feststellen: Die Wiedervereinigung war eine echte Aufbruchzeit, gerade auch mit Blick auf die Infrastruktur. Die Verantwortlichen haben sich damals der Wohlstandspyramide moderner Volkswirtschaften erinnert, sich daran orientiert und verstanden: ohne Mobilität keine Prosperität. In einem historischen Kraftakt wurde damals mit dem Wiederaufbau der Infrastruktur die Voraussetzung für neues Wachstum und Wohlstand in Deutschland geschaffen. Leider sind diese Erkenntnisse der Aufbruchzeit in den späten 90er-Jahren und zu Beginn der 2000er-Jahre wieder in Vergessenheit geraten – mit der Folge, dass über Jahre hinweg zu wenig in unsere Infrastruktur investiert wurde.
In dieser Zeit wurde auch versucht, dem immer wieder formulierten Irrglauben Bahn zu brechen, man müsse nicht in die Infrastruktur und die Mobilität investieren, um Wirtschaftswachstum zu erzeugen. Man hat ja versucht, das Gefühl zu verbreiten, dass man Mobilität und Wirtschaftswachstum entkoppeln könnte.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mobilität und Straßenbau sind nicht dasselbe!)
Das war aber grundfalsch. All die, meine Damen und Herren, die das erzählt haben, sollten sich dringend korrigieren. Wer weiterhin erzählt, man könne auf Investitionen in die Infrastruktur verzichten und trotzdem Wachstum erzeugen, der wird nur eines tun: unsere Gesellschaft vom Wohlstand abzukoppeln.
(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer sagt denn so etwas? Wer sagt es?)
Und das werden wir nicht zulassen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gustav Herzog [SPD])
Diesen Irrweg – gerade jetzt – weiterzuverfolgen, wäre ein fataler Fehler.
Wir stehen heute, 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, ebenfalls vor einem historischen Kraftakt: der Modernisierung und der Digitalisierung unserer Infrastruktur. Jetzt geht es darum, die Erfolgsgeschichte unseres Landes im 21. Jahrhundert fortzuschreiben. Dabei ist übrigens das Ergebnis noch lange nicht gesetzt. Globalisierung und Digitalisierung mischen die Karten auf der Welt komplett neu. Die Industrienationen von heute sind nicht zwingend die Digitalnationen von morgen. Da gilt es, intensiv daran zu arbeiten. Wir haben – genauso wie vor 25 Jahren – erkannt: Es müssen große Investitionsanstrengungen mit einem klaren Auftrag zur Modernisierung und Digitalisierung gemacht werden, wenn wir weiterhin Innovationsland bleiben wollen.
Wir haben die Haushaltsmittel für die Modernisierungen deutlich erhöht. Wir haben den Systemwechsel von der Steuerfinanzierung zur Nutzerfinanzierung vorangetrieben. Wir haben die Ausweitung der Lkw-Maut in Breite und Tiefe vorbereitet.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pkw-Maut!
Die erste Stufe haben wir im Juli umgesetzt. Die zweite wird im Oktober umgesetzt. Wir haben die Einführung der Infrastrukturabgabe beschlossen. Das Vertragsverletzungsverfahren der Kommission, meine Damen und Herren, wird scheitern.
(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Großartig!)
Der Bundestag hat europarechtskonforme Mautgesetze beschlossen. Wir führen diese Auseinandersetzung mit Brüssel gern, und wir werden uns durchsetzen. Um es kurz zu sagen: Brüssel irrt, die Maut kommt, Gerechtigkeit siegt, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Roland Claus [DIE LINKE]: Die Maut in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf!)
Wir haben die öffentlich-privaten Partnerschaften gestärkt. Ich habe eine Liste mit einer neuen Generation von ÖPP-Projekten erstellt, die ins Leben gerufen werden sollen. Es handelt sich dabei um elf Projekte mit einem Umfang von 15 Milliarden Euro für den Bau, Erhalt und Betrieb von rund 670 Kilometern Straße. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich auch für die konstruktive Zusammenarbeit innerhalb der Koalition bedanken. Es war nicht ganz einfach, bei jedem einzelnen Projekt die unterschiedlichen Einschätzungen aufzulösen. Dass dies in besonderem Maße auch gerade in Hessen mit den hessischen Kollegen aus der Union und der SPD gelungen ist, zeigt, wie erfolgreich die Große Koalition zusammenarbeiten kann, wenn es darum geht, die Infrastruktur in Deutschland erfolgreich auszubauen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erhalten Sie die doch erst einmal!)
Wir haben das auch bei den ÖPP-Projekten in Hessen gemeinsam gut geschafft.
Die Digitalisierung, meine Damen und Herren, ist die Voraussetzung, damit Deutschland Innovationsland bleiben kann. Wir wollen unsere Erfolge der Vergangenheit auch digital weiterschreiben. Dazu brauchen wir vor allem eine leistungsfähige digitale Infrastruktur. Ohne superschnelles Breitband gibt es keine digitale Wertschöpfung. Deswegen haben wir uns das Ziel gesetzt, mindestens 50 Mbit/s in der Fläche bis 2018 zu erreichen. Dafür haben wir ein Investitionspaket in Milliardenhöhe geschnürt und geben mit dem Haushalt 2016 den Startschuss für die Bundesförderung. Dabei haben die innovations- und investitionsfreundlichen Unternehmen der Netzallianz übrigens schon eine Vorleistung erbracht. Sie haben die Zusage gegeben, in der Netzallianz Digitales Deutschland, die wir gegründet haben, allein in diesem Jahr 8 Milliarden Euro in den Breitbandausbau zu investieren; auch das kommt hinzu.
Wir werden nun in einem Gesetz, dem Digitale-Netze-Gesetz, klare Vorgaben für den Netzausbau auf den Weg bringen. Dazu gehört, dass wir bei Neubau und Modernisierung von Bundesfernstraßen den Digitalausbau mit vorantreiben. Wo Straßen neu gebaut werden, muss gleichzeitig Glasfaser verlegt werden. Wo Neubaugebiete in Städten entstehen, darf nicht mehr mit Kupfer ausgebaut werden. Es muss Glasfaser verlegt werden, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das bedeutet mehr Bandbreite, weniger Baustellen, Einsparungen in Milliardenhöhe und einen deutlichen Fortschritt auf dem Weg hin zu einem modernen High-Speed-Netz.
Wir stecken nicht am Anfang einer digitalen Revolution – das habe ich auch in der Vergangenheit immer wieder erwähnt –, sondern wir stecken inzwischen mittendrin. Die Digitalisierung hat bereits einen disruptiven Prozess für Märkte, Branchen und Produkte erzeugt. Auf einigen digitalen Innovationsfeldern konnten wir mit einer erfolgreichen Industrie mitziehen und unsere Marktstellung behaupten. Auf anderen Feldern sind ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung und damit auch Wachstums- und Wohlstandschancen bereits abgewandert.
Das aktuell spannendste Feld der Digitalität ist die Mobilität.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Nur ein Spielplatz!)
Deswegen haben wir hier die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir auch im digitalen Zeitalter erfolgreich bleiben. Das automatisierte und vernetzte Fahren steht in den Startlöchern und bringt die größte Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Automobils. Mit dem Autopilot wird das Auto zu einem dritten Platz, zum „third place“, einem neuen Lebensmittelpunkt neben Arbeit und Zuhause.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ein Viertel der Haushalte hat gar kein Auto!)
Durch die Vernetzung des Autos mit anderen Fahrzeugen und der Infrastruktur wird Verkehr vorhersehbar, Staus und Unfälle werden vermieden. Die Echtzeitdatenkommunikation erweitert das Sichtfeld von Fahrer und Auto von einigen Hundert Metern auf mehrere Kilometer. Das sind Potenziale, deren Entwicklung wir nutzen wollen. Studien zeigen, dass die Kapazität auf Autobahnen durch Automatisierung um 80 Prozent erhöht werden kann. Gleichzeitig können wir den größten volkswirtschaftlichen Schaden, den Stau, um ungefähr 40 Prozent reduzieren, wenn wir mehr Automatisierung auf die Straße bringen.
(Lachen der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])
Deshalb wollen wir hier kräftig investieren.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stößt ja nicht auf große Begeisterung bei Ihrer Fraktion!)
Meine Damen und Herren, Sie werden auf der IAA in der nächsten Woche feststellen können, was moderne Fahrzeuge in der Lage sind zu leisten. Mit moderner Sensorik bei heutigen Serienfahrzeugen können Sie schon einer Kolonne im Stau bis 65 km/h dem Verkehrs- und Straßenverlauf vollkommen folgen, ohne selber eingreifen zu müssen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber sind Ihre Koalitionäre nicht so begeistert!)
Die Zukunft der Mobilität entscheidet sich jetzt in dieser Frage. Wir wollen unsere hervorragende Ausgangsposition weiterhin erhalten, wenn es darum geht, mit unserer Automobilindustrie einen wesentlichen Teil von Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätzen in Deutschland zu erhalten. Deswegen investieren wir in das Digitale Testfeld Autobahn. Auf der A 9 wird die erste intelligente und voll digitalisierte Straße entstehen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo? In Bayern, in Brandenburg, in Thüringen, in Sachsen oder wo?)
Wir haben vor einer Woche den Startschuss dazu gegeben. Die A 9 wird mit moderner Sensorik, Mobilfunktechnik der neuesten Generation und allen anderen Technologien, die für das automatisierte und vernetzte Fahren notwendig sind, ausgestattet werden. Das wird uns den Weg in die Mobilität 4.0 weisen.
Wir haben auf der IAA ein Treffen der G-7-Verkehrsminister anberaumt, unter anderem auch, um uns über die grundsätzliche Frage nach neuen Regeln für das automatisierte Fahren zu unterhalten, um neue Standards zu definieren und um dafür zu sorgen, dass wir international eine gleichgerichtete Entwicklung bekommen. Wir sind diejenigen, die diesen Markt vorantreiben müssen. Wir sind die erfolgreichste Automobilnation der Welt. Wir wollen Leitanbieter bleiben und den Leitmarkt weiterhin regeln. Wir wollen das auch in einer zukünftig automatisierten Mobilität mit voll digitalisierten Autos und Straßen tun. Deswegen investieren wir in die A 9.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mau der Beifall!)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Minister, ich darf Sie an die Zeit erinnern.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)
Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Danke schön. – Meine Damen und Herren, die Zukunft ist digital. Wir sind darauf vorbereitet. Der Haushalt 2016 legt die notwendige Grundlage dafür, um den Investitionshochlauf konsequent weiterentwickeln zu können. Wir werden die digitale Wertschöpfung auch in Deutschland, wo erprobt, getestet und produziert wird, zum Erfolg bringen. Deutschland bleibt auch mit diesem Haushalt Innovationsland.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Roland Claus ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Roland Claus (DIE LINKE):
Ich kann Ihnen ausdrücklich bestätigen, dass Sie gerade nichts Falsches gesagt haben, aber das bessert die Lage überhaupt nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD]
Es wäre gescheit gewesen, die Einnahmen, die ja weit über den erwarteten Einnahmen lagen, tatsächlich für diese große Aufgabe einzustellen und nicht einfach im Haushalt versickern zu lassen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Aber ich kann Ihnen gerne bestätigen, dass Ihre Zahlen richtig waren.
(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Das war immer schon sozialistisches Gerechne!)
Zurück zu meiner Rede. Nun droht auch noch ein Vertrag des Bundes mit der Telekom, der deren Monopolstellung verfestigen würde. Die Linke unterstützt hier ausdrücklich die Netzbranche bei deren Widerstand gegen einen solchen Monopolvertrag.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sind die Fraktion, die Ihnen gerne erklären kann, wo es hinführt, wenn man zu viel Zentralismus an den Tag legt.
Übrigens, Herr Minister: Auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur werden viele Bilder des Ministers präsentiert. Ich habe mir aber auch die Seite „Digitales“ angeschaut; da kam ich doch schon etwas ins Staunen. Auf der Seite „Digitales“ findet man als letzte Eintragung eine Meldung über die CeBIT.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War im März! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In einer schönen Stadt!)
Die war bekanntlich im März dieses Jahres. Das ist peinlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ist schon eine Weile her!)
Also, Herr Minister, weniger Posieren, mehr Digitalisieren ist die Aufgabe der Zeit.
(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
Das ist auch aus einem weiteren Grunde wichtig: Flüchtlinge aus Afrika – wir haben schon viel über Flüchtlinge geredet – haben, wenn sie hierherkommen, in der Regel ihr Smartphone dabei und sind es gewöhnt, dass sie mit ihrem Smartphone bezahlen können. Sie wissen, wie die Zusammenhänge sind. Wenn sie in einem deutschen Laden damit bezahlen wollen, stehen sie erneut vor einer Grenze, diesmal einer digitalen, weil das in Deutschland nicht geht. Also, da gibt es noch eine Menge an Aufgaben zu lösen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von wegen Minister der Mobilität!)
Den Bereich Verkehr muss ich nun in Stichworten abarbeiten. Herr Bundesminister, Sie haben an dieser Stelle und auch gegenüber den Medien gesagt, die Pkw-Maut oder wie auch immer Sie sie genannt haben – ich sage es nicht gerne verklausuliert –
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CSU-Katastrophenmaut!)
werde am 1. Januar 2016 scharf gestellt. Sie sind dem Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit eine Klarstellung schuldig, dass das nicht so ist. Ihre Rechthaberei, die Sie vorgetragen haben, hätte nur noch getoppt werden können, wenn Sie gesagt hätten: Die Maut in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf. – Also holla die Waldfee!
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nun haben Sie gelegentlich öffentlich und nichtöffentlich darüber spekuliert, wie man mehr privates Geld für die Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur einsetzen könnte. Da sagen wir als Linke: Das geht in Ordnung. Der einzige Unterschied ist: Sie wollen bei den Superreichen betteln gehen und sie Geschäfte machen lassen, wir dagegen wollen sie gerecht besteuern und diese Mittel einsetzen. Das macht den kleinen Unterschied aus.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Auch bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes haben Sie eine riesige offene Baustelle. Wir hatten Sie davor gewarnt, in Bonn eine Zentralbehörde zu schaffen, auch noch Generaldirektion genannt. Sie haben nicht auf uns gehört.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist auch besser so!)
Deshalb erneuern wir unseren Vorschlag: Denken Sie lieber darüber nach, wie man die Bundesregierung vernünftig in Berlin wiedervereinigt, anstatt pausenlos irgendwelche Stellen außerhalb zu schaffen.
(Beifall bei der LINKEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das war doch jetzt ein schöner Schlusssatz, Herr Claus, oder?
(Heiterkeit der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Roland Claus (DIE LINKE):
Herr Bundesminister, seitens der Opposition wurde Ihnen häufig genug angeboten, die großen und schwierigen Infrastruktur- und Investitionsvorhaben gemeinsam anzupacken. Ich habe den Eindruck, in den Koalitionsfraktionen wurde das verstanden, bei Ihnen bin ich mir da noch nicht so sicher. Aber Haushaltsberatungen haben ja auch immer einen Lerneffekt. Bauen wir darauf!
(Beifall bei der LINKEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Sören Bartol erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sören Bartol (SPD):
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist ein wirtschaftlich starkes Land. Als fünftgrößte Volkswirtschaft profitieren wir von starken Unternehmen im Mittelstand und in der Industrie. Tausende von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sichern täglich den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes.
Ich denke, wir sind uns einig, dass wir die aktuellen Herausforderungen nur bewältigen können, wenn die Wirtschaft auch weiter stark bleibt. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur. In einer Exportnation wie unserer sind Unternehmen davon abhängig, dass die hier produzierten Waren auf funktionierenden Verkehrswegen schnell ihre Kundinnen und Kunden erreichen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen ohne große Probleme morgens mit der Bahn zur Arbeit kommen, und das junge IT-Unternehmen braucht eine schnelle Internetverbindung, um seine Kundinnen und Kunden in Fernost oder Nordamerika zu erreichen. Wer möchte, dass Deutschland ein wirtschaftlich starkes Land bleibt, muss daher in Straße, Schiene und Wasserstraße investieren. Wer möchte, dass Deutschland sich auf den Weg in die Gigabitgesellschaft macht, muss den flächendeckenden Ausbau schneller Internetdatenautobahnen vorantreiben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wer gegen zusätzliche Mittel für Verkehrsinvestitionen kämpft, verhindert, dass wir wirtschaftlich erfolgreich bleiben, und gefährdet Arbeitsplätze. Wer den Breitbandausbau jetzt nicht staatlich fördert, akzeptiert, dass strukturschwache Regionen bei der digitalen Revolution abgehängt werden. Diese Koalition hat sich entschieden. Wir setzen auf zusätzliche Investitionen und arbeiten damit für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Das stärkt die Konjunktur. Das bringt Bürgerinnen und Bürger in Arbeit. Ich sage: Das bringt auch unser Land voran.
(Beifall bei der SPD)
Wir wissen, dass die digitalen Daten und der Verkehr nicht im Stau stecken bleiben dürfen. Wir werden daher im kommenden Jahr die Investitionen allein in die Verkehrswege auf 12 Milliarden Euro erhöhen. Damit werden so viele Mittel investiert wie nie zuvor. Zusätzliche Einnahmen aus Steuern und der Lkw-Maut machen dies möglich. Mit der Ausdehnung der Lkw-Maut auf die restlichen vierspurigen Bundesfernstraßen und auf Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen haben wir die Nutzerfinanzierung ausgeweitet. Im Gegenzug garantieren wir, dass jeder zusätzliche Maut-Cent in die Verkehrsinfrastruktur investiert wird. Das ist ein großer Erfolg, nicht nur wegen eines Mehr an Einnahmen, sondern auch deswegen, weil diejenigen an der Finanzierung beteiligt werden, die unsere Straßen besonders stark abnutzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Erhalt muss bei den Investitionen in die Verkehrswege vor dem Neu- und Ausbau stehen. Bei den Bundesfernstraßen wollen wir allein mehr als 3 Milliarden Euro in den Erhalt investieren. Das ist doppelt so viel wie für den Neu- und Ausbau der Bundesfernstraßen. Konkret bedeutet dies – wir haben das gerade schon gehört ‑: Jede Brücke, die vollziehbares Baurecht hat, wird sofort und umgehend saniert. Dafür stocken wir auch das Brückensanierungsprogramm bei der Straße noch einmal auf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Schiene wird angesichts des weiter anwachsenden Güterverkehrs neben der Straße die Hauptlast tragen. Wenn wir zum Beispiel im Ruhrgebiet oder anderswo nicht im Verkehrskollaps enden wollen, brauchen wir mehr Kapazität im Schienennetz, um die Güter auch in Zukunft transportieren zu können.
(Beifall bei der SPD)
Daher werden wir mit fast 5 Milliarden Euro die bestehenden Schienenwege erhalten und das Schienennetz an wichtigen Stellen ausbauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das bisher fehlende Geld für zusätzliche Investitionen wird in den kommenden Jahren im Bundeshaushalt zu Verfügung stehen. Dazu tragen die Mehreinnahmen bei; das ist sicher. Damit gehört auch die Unterfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur des Bundes Schritt für Schritt der Vergangenheit an. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Mittel effizient einzusetzen und dort zu investieren, wo sie den größten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger haben.
(Beifall bei der SPD)
Ich sage hier auch ganz deutlich: Wir dürfen dabei keine Angst vor klaren Entscheidungen haben. Ich bin den Koalitionspartnern von CDU und CSU dankbar, dass wir uns im Zuge der Verhandlungen über die Pkw-Maut noch einmal auf eine klare Priorisierungsstrategie verständigt haben.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich aber gespannt!)
In wenigen Wochen wird die Bundesregierung den ersten Entwurf für den neuen Bundesverkehrswegeplan vorlegen. Zum ersten Mal wird es auch eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung der Bürgerinnen und Bürger geben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alibibeteiligung!)
Nach der Auswertung der Rückmeldungen wird die Bundesregierung dann am Ende mit uns gemeinsam den Bundesverkehrswegeplan beschließen.
(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Das machen wir!)
Es ist mit mehreren Tausenden Rückmeldungen aus allen Teilen Deutschlands zu rechnen. Danach wird der Entwurf noch einmal überarbeitet werden. Ich sage noch einmal Danke dafür. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit des Bundesverkehrsministers und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sicherstellen werden, dass es zu einer ernsthaften Auswertung dieser Rückmeldungen kommt und wir am Ende gemeinsam eine sinnvolle Überarbeitung machen.
(Beifall bei der SPD – Gustav Herzog [SPD]: Sehr gut! – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der nächsten Wahlperiode!)
Ich werbe für einen breiten Konsens aller Fraktionen in diesem Hause, dass wir bei den späteren Beratungen über die Ausbaugesetze auch bei steigenden finanziellen Mitteln realistisch bleiben und klare Prioritäten setzen. Dabei werden wir sowohl die Unterstützung der Wirtschafts- und Umweltverbände als auch der einzelnen Bundesländer brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ab 2016 werden wir für die kommenden Jahre ein milliardenschweres Förderprogramm des Bundes starten, mit dem wir den weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur unterstützen werden. Dafür werden – Kollege Claus hat sich gerade dankenswerterweise korrigiert – rund 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Dort, wo es eine Wirtschaftlichkeitslücke gibt, wollen wir technologie- und wettbewerbsneutral den weiteren Ausbau des schnellen Internets fördern.
(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt auf die Kriterien an!)
Unser Ziel bleibt der flächendeckende Ausbau mit schnellem Internet mit einer Geschwindigkeit von 50 Mbit bis 2018.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Kupferkabel!)
Keine Region darf bei der Digitalisierung unserer Gesellschaft abgehängt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Axel Schäfer (Bochum) [SPD]: Sehr wahr!)
Ich hoffe, dass wir am Anfang des nächsten Jahres die ersten positiven Förderbescheide verschicken können. Das muss jetzt schnell und zügig gehen. Dafür brauchen wir beim Bund die entsprechenden Strukturen. Ich baue voll auf Bundesminister Dobrindt, dass er hierfür alles Notwendige vorbereitet hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute beginnen die Beratungen des Haushaltsentwurfs für den Verkehrsbereich und die digitale Infrastruktur für das kommende Jahr. Lassen Sie uns gemeinsam schauen, an welcher Stelle der gute Entwurf noch weiter verbessert werden kann. Ich baue wie immer auf die konstruktive Zusammenarbeit aller Fraktionen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat der Kollege Sven-Christian Kindler für die Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen.
Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht heute um Grundsätze in der Verkehrspolitik. Ehrlich gesagt, Herr Dobrindt, war ich schon etwas überrascht und es hat mich fassungslos gemacht, dass Sie heute wieder eine Kabarettrede gehalten haben. Es kann doch nicht sein, dass Sie hier eine Rede wie in einem bayerischen Bierzelt halten. Wir müssen über die Verkehrspolitik streiten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulli Nissen [SPD]: Das war doch keine Bierzeltrede!)
Es sind zwei Jahre vergangen, Herr Dobrindt – Zeit, Bilanz zu ziehen. Was haben Sie eigentlich gemacht? Wir können sehen, was Sie alles nicht gemacht haben. Zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wurde schon etwas gesagt. Nichts ist passiert. Brücken und Straßen zerbröckeln weiter in diesem Land. Zukunftsweisende Ideen für den ÖPNV, für den Radverkehr, für den Klimaschutz, für die Elektromobilität gibt es nicht. Fehlanzeige! Da ist nichts. Das liegt daran, dass Sie ein zentrales Thema hatten, das Sie sich als CSU-Minister gesetzt haben: die Pkw-Maut. Zum Glück ist diese Pkw-Maut krachend gescheitert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deswegen waren es leider zwei verlorene Jahre der Verkehrspolitik in Deutschland. Das ist Ihre Verantwortung, Herr Dobrindt. Nach zwei Jahren muss man leider feststellen, dass Sie nicht mehr als der Mautminister geworden sind. Sie sind leider kein Verkehrsminister geworden. Anstatt zu begreifen, sich umzustellen und zu sagen: „Okay, das war ein Fehler, wir hören auf damit“, was machen Sie stattdessen? Sie haben heute wieder im Plenum gesagt: Brüssel wird scheitern. Wir sind im Recht. – Ja, hallo, in welcher Welt leben Sie denn eigentlich? Kommen Sie endlich einmal in der Realität an. Das ist doch wirklich absurd und bescheuert, was Sie bei der Pkw-Maut machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Jetzt arbeiten Sie noch an der Wortwahl!)
Wenn man über den Autoverkehr redet, muss man sich vorstellen, dass Sie mit vollem Speed gegen die Wand gefahren sind. Es gab viele Warnungen. Alle haben Sie gewarnt. Sie haben trotzdem weiter Gas gegeben. Dann gab es einen Totalschaden. Jetzt setzen Sie noch einmal zurück und fahren wieder auf die Wand zu. Ich frage mich manchmal: Wann ist es einmal genug? Wann tut es einmal wirklich weh? Wann begreifen Sie endlich, dass es keine diskriminierungsfreie Diskriminierung gibt? Die Wand wird nicht wackeln, der EuGH wird nicht wackeln. Wann begreifen Sie das endlich? Das wird doch wieder vor dem EuGH scheitern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir reden über den Verkehrsetat. Er steigt im Bereich der Straßen. Das stimmt; das haben Sie erwähnt. Aber die Frage ist: Was machen Sie mit den zusätzlichen Geldern? Wenn man sich das im Haushalt ansieht, dann sieht man: Die Mittel für den Neu- und Ausbau von Straßen steigen um 37 Prozent im Soll, die für den Erhalt von Straßen steigen nur um 19 Prozent im Soll. Prozentual gesehen ist die Steigerung beim Neu- und Ausbau also doppelt so hoch. Der Erhalt dagegen ist weiterhin unterfinanziert.
(Sören Bartol [SPD]: Das ist einfach falsch!)
- Guck in den Haushalt, Sören; da steht es drin. Guck dir die Sollzahlen an. Ich zeige ihn dir nachher gerne.
(Sören Bartol [SPD]: Gerne!)
Dazu passen Ihre Sommerlochaktionen, Herr Dobrindt. Während des Sommerlochs 2014 haben Sie sich, ohne das Parlament zu fragen, neue Straßen, vor allem Ortsumgehungen, für 1,7 Milliarden Euro genehmigt. Dieses Jahr haben Sie noch einmal ordentlich draufgepackt und für 2,6 Milliarden Euro 69 neue Straßen genehmigt. Trotz aller Sonntagsreden, die Sie hier über den Erhalt der Straßen halten, zeigt das, wie ich finde, deutlich, dass Sie an der alten Spatenstichideologie festhalten. Der Erhalt ist immer noch unterfinanziert. Ich fordere Sie auf, endlich umzudrehen und umzusteuern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Reinhold Sendker [CDU/CSU]: Das ist doch Steinzeit, was Sie da predigen!)
Pikant ist, dass von diesen 69 Straßen 52 Maßnahmen eigentlich noch einmal im neuen Bundesverkehrswegeplan überprüft werden sollten. Das habe nicht ich mir ausgedacht; das haben Sie sich ausgedacht, Herr Dobrindt. Ihre Grundkonzeption sah vor, dass man keine neuen Fakten schafft. Sie haben jetzt aber neue Fakten geschaffen. Bei vielen dieser Maßnahmen handelt es sich um Ortsumgehungen. Das heißt: Auch das widerspricht der Grundkonzeption des Bundesverkehrswegeplans. Das sind keine notwendigen Lückenschlüsse. Das hat keine überregionale, bundesweite Bedeutung. Das ist keine Knotenbeseitigung. Dass Sie sich hier nun auch noch dafür feiern, den Bundesverkehrswegeplan so zu hintergehen, finde ich schon megadreist.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oberdreist!)
Das hat natürlich einen Grund. Das hängt damit zusammen, dass vor allen Dingen die Länder, besonders Bayern, den Bundesverkehrswegeplan wieder massiv überbuchen wollen. Für den Straßenbereich sind Projekte mit über 100 Milliarden Euro angemeldet. Bayern hat 400 Projekte für die nächsten 15 Jahre angemeldet. Mit der heutigen Finanzausstattung würde das allerdings nicht 15 Jahre dauern, sondern sage und schreibe 160 Jahre, also bis zum Jahr 2175. Da kann man natürlich verstehen, dass der bayerische Minister Dobrindt seinem Land etwas Gutes tun will und die Priorisierung und den „Vordringlichen Bedarf Plus“ über Bord kippt. Man hat somit wieder eine unfinanzierbare Wünsch-dir-was-Liste ohne Priorisierung, was zulasten des Erhalts der Brücken und der Straßen geht. Ich finde, das ist die komplett falsche Antwort der Verkehrspolitik.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie haben sich hier für öffentlich-private Partnerschaften gefeiert, Herr Dobrindt. An Ihrem sogenannten neuen Modell ist allerdings nichts neu. Das ist das alte Verfügbarkeitsmodell. Der Bundesrechnungshof hat es Ihnen oft aufgeschrieben: Diese Projekte werden im Durchschnitt 20 Prozent teurer sein. Man kann sie allerdings auch ohne öffentlich-private Partnerschaften gut im Etat realisieren. Das geht schnell, das geht gut, und das geht vor allen Dingen günstiger.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen finde ich, sollen Sie in diesem Punkt endlich einmal auf den Bundesrechnungshof hören.
Ich möchte noch etwas zum Breitbandausbau sagen. Es war richtig, dass Sie dafür nach zwei Jahren endlich einmal Geld eingestellt haben. Ich halte das aber für keine große Leistung. Denn wir wissen, dass das Geld bei weitem nicht ausreichen wird, um den ländlichen Raum anzuschließen.
Mich besorgt im Übrigen sehr, was die Deutsche Telekom momentan macht; der Kollege Claus hat es angesprochen. Die Telekom will für das Vectoring im wohnortnahen Bereich eine Monopolstellung bei der Bundesnetzagentur erreichen. Es handelt sich dabei aber wieder – das wurde schon gesagt – um die alten Kupferkabel.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dieser alte Schrott!)
Das ist nicht die moderne Infrastruktur, die wir brauchen. Das verhindert den Wettbewerb. Deswegen ist das, was die Deutsche Telekom macht, inakzeptabel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Innovation!)
Das ist keine Innovation, und das wird uns auch nicht beim Breitbandausbau helfen. Denn die Übertragungsraten werden in ein paar Jahren schon viel zu gering sein. Eigentlich sind die Kabel jetzt schon veraltet.
Ich finde, die Große Koalition hat eine wichtige Verantwortung, bei diesem Zukunftsthema nicht zu versagen. Bei Toll Collect, Herr Minister, sind Sie dem Lobbydruck der Telekom erlegen. Ich finde, das darf jetzt nicht wieder passieren.
(Martin Dörmann [SPD]: Das wird die Bundesnetzagentur unabhängig entscheiden!)
- Ich weiß, dass die Bundesnetzagentur unter der Aufsicht des Bundeswirtschaftsministers steht.
(Sören Bartol [SPD]: Die ist unabhängig, Herr Kollege!)
Deswegen hat die SPD eine wichtige Verantwortung. Aber auch Sie, Herr Dobrindt, haben eine wichtige Verantwortung für den Breitbandausbau im ländlichen Raum. Das funktioniert nicht ohne Politik. Ich finde, Sie sollten jetzt Ihren Einfluss nutzen und dafür sorgen, dass der Wettbewerb beim Breitbandausbau im ländlichen Raum gesichert wird, und auf Glasfaser setzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wir reden im Rahmen dieser Haushaltsberatungen auch über die Zukunft unserer Gesellschaft und darüber, wie unser Land in 5, 10 oder 15 Jahren aussehen soll. Ich muss leider sagen, dass ich bei Herrn Dobrindt keine zukunftsweisenden Ideen finde. Da steht nichts zum ÖPNV, da steht nichts für einen wirklichen Klimaschutz, für einen Durchbruch bei der Elektromobilität, für den Ausbau der Schiene, für effektiven Lärmschutz. Das alles müsste jetzt angepackt werden. Stattdessen gibt es leider nur viel Maut, viel Murks bei Herrn Dobrindt. So kann es nicht gehen. Sie müssen endlich umsteuern in der Verkehrspolitik.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Arnold Vaatz ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Arnold Vaatz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 12, über den wir heute reden, ist einer der größten Erfolge in diesem Haushalt 2016. Er ist zugleich der Erfolg von langjährigen kontinuierlichen Bemühungen, den Finanzbedarf im Verkehrsbereich an den tatsächlichen Handlungsbedarf anzupassen, und ich halte das für eine große Teamleistung, an der sehr viele mitgearbeitet haben. Das beginnt bei Minister Dobrindt, bei Herrn Schäuble und endet bei den Haushältern der Großen Koalition. Wir haben hier meines Erachtens wirklich sehr viel geschafft, und dies ist hier nicht der Platz, diese Dinge kleinzureden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Herr Kindler, mir ist bei Ihrer Tirade gegen die Maut aufgefallen, dass Sie sich ganz schön emotional reingesteigert haben. Das macht man nur dann, wenn man sich nicht hundertprozentig sicher ist, dass man recht hat.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb weiß ich nicht, ob Sie hier nicht ein bisschen voreilig gewesen sind. Wenn man genau zugehört hat, dann merkte man, dass Sie eigentlich am Haushalt relativ wenig auszusetzen hatten. Aus diesem Grund haben Sie sich auf andere Themen kapriziert.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört! Mal lieber aufpassen!)
Meine lieben Freunde von den Grünen,
(Zurufe von der SPD: Oh! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So weit ist es noch nicht!)
ich glaube, Sie sollten einmal prüfen, was Sie an altem, abgestandenem ideologischem Krempel aus Ihrem Instrumentarium herauswerfen können. Die Dinge werden jetzt schnell gehen. Wir alle brauchen Platz im Gehirn, Sie auch.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Lieber Herr Claus, auch Sie muss ich kurz ansprechen,
(Roland Claus [DIE LINKE]: Ja!)
weil ich immer wieder staune, woher Sie die Dreistigkeit nehmen, uns so pauschal vorzuwerfen, wir könnten nicht mit Geld umgehen.
(Zurufe von der LINKEN: Oh!)
Diese Vermutung kann man sehr wohl äußern, wenn man selbst schon beeindruckende Beispiele der eigenen Fähigkeit beim Umgang mit Geld hingelegt hat. Aber Sie wissen, wie tragisch Sie gescheitert sind, als Sie vor 25, 26 Jahren versucht haben, die vier Grundrechenarten zu beerdigen.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)
Wer versucht, die vier Grundrechenarten zu beerdigen, der macht die Erfahrung, dass sich diese vier Grundrechenarten nach scheinbar erfolgreicher Beerdigung im Grab umdrehen und Erdbeben verursachen. Da ist Ihnen damals die Bude über dem Kopf eingebrochen.
(Zuruf des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])
Jetzt heißen Sie die Linken. Sie müssten eigentlich die Flinken heißen, weil Sie dreimal den Namen gewechselt haben, um damit nicht mehr in Verbindung gebracht zu werden.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei den LINKEN)
Meine Damen und Herren, es ist meines Erachtens ein sehr leistungsfähiger Haushalt aufgestellt worden. Jetzt ist es unsere Aufgabe – dieser müssen wir uns alle stellen –, schnell an die Arbeit zu gehen.
(Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da merkt man nichts davon!)
Wir müssen dafür sorgen, dass dieses Geld auch an dem Platz, an den es hingehört, ausgegeben und verwendet wird, und das wird kein Spaziergang. Wir brauchen dazu eine Reform der Auftragsverwaltung. Auch das haben wir schon im Koalitionsvertrag bedacht und niedergeschrieben. Es gibt konkrete Überlegungen dazu.
Wir müssen verstehen, dass die gegenwärtigen Auftragsverwaltungen der Länder Defizite aufweisen. Zunächst einmal gibt es das Problem, dass es oftmals unterschiedliche verkehrliche Prioritäten zwischen dem Bund und den Ländern gibt. Das sorgt regelmäßig für Reibung. Die Länder waren sich dessen auch bewusst. Für die Planung und den Bau von Straßenprojekten bedienen sich inzwischen 12 der 16 Länder der DEGES, die als zentrale privatrechtliche Verwaltungsstruktur die Kompetenzen bündelt und enorm erfolgreich ist, zumindest in den neuen Ländern; ich nehme an, das wird auch für die alten Länder gelten.
Wir brauchen eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene Priorisierung. Wir müssen darauf achten, dass die unterschiedlichen Verwaltungsverfahren in den Ländern nicht ständig zu Verzögerungen und Reibungen bis hin zu Blockaden führen. Wir müssen außerdem erreichen, dass der Bund dort, wo er finanziert, auch die Kontrolle über die Ausführung hat. Dies ist im Augenblick nicht gegeben. Die Länder planen, der Bund finanziert.
Was ist die Lösung? Die Finanz- und Aufgabenverantwortung muss in eine Hand. Sie muss in einer Bundesverwaltung zusammengeführt werden. Die Anzahl der Verwaltungsinstanzen in den Planungs- und Baurechtsverfahren muss reduziert werden. Wir können nur mit schnelleren Genehmigungsverfahren und einer zügigeren Planung, zum Beispiel durch eine Instanzenverkürzung bei Klageverfahren, die Infrastrukturprojekte, die wir durchführen müssen, bedarfsgerecht und wirtschaftlich umsetzen.
Wir brauchen eine Infrastrukturgesellschaft des Bundes; Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat das vor drei Tagen hier vorgetragen, und ich möchte das unterstreichen. Des Weiteren ist eine für alle Bundesverkehrswege verantwortliche Planfeststellungsbehörde auf Bundesebene zu schaffen.
Es ist notwendig, dass wir uns über die Prämissen klar werden, die für eine solche strukturelle Veränderung gelten müssen. Selbstverständlich bleibt das Eigentum an den Bundesfernstraßen, Bundesautobahnen und Bundesstraßen, wie bisher beim Bund. Für die Bundesautobahnen muss der Bund die Verwaltung übernehmen. Dazu wird eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft im 100-prozentigen Eigentum des Bundes gegründet. Erforderlich ist also eine Organisationsprivatisierung. Dabei müssen wir nicht die ASFINAG aus Österreich kopieren. Aber wir müssen uns die dortigen Erfolge anschauen und versuchen, eine auf unsere Bedürfnisse zugeschnittene Entsprechung zu schaffen.
Die privatrechtliche Gesellschaft muss die Einnahmekompetenz haben, was die Straßennutzungsgebühren für die Bundesautobahnen angeht. Neben dieser Einnahmequelle muss sie die Möglichkeit haben, privates Kapital von Investoren für Investitionen in den Straßenbau zu akquirieren.
Für die Umsetzung dieser Pläne bedarf es einer Änderung des Grundgesetzes, weil das dort bisher nicht vorgesehen ist. Dafür brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit. Ohne diese strukturellen Veränderungen wird es sehr schwierig, die enormen Mittel, die wir jetzt bereitstellen, an der Stelle unterzubringen, wo sie unserer Gesellschaft und unseren Bürgern den größten Nutzen bringen. Deshalb bitte ich alle, ernsthaft über diese strukturellen Veränderungen nachzudenken. Wir müssen möglicherweise noch über viele Details sprechen; aber dass eine solche strukturelle Änderung notwendig ist, daran kann es meines Erachtens keinen Zweifel geben. Sonst werden wir uns weiter in endlosen Planungs- und Genehmigungsverfahren verheddern und in endlosen Klagewegen stecken bleiben. Wir werden eine Politik des Stillstands haben, wenn wir an dieser Stelle nicht eine Schneise schlagen, wie Bundesminister Schäuble es in dieser Woche vorgeschlagen hat.
Ich möchte noch einen Punkt nennen, bei dem diejenigen, die ähnlich denken wie ich, sich nicht durchgesetzt haben: die Luftverkehrsteuer. Zurzeit ist ein Luftverkehrskonzept in Arbeit. Wir hoffen, dass dort die Rahmenbedingungen für den Luftverkehr in Deutschland fixiert werden und wir so in der Zukunft eine stabile Grundlage für leistungsfähige Airlines, leistungsfähige Flughäfen und einen reibungslosen Flugbetrieb haben werden.
Aber das ist noch nicht alles. Die Luftverkehrsteuer trifft einseitig die Unternehmen, die in Deutschland starten und landen, und das sind unsere inländischen Airlines. Es ist eine ordnungspolitische Fehlleistung, wenn wir deutsche Unternehmen gegenüber ausländischen Wettbewerbern einseitig benachteiligen, um Steuern zu akquirieren. Deshalb werde ich weiter meine Stimme erheben. Ich weiß, dass meine Meinung nicht von allen geteilt wird
(Ulli Nissen [SPD]: Das stimmt!)
und dass wir bis jetzt noch nicht durchgekommen sind.
(Sören Bartol [SPD]: Arnold, du hättest sie gar nicht einführen sollen!)
Aber ich werde das mir Mögliche tun, um darauf hinzuwirken, dass die Luftverkehrsteuer irgendwann einmal fällt. Angesichts der enormen Steuereinnahmen, die wir im Augenblick haben, können wir das, glaube ich, verkraften.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Sabine Leidig das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Sabine Leidig (DIE LINKE):
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Sehr geehrter Herr Minister, wenn ich Sie so reden höre, dann frage ich mich, ob wir in Parallelwelten leben oder ob es mir peinlich sein sollte, dass ich so eine Rede im Deutschen Bundestag, in einem Entscheidungsgremium eines der wichtigsten Länder der Welt, hören muss.
(Hans-Werner Kammer [CDU/CSU]: Das beruht auf Gegenseitigkeit!)
Sie haben auf dem Zettel: mehr Straßen, 80 Prozent mehr Autos auf der Autobahn. Sie wollen keine sichere Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs gewähren,
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wer sagt das denn?)
und noch immer hängen die Länder in der Luft, was die Regionalisierungsmittel angeht.
Ich habe im Sommer viele Städte besucht und über das Thema „öffentlicher Nahverkehr“ geredet. Dort gibt es große Unsicherheit darüber, wie es weitergehen soll. Sie stellen sich hin und behaupten, was Sie hier vorlegen, sei intelligent und modern. Ich kann das nicht erkennen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich habe die Sommerpause zum Lesen genutzt – das hätte ich Ihnen auch empfehlen können –, Sie hingegen haben die Sommerpause dazu genutzt, neue Straßenprojekte zu eröffnen. In der schönen Zeitschrift Das Parlament war Mitte Juli zum Beispiel ein Artikel zum Thema Verkehr zu lesen. Die große Überschrift lautete: „Falsche Anreize“. Darin wird sehr gut dargestellt – auch das Umweltbundesamt hat dieses Thema im Sommer aufgegriffen –, wie Subventionen in den Bereichen Flug- und Lkw-Verkehr systematisch dazu führen, dass die klimaschädlichen CO2-Emissionen, die aus dem Verkehr resultieren, immer weiter steigen. Es wird auch dargestellt, wie notwendig es ist, an diesen Stellschrauben zu drehen, die grundlegende Richtung zu verändern, damit wir eine umweltverträgliche Mobilität entwickeln können. Das wäre wirklich modern.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Meiwald [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das sieht übrigens auch die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land so. Das ist keine avantgardistische Position. In diesem Jahr wurde vom Umweltministerium eine große Studie über das Umweltbewusstsein in Deutschland veröffentlicht. Laut Studie sagen zwei Drittel der Befragten, dass ein hinreichender Umwelt- und Klimaschutz eine grundlegende Bedingung dafür ist, dass die Zukunftsaufgaben, zum Beispiel die Globalisierung, gemeistert werden können.
Angesichts des großen Zuzugs von geflüchteten Menschen aus der ganzen Welt in diesen Monaten ist klar, dass wir uns den großen Fragen, die durch die großen Veränderungen in der Welt aufgeworfen werden, nicht einfach verschließen können. Jetzt geht es vor allen Dingen um Kriege und Krisen. Es gibt aber auch Kriege und Krisen, die sich um Ressourcen wie Erdöl und Seltene Erden drehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn man aus dieser Falle heraus will, dann muss man auf Ressourcenschonung setzen, auf das „neue Mehr“, das weniger bedeutet. Außerdem werden in Zukunft viel mehr Menschen fliehen, weil sich die klimatischen Verhältnisse verändern. Die Klimaflüchtlingswelle wird die nächste große Welle sein, und das wissen die Menschen.
Ein Ergebnis der von mir genannten Studie des Umweltbundesamtes finde ich besonders interessant. Die Politik wird aufgefordert, sozial-ökologische Umbaukonzepte zu entwickeln. Es werden zum Beispiel innovative Konzepte gefordert, die geeignet sind, einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz zu leisten und gleichzeitig zu einer besseren Lebensqualität. Eine große Mehrheit der Befragten, 82 Prozent, betrachtet eine Abkehr vom Autoverkehr und eine Hinwendung zum öffentlichen Nahverkehr sowie zum Fahrradverkehr und zu kurzen Fußwegen als einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität. Damit wird genau das Gegenteil von dem formuliert, was Sie machen. Ich finde, diese 82 Prozent haben recht. Wir fordern, dass ein solcher Weg eingeschlagen wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen und auf die sehr aktuelle Situation der Geflüchteten in diesem Land eingehen. Es ist verrückt, dass diese Menschen, von denen die meisten hier mit fast nichts ankommen, für jede Strecke in der Stadt, die sie nicht zu Fuß bewältigen können, sondern nur mit der S-Bahn, der U-Bahn oder dem Bus, ein Ticket zum Normalpreis lösen müssen. In Berlin sind das mindestens 2,25 Euro. In der Flüchtlingsinitiative, in der ich mitwirke, wird ein Großteil der Spendengelder für Bahntickets oder ÖPNV-Tickets für die Flüchtlinge verwendet. Es gibt eine tolle Initiative der Kolleginnen und Kollegen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft in Berlin. Sie fordern, die Bahn solle mit gutem Beispiel vorangehen – das ist der größte öffentliche Betrieb, den wir haben – und ein A-und-O-Ticket ausgeben – ankommen und orientieren – und damit diesen Menschen die Möglichkeit geben, kostenlos mit dem ÖPNV zu fahren, ohne sich strafbar zu machen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir finden diese Idee sehr gut. Das wäre zumindest ein kleiner Beitrag, um Mobilität für alle sicherzustellen.
Ich finde, dass die Bahn darüber hinaus von ihrem Eigentümer animiert werden sollte, darüber nachzudenken, welche Liegenschaften für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden könnten, da viele Gebäude leer stehen.
Herr Minister, Ihre Sommerlochaktivitäten zielten in die falsche Richtung. Ich wünsche mir sehr, dass Sie jetzt, da der Parlamentsbetrieb und der politische Betrieb wieder richtig losgehen, solche Initiativen ergreifen und damit einen Beitrag zur Verbesserung dieser Gesellschaft leisten.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich erteile das Wort der Kollegin Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Bettina Hagedorn (SPD):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Herr Minister, es ist eine Freude, einen solchen Etat hier in der ersten Lesung vorstellen zu dürfen. Dieser Etat ist das Ergebnis unserer gemeinsamen Anstrengungen in der Großen Koalition, von Herrn Schäuble und uns Haushältern. So ist es uns möglich, das in Deutschland dringend erforderliche Geld bereitzustellen und für eine nachhaltige Finanzierung zu sorgen. Ich bin froh, dass wir mit dieser positiven Erkenntnis in die Haushaltsberatungen starten können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Zahlen, die im Einzelnen ausreichend erwähnt worden sind, möchte ich kurz zusammengefasst darstellen: Schon im Haushaltsjahr 2015 – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – haben wir deutlich mehr Investitionsmittel bereitgestellt, als das zuvor der Fall war. Wir haben es hinbekommen, im Entwurf des Haushalts 2016 eine weitere Aufstockung der Mittel um über 2 Milliarden Euro vorzusehen. Wer fragt: „Wo sind die denn?“, dem sei gesagt: Diese Mittel stehen nicht komplett im Einzelplan 12, sondern zum Teil auch im Einzelplan 60; denn dort ist das 10-Milliarden-Euro-Paket eingestellt. Aber über 1,3 Milliarden Euro aus diesem 10-Milliarden-Euro-Paket fließen schon 2016, und darauf können wir gemeinsam stolz sein.
(Beifall bei der SPD)
Was hier noch nicht erwähnt worden ist, ist Folgendes: Wir haben im Juli aus Brüssel die Zusage bekommen, dass wir 1,7 Milliarden Euro aus CEF-Mitteln erhalten werden, überwiegend für Bahnprojekte in Deutschland, die von europäischer Bedeutung sind.
(Beifall bei der SPD)
‑ Ja, das ist einen Applaus wert. – Das bedeutet, dass wir in den nächsten Jahren 1,7 Milliarden Euro, die wir schon zur Verfügung gestellt haben, für weitere Investitionen in den Bereichen Schiene und Wasserstraße frei haben.
(Beifall bei der SPD)
Das heißt, wir haben das geschafft, was uns die Bodewig- und die Daehre-Kommission zu Recht ins Stammbuch geschrieben haben, auch dank der Aufstockung der Mautmittel – der Lkw-Mautmittel wohlgemerkt – auf 4,6 Milliarden Euro in diesem Jahr, die wir zu 100 Prozent für Investitionen zur Verfügung stellen und die – das haben wir uns vorgenommen – ab 2018 sogar noch einmal um 2 Milliarden Euro steigen sollen, wenn wir die Lkw-Maut auf alle Bundesfernstraßen ausweiten. Wir stabilisieren damit den Verkehrsetat nachhaltig und sind in der Lage, die Schularbeiten endlich richtig grundsolide zu machen.
(Beifall bei der SPD)
Das einzige Nadelöhr, das wir tatsächlich haben, ist nicht fehlendes Geld, sondern sind Planungskapazitäten. Ich möchte ausdrücklich sagen: Das, was wir im Moment nicht wirklich brauchen, ist privates Geld; denn wir sind in der Lage, genug öffentliches Geld bereitzustellen. Darauf bin ich auch stolz.
Privates Geld brauchen wir im Moment nicht. Aber wir haben einen enormen Fachkräftemangel, und der, lieber Kollege Vaatz, wird durch das, was Sie hier skizziert haben, nicht wirklich behoben. Ich muss Ihnen sagen: Ich finde das ein bisschen bedauerlich. Sie haben ein sehr sensibles Thema auf eine Art und Weise angeschnitten, dass es mich als Koalitionspartner reizt, etwas dazu zu sagen, was ich sonst nicht getan hätte. Ich finde, Sie haben hier mit einer massiven Stellungnahme in ein laufendes Verfahren zum Thema Bundesfernstraßenverwaltung und Konzentration eingegriffen. Dieses Thema ist noch längst nicht abgearbeitet.
Die von Ihnen genannte Grundgesetzänderung, die Sie anstreben und die viele für erforderlich halten, kann es nur geben, wenn wir in diesem Haus bei diesem Thema beieinanderbleiben; denn eine Grundgesetzänderung – bitte vergessen Sie das nicht – erreichen wir niemals mit Ideologisierung, sondern nur mit breiter Zustimmung im Bundestag und im Bundesrat.
(Beifall bei der SPD)
Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen sagen: Es gibt viele Vorschläge zu diesem Thema, die es wert sind, gelesen zu werden. Der Bundesrechnungshof hat im April auf Wunsch der Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses Bemerkenswertes dazu aufgeschrieben: Wir sind für eine Reform, ja. Wir sind nicht mit dem Status quo zufrieden, ja. Eine Entflechtung der Zuständigkeiten kann enorme Effizienzgewinne bringen. – Das schreibt der Bundesrechnungshof. Dass der Bund das Geld gibt und die Länder es ausgeben, ist nicht wirklich das, was sich der Bundesrechnungshof wünscht. Aber er sagt auch: keine Mammutbehörde – damit haben wir nur schlechte Erfahrungen gemacht ‑
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und keine sinnlose Zentralisierung, sondern eine klare Verteilung zwischen Bund und Ländern, die man neu stricken muss. Da mag es dann Zuständigkeiten auf Bundesebene geben, beispielweise für die Autobahnen oder für ein von nationalem Interesse gekennzeichnetes Netz. Aber dann muss es auch darum gehen, Aufgaben an die Länder zu geben und dort Geld und Planung in einer Hand zusammenzuführen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Nur so können wir Effizienz erzielen. Dazu muss man mit den Ländern reden.
Sie wissen, Herr Kollege Vaatz, dass die Länderverkehrsminister Herrn Bodewig erneut beauftragt haben, hierzu etwas zu erarbeiten. Er hat gerade erst die Arbeit aufgenommen; den Auftrag hat er im Juli bekommen. Wer in Deutschland wirklich etwas verändern will, der wartet jetzt erst einmal auf die Ergebnisse, und dann schauen wir einmal. Wir müssen natürlich mit den Ländern reden. Ich bin bei Ihnen, dass wir etwas ändern wollen, aber bitte nicht, indem man an dieser Stelle Porzellan zerschlägt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe es schon gesagt: Das wirkliche Nadelöhr, Herr Dobrindt, sind überall die Planungskapazitäten. Das gilt für Straße, Schiene und Wasserwege. By the way: Wir planen im Moment in Deutschland auch noch die 380-kV-Trassen. Für alle diese Planungsvorhaben wird exakt das gleiche Planungspersonal gebunden, gerade auch in den Ländern. Man muss einmal sagen – auch das gehört zur Wahrheit dazu ‑: Es war falsch, in den letzten zehn Jahren in der ganzen Bundesrepublik massiv Personal einzusparen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN -Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das war völlig falsch!)
Wir Sozialdemokraten haben wegen großer Sparzwänge leider teilweise dabei mitgemacht. Aber ich muss schon sagen, dass der Ruf nach Privatisierung und nach einer Entkräftung der öffentlichen Hand maßgeblich von Ihnen mit Ihrem damaligen Koalitionspartner, der FDP, vorangetrieben worden ist.
Ich finde, das muss man hier einmal sagen. Wir müssen da umsteuern. Wir müssen die öffentliche Hand wieder stärker machen.
Wir brauchen gutes Personal. Das müssen wir erst einmal anwerben; denn die Fachkräfte im Bereich Ingenieurswesen und in den technischen Berufen werden auch von der Wirtschaft gebraucht. Im Übrigen hat durchaus auch schon die DEGES ein paar Probleme, gute Leute zu bekommen. Sie werden vor allen Dingen in der Wirtschaft hoch bezahlt. Wir als Haushälter haben das erkannt. Schon im letzten Jahr haben wir gemeinsam einen Maßgabebeschluss gefasst, in dem wir Sie, Herr Dobrindt, bitten, eine außertarifliche Bezahlung für technisches Personal in unserer eigenen Bundesbehörde – das ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung – zu ermöglichen; denn wir sehen, dass wir die Bauvorhaben, die auch bei den Wasserstraßen erforderlich sind,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
nicht realisieren können, wenn wir da nichts tun. Wir haben 85 Stellen für Ingenieure und für technisches Personal geschaffen, und zwar in der Fläche und nicht in Bonn.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bonn ist ja auch am Rhein!)
Herr Minister, es gibt den Fortschrittsbericht zur Reform der WSV, über den in den Gremien, auch im Rechnungsprüfungsausschuss, noch diskutiert werden wird. Ich sehe den Bericht sehr kritisch, weil Sie an dieser Stelle nicht zügig genug gehandelt haben. Ich muss sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Sie schreiben allen Verkehrsministern in den A-Ländern im Moment gerne ins Stammbuch, dass sie nicht genug Planungsvorräte haben. Herr Minister, die Wahrheit ist, dass viele Mittel für Wasserstraßen und Schleusen in den letzten Jahren von Ihrem Haus für Straßen ausgegeben worden sind, weil Sie nicht in der Lage waren, die Mittel für Wasserstraßen auszugeben. An dieser Stelle wünsche ich mir mehr Ehrgeiz, mehr Konsequenz. Die Wasserstraßen werden wir im Auge behalten; denn auch sie sind wichtig für die Daseinsvorsorge, wenn zum Beispiel Güter von der Straße auf die Wasserwege umgeleitet werden. Das ist ein Ziel, Herr Minister, das wir gemeinsam anpacken wollen.
Danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Nun hat das Wort die Kollegin Valerie Wilms für die Fraktion BÜNDNIS 90/Die Grünen.
Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Tja, aus diesem Verkehrsetat kann man nur einen einzigen Schluss ziehen: Der zuständige Minister ist überfordert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Je länger er überfordert ist, desto mehr rüstet er verbal auf und drischt auf die Grünen ein, auf unseren guten Verkehrsminister Winne Hermann in Baden-Württemberg; etwas anderes fällt ihm nicht ein.
(Lachen bei der CDU/CSU)
Herr Dobrindt redet viel über Bürgerbeteiligung und Modernisierung, aber viel mehr als Schönfärberei kann ich nicht erkennen. Auf Ihre Bürgerbeteiligung beim Bundesverkehrswegeplan bin ich gespannt; denn im Dezember soll der Kabinettsbeschluss stehen. Irgendwie klappt das nicht so ganz, Bürgerbeteiligung innerhalb einiger weniger Wochen abzuarbeiten.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mehr als Schönfärberei haben Sie wirklich nicht zu bieten.
Jetzt schauen wir uns einmal Ihren Verkehrsetat in den Details an. Sie reden gerne von „Erhalt vor Neubau“. Das haben Sie auch heute wieder gemacht. Das ist und bleibt bei Ihnen aber nichts als eine Floskel. In der Realität steigen die Mittel für den Neubau von Straßen doppelt so stark an wie die Gelder für den Erhalt. Da wird nicht umgesteuert. Es geht einfach so weiter wie bisher.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Unsere Straßen und Brücken werden also weiterhin bröckeln, während Millionen in bayerische Umgehungsstraßen mit nur lokaler Bedeutung versenkt werden. Ist es Ihnen nicht wenigstens ein bisschen peinlich, das Geld für die teuerste Umgehungsstraße Bayerns ausgerechnet in Ihren Wahlkreis zu lenken?
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Denen nicht!)
Es geht um Oberau.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)
Sie greifen dreist in die Kasse, wenn es der politischen Landschaftspflege dient. Das finde ich absolut unverschämt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE] – Ulrich Lange [CDU/CSU]: Peinlich! Ganz Peinlich!)
Aber es kommt noch schlimmer. Erst heben Sie die Umgehung Oberau in den Haushalt, und kaum steht sie da drin, wird sie 18 Prozent teurer. Innerhalb von einem Jahr kostet sie plötzlich stattliche 31 Millionen Euro mehr. Das nenne ich Selbstbedienung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gleichzeitig zeigen Sie Ihre völlige Überforderung bei den entscheidenden Fragen in der Verkehrspolitik. Eines ist inzwischen unbestritten: Wir müssen mehr Verkehr auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verlagern. Jeder sieht doch, was für Lkw-Lawinen auf unseren Autobahnen unterwegs sind. Da ist längst die Schmerzgrenze erreicht. Es muss umgesteuert werden. Aber Sie haben kein Konzept, geschweige denn eine Lösung. Fehlanzeige!
Wir warten auf Vorschläge. Aber dafür müssten Sie sich mit etwas anderem als mit Ihrer CSU-Maut zur Diskriminierung der Ausländer und mit Ortsumgehungen in Bayern beschäftigen. Sie sollten endlich verstehen, dass Sie seit bald zwei Jahren Bundesverkehrsminister sind, also nicht nur für das bayerische Wohlergehen zu sorgen haben, sondern für das Wohlergehen der Menschen in der ganzen Bundesrepublik Deutschland, in Europa. Das haben Sie scheinbar absolut verdrängt. Übernehmen Sie dafür endlich die Verantwortung!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist ziemlich unverschämt, was Sie da sagen! Ziemlich unverschämt! – Gegenruf des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Wahrheit tut weh!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehen wir uns doch einmal an, wie es wirklich aussieht. Die umweltfreundlichen Verkehrsmittel geraten immer mehr unter Druck. Die Bahn schafft es nicht, die Mittel zu verbauen. Viele wichtige Projekte für umweltfreundliche Transporte kommen nicht voran. Auch bei den Wasserstraßen ist das so; Kollegin Hagedorn hat ja eben schon gewisse Ansätze aufgezeigt. Da kann man zwar behaupten, dass es nur um Schleswig-Holstein geht. Aber ganz so ist es nicht. Nur ein Viertel der Mittel wurde bei den Wasserstraßen tatsächlich genutzt. Da können Sie nicht auf die Auftragsverwaltung der Länder schimpfen, Herr Minister. Da hilft es auch nichts, in irgendwelchen Unterlagen zu blättern.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das ist Ihre Aufgabe, die Sie nicht erfüllen!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Ein einziges Desaster ist auch der kombinierte Verkehr. Nur ein knappes Fünftel der Mittel konnte tatsächlich genutzt werden. Seit Jahren klappt es nicht mit der Verlagerung auf die Schiene. Und was machen Sie? Sie schauen sich das achselzuckend von der Seitenlinie aus an.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dem Verkehrsminister ist die Erfolglosigkeit der eigenen Förderprogramme offensichtlich ganz egal. Zumindest das Finanzministerium – Herr Kollege Spahn, das könnten Sie ja jetzt einmal angehen – ist aufgewacht und prüft, was man hier verändern muss. Dafür wird es auch wirklich allerhöchste Zeit.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Minister muss ein paar grundsätzliche Vorschläge machen, wie die Probleme zu lösen sind. Mit Geld allein wird das nicht funktionieren. Sie müssen schon an die Strukturen heran. Dazu müssen Sie jetzt in die Vollen gehen und dürfen Ihr Ministerium nicht mit der Pkw-Maut beschäftigen. Aber da habe ich meine Zweifel. Mit der gescheiterten Maut haben Sie Ihr ganzes Pulver verschossen. Es sieht so aus, als ob Ihnen für die Lösung der wirklichen Probleme jetzt die Kraft fehlt. Der Verkehrsetat vergibt die meisten Mittel, um unser Land durch Investitionen zu gestalten. Aber Sie missbrauchen ihn, um sich selbst und Ihre Günstlinge zu beglücken. Einen solchen Verkehrsetat, einen solchen Verkehrsminister hat unser Land nicht verdient.
Herzlichen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Unser Land hat nicht so eine Opposition verdient! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Ei, ei, ei!)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort hat nun der Kollege Reinhold Sendker – der das vermutlich sofort richtigstellen wird – für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Reinhold Sendker (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Ihnen antworten, Frau Kollegin: Unser Land hat auch eine bessere Opposition verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim Erhalt und beim Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur stehen wir vor gewaltigen Aufgaben; das ist heute schon betont worden. Ich nenne vor allem die Brückensanierungsarbeiten überall in Deutschland, mittlerweile mit einem Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen. Das ist weiß Gott nicht neu. Neu ist in unserer Haushaltsplandebatte die Wortschöpfung „Investitionshochlauf“. Nun haben wir endlich mehr Geld für Investitionen in Straße, Schiene und Bundeswasserwege zur Verfügung.
Verehrter Herr Kollege Claus von der Fraktion Die Linke, bei uns ist das Geld nicht in schlechten Händen. Das Geld ist in sehr guten Händen. Gerade der Verkehrsetat, meine Damen und Herren, sorgt für Prosperität unserer Volkswirtschaft, für Arbeit, für Wachstum und im Ergebnis für Wohlstand. Das muss unser Ziel als Parlamentarier sein.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Glauben Sie eigentlich selber, was Sie da sagen?)
- Ja, ich glaube das. Ich nenne Ihnen auch gleich die Zahlen. Wir werden im nächsten Haushaltsjahr, 2016, 1,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben; der Minister hat es gesagt. 2018 wird es einen weiteren Anstieg auf 14 Milliarden Euro geben. Wenn man an den Anfang der 17., also der letzten Wahlperiode zurückdenkt, stellt man fest: Damals waren es 50 Prozent weniger. Ich muss Ihnen sehr deutlich sagen: Über die Jahre gesehen ist das ein klarer Erfolg der Arbeit unserer Großen Koalition und – das muss einmal gesagt werden – ganz besonders unseres Ministers Alexander Dobrindt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für 2019 sind weniger Investitionsmittel eingestellt. Das ist aber keineswegs ein Rückfall. Denn durch die Umsetzung unserer Koalitionsbeschlüsse zur Lkw-Maut auf den Bundesstraßen kann der Bund dann über 2 Milliarden Euro zusätzliche Mittel generieren, die im Finanzplan noch nicht angesetzt sind.
Der Investitionshochlauf geht also über die Jahre weiter. Wir können in den nächsten Jahren das von Professor Bodewig und Dr. Daehre aufgezeigte Delta der Unterfinanzierung schließen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dann auch ein erfolgreicher Abschluss unserer Arbeit in der Koalition und macht Hoffnung auf die Fortsetzung einer guten Politik.
Entscheidend bleibt aber, dass vor allem mit Blick auf die Zukunftsinvestitionen des Bundes für die Jahre 2016, 2017 und 2018 jetzt tatsächlich mehr investiert wird. Nun müssen wir die Bundesländer bitten, ihre Planungen voranzutreiben, die Baureife herzustellen, kurzum: die Hausaufgaben zu machen. Für das, was die Grünen eben gesagt haben, gilt:
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gut, oder?)
Dabei lassen wir die Umgehungsstraßen im ländlichen Raum, die bitter notwendig sind, nicht von Ihnen in dieser Debatte diskreditieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie sich mal den Koalitionsvertrag durch!)
Eine verbesserte Finanzausstattung ist das eine in dieser Debatte zur Feststellung des Bundeshaushalts. Das andere ist: Wir haben in den beiden Jahren als Koalition schon viel erreicht, meine Damen und Herren. So haben wir als Koalition die überjährige Verfügbarkeit der Verkehrsinvestitionsmittel durchgesetzt, ganz im Sinne einer effizienten Verwendung der Gelder für unsere Verkehrsträger. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für diese Praxis haben wir lange gekämpft. Das ist ein echter Fortschritt, und deshalb sollten wir auch konsequent daran festhalten.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat zudem beschlossen, ab 2016 sämtliche Maut- und Steuermittel für den Bundesfernstraßenausbau durch die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, unsere VIFG, zu bewirtschaften. Ich nenne das ein starkes Signal für mehr Effizienz und Transparenz, mit Vorteilen für alle, vor allem für das Parlament. Es muss auch einmal gesagt werden, dass die bundeseigene Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mit verhältnismäßig wenig Personal eine ganz hervorragende Arbeit leistet.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nun zu den dringend notwendigen Erhaltungsinvestitionen: Für die Modernisierung unseres Schienennetzes stehen in diesem und in den nächsten Jahren sage und schreibe 28 Milliarden Euro zur Verfügung: 20 Milliarden vom Bund und 8 Milliarden aus Eigenmitteln der Bahn AG. Das ist ein absolutes Rekordniveau durch die Fortsetzung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Schiene. Damit können in den nächsten Jahren 875 Brücken voll- oder teilerneuert werden. Das ist eine gute Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Systems Schiene. Darüber hinaus generiert die Bahn AG bekanntlich auch Nutzungsentgelte, und ich stelle fest: Insgesamt gesehen ist das weiß Gott eine starke Finanzausstattung angesichts unserer Zielsetzung, hochleistungsfähige Mobilitätsnetze zu erhalten.
Für die dringende Brückenerneuerung beim Verkehrsträger Straße stehen in den nächsten Jahren 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Angesichts der 50 000 Brückenbauwerke in der Baulast des Bundes müssen wir aber auch die Bitte äußern – und ich bedanke mich für Ihre Zusage, Herr Minister, die Sie heute Morgen gegeben haben; das war unüberhörbar –, die Erhaltungsmittel bei Bedarf weiter zu erhöhen. Denn Erhalt und Instandsetzung dieser Anlagen muss für uns oberste Priorität haben, und das hat sie auch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Zu den Zahlen, Frau Kollegin Wilms: Sie haben gesagt, es gebe mehr Neubau als Erhalt. Ich bitte Sie, die richtigen Zahlen zu verwenden. Im Bedarfsplan 2015 – das sind die Mittel, die wir jetzt als Verfügungsrahmen haben – haben wir 1,2 Milliarden Euro für den Ausbau und fast 2,9 Milliarden Euro für den Erhalt vorgesehen. Nach Adam Riese ist das ein Verhältnis von 30 : 70. Damit ist die klare Priorität: Erhalt vor Neubau.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Auch die klare Perspektive unseres Ministers für die neue Generation von ÖPP-Projekten bedeutet im Ergebnis mehr Qualität und mehr Leistungsfähigkeit bei den Bundesfernstraßen und setzt gleichzeitig Wachstumsimpulse. Sie haben eben von den Vergütungsmechanismen gesprochen, die verbessert worden sind, Herr Kollege Kindler. Was der Bundesrechnungshof zu dem Wechsel der Verkehrsmengenprognose hin zur Verfügbarkeit der Konzessionsstrecken tatsächlich gesagt hat, würde ich gerne zitieren, Herr Präsident. Zitat: „Dadurch erhöht sich auch die Validität der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung.“
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber es wird trotzdem nicht wirtschaftlich, sagt der Bundesrechnungshof! Sie müssen ihn schon richtig zitieren! Er sagt weiter, dass es nur wirtschaftlich wirken wird!)
Ich sage: Genau das wollen wir. Auch der verbesserte Leitfaden zur Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, den wir gefordert haben, liegt mittlerweile vor.
In unserem Koalitionsvertrag haben wir weiter vereinbart, ÖPP mittelstandsfreundlicher zu gestalten.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja nicht passiert!)
Der sehr geschätzte Kollege Sebastian Hartmann und ich sind federführend dabei, diese Zielsetzung gemeinsam umzusetzen.
Wer öffentlich-private Partnerschaften grundsätzlich ablehnt,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen die Rechnungshofberichte einmal lesen, und zwar richtig!)
der möge sich doch einmal mit der Frage beschäftigen, verehrte Kollegen der Grünenfraktion, wie die Lage ohne die mit ÖPP ausgebauten Fernstraßen bzw. sich im Bau befindlichen Projekte wäre.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Solide Haushaltspolitik! Günstiger und gut!)
Auf der Straßenkarte für Deutschland wäre deutlich mehr Stau erkennbar,
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch!)
es gäbe deutlich mehr Engpässe und einen deutlich größeren volkswirtschaftlichen Schaden.
Man muss auch einmal daran denken, dass die Landesverwaltungen zu wenige Planungsressourcen haben. Politik beginnt ja bekanntlich mit der Wahrnehmung der Realität. Deshalb muss ich fragen: Wollen wir die Menschen tatsächlich zehn Jahr länger im Stau stehen lassen? Ich sage: Die Prüfung von ÖPP war und bleibt für uns richtig, absolut zielführend und unverzichtbar.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist trotzdem unwirtschaftlich!)
In Bezug auf das Thema „Lärmschutz an Straße und Schiene“, auf das NIP, das Nationale Investitionsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, und auf andere innovative Projekte kann unsere Koalition zur Halbzeit feststellen, dass sie investiv auf einem guten Weg ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Sendker, darf die Kollegin Hagedorn noch eine Zwischenfrage stellen?
Reinhold Sendker (CDU/CSU):
Bitte schön, Frau Kollegin Hagedorn.
Bettina Hagedorn (SPD):
Sehr geschätzter Herr Kollege Sendker, Sie haben gerade eben einige Behauptungen zu ÖPP aufgestellt, über die es in diesem Hause durchaus geteilte Auffassungen gibt.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen sagen, dass ich mit Ihrem Kollegen Norbert Brackmann – andere Kollegen waren auch dabei – in diesem Sommer bei der Hasfinag in Österreich war. Die Hasfinag ist ja auch von Ihrem Kollegen Vaatz hier vorhin als vorbildlich gelobt worden. Dort gebe es manches, wovon wir lernen können. Das sehe ich übrigens genauso.
Fakt ist aber, dass sich die Hasfinag von PPP-Projekten verabschiedet hat, nachdem ein einziges Projekt durchgeführt wurde. Wir haben auch die Aussage der Hasfinag gehört, dass sie nicht vorhat, das weiterzuführen, und dass sie von PPP nichts hält.
Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen sagen, dass wir als Rechnungsprüfungsausschuss den Minister und den Bundesrechnungshof gebeten haben, bis Ende dieses Jahres gemeinsam festzustellen, wie die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung eines Vorhabens auszusehen hat, damit das Haus und der Bundesrechnungshof attestieren können, dass es in Ordnung und für PPP-Projekte geeignet ist. Wir haben im Koalitionsvertrag nämlich festgelegt, dass wir nur dann PPP-Projekte durchführen wollen, wenn sie sich als wirtschaftlicher erwiesen haben.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin.
Bettina Hagedorn (SPD):
Sie sind im Moment noch nicht in der Lage, diesen Beweis zu führen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Ich finde es nicht respektvoll von Ihnen, dass Sie nicht abwarten, bis diese Untersuchungen abgeschlossen sind.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Reinhold Sendker (CDU/CSU):
Sehr verehrte Kollegin Hagedorn, Sie wissen, dass wir hier in Deutschland sehr positive Erfahrungen mit den ÖPP-Projekten gemacht haben, die abgeschlossen sind bzw. gerade laufen.
(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Nein, eben nicht! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)
Das zeigt zunächst einmal, dass die Projekte eine sehr gute Qualität haben. Deshalb frage ich: Was ist hier kritikwürdig? Außerdem wurden alle Projekte vorzeitig abgeschlossen – teilweise zehn Jahre eher als nach der Planung der Landesbauverwaltungen.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt auch nicht!)
Daneben ist zu betonen, dass die Landesverwaltungen die notwendigen Ressourcen teilweise gar nicht zur Verfügung stellen könnten. Es wäre sonst also gar nicht möglich, zu bauen.
Schließlich muss ich Ihnen sagen: All das, wovon ich eben gesprochen habe – der Ausbau von mittlerweile 700 Kilometern Straße in Deutschland; manches ist noch im Bau befindlich –, hätten wir ohne ÖPP nicht.
Der letzte Vorwurf kam von Herrn Kindler oder Frau Kollegin Dr. Wilms – meine Reaktion darauf darf ich in die Beantwortung Ihrer Frage mit einfließen lassen –, wonach mehr ausgegeben worden sei. Nach der Istberechnung des Ministeriums waren es tatsächlich ganze 7 Millionen Euro mehr und nicht 1,9 Milliarden Euro oder 1,4 Milliarden Euro. Diese 1,4 Milliarden Euro sind ja auf die Verkehrsmengenberechnung zurückgeführt worden. Der Bundesrechnungshof hat sehr deutlich gesagt – da sollten Sie einmal genau zuhören, Frau Kollegin –, das Ministerium liege schief.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Schönreden! – Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden sich das schön!)
Wir stellen heute fest: Die Verkehrsmengenprognose war absolut richtig. Das gilt damit auch für die Istwerte.
Gewöhnen Sie sich einmal daran, Ihre ideologische Sicht ein klein wenig an die Seite zu rücken,
(Bettina Hagedorn [SPD]: Wer ist hier ideologisch gewesen? Ich bin Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist völlig ideologisch! Eine ideologische Position haben Sie!)
verehrte Kollegen der Grünen, und den Blick für eine richtige Bewertung von öffentlich-privaten Partnerschaften freizubekommen, die uns in diesen Jahren deutlich weiterbringen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich komme zurück zum NIP, dem Nationalen Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Hier geht es uns darum, die Marktvorbereitung neuer Technologien zu beschleunigen. Daran müssen wir im Interesse deutscher Wettbewerbsfähigkeit konsequent festhalten.
Herr Präsident, ich komme zum Ende. – Die Verkehrspolitik dieser Regierung in Deutschland ist weder Hochstapelei noch Stillstand, sondern ein Investitionshochlauf, wie wir ihn in diesem Etat in einem Bundeshaushalt noch nicht erlebt haben. Was wir im Zusammenhang mit der Zukunftsfähigkeit unserer Verkehrsanlagen bereits erreichen konnten, zeigt, dass die Koalition richtig gut unterwegs ist. Ich freue mich daher auf die Ausschussberatungen und danke Ihnen für Ihre Frage und für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Hartmann [SPD])
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Martin Dörmann ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Martin Dörmann (SPD):
Sofort. – Dazu kommt noch, dass mit diesen Milliarden zusätzlich private Investitionen in Milliardenhöhe angeregt werden sollen. Wenn man dann noch hinzurechnet, dass unabhängig davon die Unternehmen die Netze modernisieren und dass jetzt auch – das war unsere Forderung – der LTE-Ausbau beinahe flächendeckend erfolgt, dann geht insgesamt ein zweistelliger Milliardenbetrag in den Netzausbau.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie einmal in den ländlichen Raum!)
Jetzt möchte ich gerne die Zwischenfrage der Kollegin Rößner zulassen.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich mache allerdings schon darauf aufmerksam, dass das die letzte Zwischenfrage ist, die ich zu diesem Einzelplan zulassen möchte. – Bitte schön.
Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Kollege Dörmann. Sie haben eben angemahnt, dass die Opposition eine ordentliche Politik machen und sich kritisch mit Ihnen auseinandersetzen solle. Das würden wir gerne tun, wenn zum Beispiel endlich das Förderprogramm für den digitalen Infrastrukturausbau vorgelegt würde. Die Kriterien sind überhaupt nicht klar. Genau davon hängt doch ab, ob man in diesem Zusammenhang von Zukunftsfähigkeit sprechen kann oder nicht. Deshalb interessiert es mich, ob Sie uns die Kriterien hier und heute darlegen können.
Martin Dörmann (SPD):
Ich bedanke mich, Frau Kollegin Rößner, für die Zwischenfrage. – Herr Dobrindt hat mehrfach bekundet, dass nun die Rahmenbedingungen zum Erreichen unserer Ausbauziele tatsächlich gesetzt sind. Ich habe gerade dargestellt: Uns stehen mehrere Milliarden Euro von Bund und Ländern sowie private Investitionen zur Verfügung, damit wir wirklich einen Riesensprung machen können.
Aber ich stimme Ihnen zu: Es kommt jetzt darauf an, dass wir die Förderprogramme so stricken, dass dabei ein möglichst optimaler Hebeleffekt entsteht. Ich darf Ihnen sagen – das habe ich bei Minister Dobrindt gerade nachgefragt -: Heute geht genau dieser Entwurf des Bundes für eine Förderrichtlinie an die Länder. Das heißt, es besteht in den nächsten Tagen und Wochen die Gelegenheit, die Vorschläge miteinander abzugleichen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dann das, was vonseiten der Regierung geplant ist, in Kürze zu einem entsprechenden Kabinettsbeschluss führen und umgesetzt werden wird. Genau das werden wir in den nächsten Tagen erleben.
(Beifall bei der SPD)
Frau Kollegin Rösler, jetzt habe ich durch Ihre Frage sogar eine Seite gespart. Ich wollte nämlich genau darauf hinweisen, dass es jetzt auf die richtige Ausgestaltung dieser Förderrichtlinie ankommt. Es erscheint uns dabei wichtig, dass die abschließenden Gespräche mit den Ländern dafür genutzt werden, eine schnelle Umsetzung und eine enge Verzahnung mit den Länderprogrammen sicherzustellen.
(Beifall bei der SPD)
Es ist gut und richtig, dass ein Scoring-Modell vorgesehen ist, das die Förderung an den von uns vorgesehenen Ausbauzielen orientiert. Gleichzeitig ist natürlich darauf zu achten, dass die Umsetzung von Projekten zügig und unbürokratisch erfolgen kann und dass für die Antragsbearbeitung die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung stehen.
(Beifall der Abg. Kirsten Lühmann [SPD])
Die Fördermöglichkeiten sollten so justiert werden, dass sie bei den unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor Ort auch greifen können, dass also beispielsweise sowohl ein Deckungslückenmodell als auch ein Betreibermodell ermöglicht wird.
Bei der Umsetzung der Breitbandstrategie – ich glaube, da sind wir uns sowieso einig – kommt den Kommunen eine ganz entscheidende Rolle zu; denn vor Ort müssen letztendlich die Investitionsentscheidungen in Gang gesetzt werden. Deshalb begrüßen wir es, dass beabsichtigt ist, möglichst kurzfristig zusätzliche Beratungsmöglichkeiten für Kommunen bereitzustellen, damit diese in der Lage sind, die Antragsstellung schnell und sorgfältig zu erledigen.
(Beifall bei der SPD)
Besonders hervorheben will ich – soweit ich jedenfalls ahne, was in den Richtlinien steht –, dass unsere Forderung aufgegriffen wurde, dass die Kommunen, die in Finanznöten sind, höhere Förderungen bekommen. Damit ist sichergestellt, dass beispielsweise auch Kommunen, die sich in einem Haushaltssanierungskonzept befinden, die Möglichkeit erhalten, Breitband auszubauen; denn wir wollen es ja flächendeckend in alle Kommunen dieser Republik bringen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, die Koalition hat sich nicht nur ehrgeizige Ziele gesetzt, wir liefern auch. Wir haben nun in einem Maßnahmenpaket die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass schnelles Internet für alle auch tatsächlich verwirklicht werden kann.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Das Wort erhält der Kollege Norbert Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Norbert Brackmann (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute Morgen den Einzelplan 12, Verkehr und digitale Infrastruktur.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ach ja!)
Dieser ist aber nur ein Teilstück eines Gesamtwerkes. Es ist ein Teilstück, das es dieser Regierung ermöglicht, Deutschland ein Stück weit in die Zukunft zu bringen. Dazu gehören zwei große Teile. Der eine Teil ist der Bereich Bildung und Forschung, der schon seit vielen Jahren einen überproportionalen Aufwuchs erfährt. Wir schaffen es jetzt mit dieser Finanzplanung für die nächsten Jahre auch für den Bereich Infrastruktur einen genau solchen zukunftsgerichteten Haushalt auf die Beine zu stellen und damit Deutschland für die Zukunft fit zu machen. Das ist ein Verdienst dieser Großen Koalition. Das muss, glaube ich, vorweggeschickt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Dabei geht es nicht nur um die einzelnen Verkehrswege. Es geht nicht darum, beispielsweise mehr Schienen – oder Ähnliches – zu bauen. Wir haben den Verkehrsetat Schiene kräftig – um 390 Millionen Euro für das nächste Jahr – erhöht. Aber wir haben auch Schwerpunkte gesetzt. Das Geld fließt in die Verbesserung des Lärmschutzes. Es fließt in die Verbesserung der Barrierefreiheit an den einzelnen Stationen. Auch fließt es in ein neues Seehafen-Hinterland-Programm. Das ist eine gute Sache. Man sieht daran, dass wir uns auch inhaltlich weiterbewegen und die Sorgen und Nöte der Menschen ernst nehmen.
Das Gleiche gilt für die Wasserstraßen. Auch hier werden wir 50 Millionen Euro mehr in die Hand nehmen. Natürlich werden wir in den Ausbau und den Erhalt der Wasserstraßen investieren. Wir werden aber – das werden die Haushaltsberatungen im Detail zeigen – eben auch daran denken müssen, dass es bei Verkehr und Infrastruktur nicht nur darum geht, in Asphaltwege und Deiche zu investieren, sondern auch darum, Zukunftsinnovationen durchzuführen. Deswegen wird eine der Herausforderungen sein, dass wir etwas für die Logistik tun, dass wir nach dem Auslaufen des Programms ISETEC II einen neuen Anlauf unternehmen und für Innovationen sorgen, dass wir für die Verwendung umweltfreundlicherer Treibstoffe auf Ost- und Nordsee sorgen, indem wir einen Akzent beispielsweise auf LNG-Produktion bzw. Verarbeitung und Nutzung setzen. Das werden in den zukünftigen Beratungen Schwerpunkte sein, meine sehr verehrten Damen und Herrn.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir werden natürlich auch in die Bundesfernstraßen investieren. Hier werden die Mittel ebenfalls kräftig nach oben gefahren. Der Verkehrsminister hat schon einen deutlichen Akzent gesetzt.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Allerdings!)
Ich bin ihm besonders dafür dankbar, dass er am Beispiel der A 9 gezeigt hat, dass es in Wirklichkeit nicht nur darum geht, einzelne Verkehrswege auszubauen. Vielmehr hat er begriffen – das setzt er auch in praktisches Handeln um –, dass die Verknüpfung aller Systeme, nicht nur derjenigen, die dem Transport von Gütern dienen, sondern auch derjenigen, die dem Transport von Daten dienen, Arbeitsplätze schafft, Zukunftschancen bietet und aus unserer Infrastruktur eine zukunftsgerichtete und moderne Infrastruktur macht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich will aber auch nicht verschweigen, dass wir einige Probleme haben. Auch derer müssen wir uns annehmen. Wir diskutieren heute in erster Lesung über den Haushalt, das Geld, die Ressourcen, die wir zur Verfügung stellen. Wir stellen fest, dass wir in einigen Bereichen erheblichen Nachholbedarf haben, weil das Geld, das wir zur Verfügung stellen, noch nicht einmal ausgegeben werden kann.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!)
Es mangelt an Projekten. Das hat unterschiedliche Gründe. So haben wir im Bereich der Fernstraßen das Problem – das wurde bereits angesprochen –, dass die Landesbauverwaltungen oft nicht in der Lage sind, uns baureife Projekte zu liefern. Wenn ich daran denke, dass fast allen Ländern nach der ersten Tranche, die in diesem Jahr vergeben wurde, die baureifen Projekte finanziert werden, dann stelle ich vorsorglich die Frage, welche Projekte als Nächstes kommen sollen. Wenn wir den Schrei der Länder nach mehr Geld vernehmen und ihnen dann sagen: „Wir haben das Geld; nun gebt es doch aus“, und die Länder dann Carte blanche machen, dann zeigt das, dass auch auf Länderseite Defizite bestehen; das muss man ganz deutlich so sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich habe vorhin nicht ohne Grund den Hinweis gegeben, dass es eine Verbindung zwischen der Infrastruktur sowie Bildung und Forschung gibt. Auch Bildung und Forschung befinden sich zumindest in der Breite im Aufgabenkreis der Länder. Wenn man einen Blick über die Verkehrsträger hinaus wirft, dann stellt sich die Frage: Worin bestehen die Probleme der Länder, und in welchen Bereichen, in denen wir als Bund verantwortlich sind – zum Beispiel bei den Bundeswasserstraßen –, bestehen Probleme? Uns fehlen in Deutschland schlichtweg die Planungskapazitäten. Noch deutlicher gesagt: Uns fehlen in Deutschland Ingenieure.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)
- Das Ja hört sich gut an.
(Ulli Nissen [SPD]: Ein betrübliches Ja!)
Das ist zunächst einmal eine klare Beschreibung. Aber was tun wir, um diesen Mangel zu beheben? Ausweislich der Studierendenstatistik für das Bauingenieurwesen – Bachelor und Diplom – gab es im Jahr 2000 6 399 Absolventen und im Jahr 2013 3 860 Absolventen. Wenn über einen so langen Zeitraum die Zahl der Bauingenieurabsolventen sinkt, dann dürfen wir uns über die Folgen nicht wundern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
An der Universität in Kiel zum Beispiel kann man Gender Studies oder friesische Philologie, aber nicht Bauingenieurwesen studieren. Das zeigt ganz deutlich, wo zukünftig in Deutschland Mangel herrschen wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen uns der Zukunft widmen und begreifen, dass es nicht um einzelne Verkehrswege geht. Eigentlich ist schon der Name des Ministeriums nicht richtig; denn es geht nicht allein darum, einzelne Verkehrswege sowie die digitale Infrastruktur auszubauen. Vielmehr müssen wir begreifen, dass es sich hier um ein Infrastrukturministerium handelt, das ein Stück weit unsere Zukunft mitgestalten soll und muss. Dafür müssen wir mit diesem Haushalt die Grundlagen legen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen kommt natürlich auch dem Breitbandausbau eine besondere Bedeutung zu. Deswegen müssen wir aber auch die Dinge sehen – wir diskutieren hier in diesen Tagen nicht nur über Einzelpläne –, die uns im Moment im wahrsten Sinne des Wortes überrennen. Aber wenn wir auch hier einmal ein Stück weit in die Zukunft schauen, dann müssen wir davon ausgehen, dass ein nennenswerter Teil der Flüchtlinge länger- oder auch langfristig in Deutschland bleiben wird. Wenn wir diese Menschen bei uns erfolgreich integrieren wollen, dann müssen wir ihnen auch Arbeitsplätze bieten, dann müssen wir auch heute die Grundlage dafür legen, dass diese Form der Integration vollendet werden kann. Genau dafür ist eine moderne Infrastruktur wichtig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Eine moderne Infrastruktur ist sicherlich nicht alles; aber ohne eine moderne Infrastruktur ist alles nichts.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Udo Schiefner ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Udo Schiefner (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute Morgen schon vieles dazu gehört, wie groß und wichtig der Investitionsetat für Verkehr in Deutschland ist.
Ich möchte gerade als Berichterstatter für Güterverkehr, Transport und Logistik einen Blick darauf richten, warum wir auf eine zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur angewiesen sind. Die Antwort lautet: Moderne Verkehrsinfrastruktur macht Transportdienstleistungen erst möglich.
(Beifall des Abg. Andreas Rimkus [SPD])
Transport und Logistik bilden das Rückgrat unserer Industrie, unserer Wirtschaft, unseres täglichen Lebens. Der jährliche Umsatz der Logistikbranche hat sich in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt, auf fast eine viertel Billion Euro, und es wird auch so weitergehen, wenn man den Prognosen glauben kann.
Dennoch – dies muss man feststellen – funktioniert unsere Infrastruktur für alle Verkehrsträger gerade noch so. Wir haben ein großes Straßen- und Schienennetz, viele Kanäle, See- und Binnenhäfen, Flughäfen und Anlagen für den kombinierten Verkehr. Dies ist aber für die Zukunft nicht in Stein gemeißelt, sondern es wird darauf ankommen, dass wir hier dem wachsenden Bedarf in den nächsten Jahren angemessen begegnen. Dafür haben wir im Koalitionsvertrag die Weichen gestellt, was sich auch in diesem Einzelplan niederschlägt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Dem wachsenden Bedarf müssen wir heute begegnen. Brücken- und Schleusensperrungen zum Beispiel – dies ist bereits angesprochen worden – beeinträchtigen den Verkehr schon jetzt enorm. Die Kollegin Hagedorn hat es auf den Punkt gebracht: Der Bund muss gerade dort, wo er direkte Verantwortung trägt, diese Verantwortung auch wahrnehmen, damit sanierungsbedürftige Wasserstraßen ganz schnell so saniert werden, dass beispielsweise ein Containerschiff, das 2 500 Lkws ersetzt, dort fahren kann und damit diese Fracht von der Straße auf den Wasserweg bringt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Generell gilt: Damit unsere bestehende Infrastruktur leistungsfähig bleibt, müssen Investitionen gezielt dort eingesetzt werden, wo der größte Nutzen und der Bedarf bestehen. Es sei mir als Nordrhein-Westfale erlaubt, kritisch anzumerken, dass diesem Ziel noch nicht immer hundertprozentig entsprochen wurde. Da, denke ich, müssen wir kräftig nacharbeiten.
(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])
Deutschlands wirtschaftliche Zukunft hängt davon ab, dass Logistik- und Verkehrssysteme effizient im umfassenden Sinne werden. Der nächste entscheidende Schlüssel ist dabei die Digitalisierung. Dies wurde auch im Beitrag des Kollegen Dörmann deutlich. Dass beispielsweise Hafenkräne Container zentimetergenau umsetzen, dass Lkws exakt bereitstehen, Waren auf Ladeflächen ihre Position und ihren Zustand weitergeben, Roboter Ladungen automatisch sortieren, hört sich für einige nach Zukunftsmusik an; andere meinen, so sei es doch bereits heute.
Tatsächlich sind wir aber von optimal verzahnten Produktions- und Logistikketten, in denen alles synchron läuft, weit entfernt. Hier werden wir mit entscheidenden Maßnahmen ansetzen und auch in den nächsten Jahren weiter darauf setzen. Denn gerade kleine und mittlere Logistiker müssen dafür erheblich investieren. Ohne öffentliche Unterstützung ist dies kaum zu schultern. Sie sind auf unsere Hilfe angewiesen, und diese Hilfe werden wir geben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Letzter Punkt – Kollege Brackmann hat es bereits angesprochen –: Wir sind auf leistungsfähiges Personal angewiesen, das den Anforderungen der Branche gerecht wird. Logistik schafft und sichert anspruchsvolle Arbeitsplätze. Fast 10 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten in der Logistikbranche, etwa 2,8 Millionen Menschen. Fast ein Drittel von ihnen fahren auf unseren Straßen. Die eigentlichen Stützpfeiler unseres wirtschaftlichen Erfolges sitzen also hinter dem Lenkrad. Anerkennung und Wertschätzung erhalten sie dafür kaum. Im Gegenteil: ihre Arbeit hat unberechtigt ein schlechtes Ansehen, wie ich finde. Die Branche leidet an Nachwuchsmangel.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege
Udo Schiefner (SPD):
Deshalb müssen wir – das ist mein letzter Satz – die Rechte und Möglichkeiten dieser Branche und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken und müssen vor allen Dingen das Nomadentum auf den Autobahnen und Rastplätzen Deutschlands beseitigen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Letzte Rednerin zu diesem Einzelhaushalt ist die Kollegin Rita Hagl-Kehl für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Rita Hagl-Kehl (SPD):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nicht mit allen verkehrspolitischen Debatten, die in dieser Legislaturperiode schon geführt wurden, haben wir uns europapolitisch Lorbeeren verdient.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Mit dem vorliegenden Entwurf für den Einzelplan 12 ist das anders. Ohne zu übertreiben, kann man sagen: Es ist ein echter europäischer Verkehrshaushalt. Mit der Neukonzeption der Transeuropäischen Netze wurde Ende 2013 ein Anreizsystem für die EU-Mitgliedstaaten geschaffen, national verstärkt in solche Verkehrsprojekte zu investieren, die einen besonders hohen Nutzen für die europäische Vernetzung haben. Es geht dabei um solche Projekte, die in besonders hohem Maße zum Zusammenwachsen der Menschen und Volkswirtschaften in Europa beitragen. Dass dieses Anreizsystem ausgezeichnet funktioniert, sieht man deutlich auch an diesem Haushaltsentwurf.
Um Fördermittel der EU zu erhalten, müssen die Projekte, wie bei solchen Programmen üblich, eine ganze Reihe von Kriterien erfüllen. Eine Voraussetzung ist, dass sie in den nationalen Haushalten zunächst einmal voll ausfinanziert sein müssen. Durch diese Fördermechanik entfalten die eingesetzten EU-Mittel nicht nur eine enorme Hebelwirkung, sondern es werden auch nationale Egoismen in ihr Gegenteil verkehrt. Es gilt nämlich: Derjenige, der viele Zuschüsse erhalten will, muss auch besonders viel „europäisch“ bauen, also viel mehr Projekte ausfinanzieren, als am Ende gefördert werden. Weil das so ist, sind die Transeuropäischen Netze ein gutes Beispiel wider den Europa-Pessimismus: Sie zeigen ganz konkret, dass wir Europa brauchen, dass Europa funktioniert und dass Europa leistungsfähig ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Im vorliegenden Entwurf des Einzelplans finden sich folgerichtig zahlreiche Vorhaben mit hoher europäischer Vernetzungswirkung. Wer seine Hausaufgaben macht, der darf sich besonders freuen: Im Juli teilte die EU-Kommission mit, dass 17 Projekte, bei denen das Verkehrsministerium Antragsteller war, in der Konkurrenz um die Fördermittel erfolgreich waren. Im Ergebnis profitiert der Verkehrsetat bis 2020 von EU-Zuschüssen in einer Höhe von über 1,6 Milliarden Euro. Das beruht zuallererst auf sehr, sehr guter Arbeit, die da im Ministerium geleistet wurde, und auf diese gute Arbeit will ich hier auch einmal ausdrücklich hinweisen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Besonders freut mich, dass dieses Geld komplett in das Schienennetz und in die Wasserstraßen fließt. Über 95 Prozent der Projekte sind im Bereich der Eisenbahninfrastruktur angesiedelt. Für unser Ziel, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu bringen, ist dies ein zukunftsweisendes Zeichen. Ich will hier nur 4 der 17 Projekte exemplarisch aufgreifen: den Ausbau der Bahnstrecke Karlsruhe-Basel, die Hinterlandanbindung der Fehmarnbelt-Querung, den Ausbau der Bahnstrecke Freilassing-Salzburg und der Bahnstrecke von Horka in Sachsen bis zur polnischen Grenze.
Um diese Erfolgsgeschichte zu Ende zu schreiben, sollten wir im Sinne einer nachhaltigen Verkehrspolitik in den bevorstehenden Beratungen zwei Dinge berücksichtigen:
Erstens sollten wir unbedingt sicherstellen, dass diese Mittel, die durch die EU-Förderung im Haushalt frei werden, weiterhin demjenigen Verkehrsträger zugutekommen, für den sie eingestellt wurden, also hauptsächlich der Schiene.
(Beifall bei der SPD)
Zweitens wünsche ich mir als Fachpolitikerin eine noch bessere Nachvollziehbarkeit, was die Zahlungen der EU im Verkehrshaushalt angeht. Hier gilt wie immer – besonders wenn es um investive Mittel geht –: Je mehr Transparenz und je mehr Kostenrealismus wir haben, umso besser können wir Parlamentarier arbeiten.
Ich bin optimistisch, dass es in den Beratungen gelingt, diese beiden Punkte noch zu stärken. Am Ende können wir mit Fug und Recht von einer großzügigen europäischen Signatur dieses Verkehrshaushaltes sprechen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Ich schließe damit die Aussprache zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Einzelplan 16, auf.
Das Wort hat die zuständige Bundesministerin, Frau Dr. Hendricks.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Unruhe)
‑ Warten Sie bitte noch einen kleinen Augenblick, bis wir den Schichtwechsel ordnungsgemäß erledigt haben. – Bitte schön.
Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der
122. Sitzung – wird am
Montag, den 14. September 2015
auf der Website des Bundestages unter „Dokumente“, „Protokolle“, „Endgültige Plenarprotokolle“ veröffentlicht.