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Auf Antrag der SPD-Fraktion hat der Bundestag in einer rund 75-minütigen Debatte über die Auswirkungen eines gesetzlich festgelegten Mindestlohnes beraten. CDU/CSU und FDP lehnten mit Verweis auf den Wegfall von bis zu 1,5 Millionen Arbeitsplätzen geschlossen die Einführung einer flächendeckenden Lohnuntergrenze ab. "Ein Mindestlohn in Deutschland hätte nur ein Ergebnis - Jobvernichtung“, sagte die CDU-Arbeitsmarktexpertin Gitta Connemann in der Aussprache am Freitag, 23. April 2010. Die SPD-Fraktion will mit ihrem Antrag (17/1408) Lohndumping verhindern und gegen eine weitere Ausweitung des Niedriglohnsektors vorgehen. Auch Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke befürworteten gesetzliche Mindestlöhne, allerdings in unterschiedlicher Höhe.
Die SPD-Arbeitsmarktexpertin Andrea Nahles sagte: "Wir unterstützen die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes nach einem Mindestlohn von 8,50 Euro.“ Den Koalitionsfraktionen warf sie vor, komplett die guten Erfahrungen in anderen europäischen Ländern mit gesetzlichen Mindestlöhnen zu ignorierten. Auch tariftreuen Unternehmen mache Lohndumping zu schaffen, sagte Nahles. Das gefährde den freien Wettbewerb.
Die SPD-Fraktion schlägt vor, dass eine unabhängige Kommission, die aus Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie mit Wissenschaftlern besetzt wird, die Höhe eines Mindestlohnes festlegen soll. Nahles betonte, besonders wichtig sei die Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Lohnuntergrenze. Das solle vom Zoll übernommen werden. "Nur wenn alle sich an die Spielregeln halten, wirkt ein Mindestlohn nicht wettbewerbsverzerrend“, betonte die SPD-Politikerin.
Die SPD-Fraktion verweist in ihrem Antrag darauf, dass Deutschland inzwischen in Europa zu den Ländern mit dem höchsten Anteil an Niedriglohnbeschäftigung zählt. Nach offiziellen Angaben arbeiteten 2008 etwa 6,65 Millionen Menschen als Niedriglohn-Jobber und verdienten damit weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohnes. "Menschen, die Vollzeit arbeiten, müssen von ihrer Arbeit auch menschenwürdig leben können“, heißt es in dem Antrag.
Die CDU-Abgeordnete Connemann widersprach der SPD-Fraktion. "Ein Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze“, sagte sie. Geringqualifizierte hätten keine Chance mehr am Arbeitsmarkt, wenn sich der Faktor Arbeit weiter verteuere. Zudem müssten die unterschiedlichen Regionen in Deutschland auch differenziert behandelt werden. Connemann verwies darauf, dass es zwar in etwa 20 europäischen Staaten einen Mindestlohn gebe, der Durchschnittslohn aber 4,08 Euro pro Stunde betrage. Deshalb solle die Lohnfindung in Deutschland auch weiterhin den Tarifpartnern überlassen werden. Das Prinzip habe sich bewährt, sagte Connemann. "Wir in der Union wollen Mindestlöhne, aber branchenbezogene.“
Auch ihr Fraktionskollege Max Straubinger zeigte sich überzeugt, Mindestlöhne beschädigten die Tarifautonomie und würden deutliche Wettbewerbsnachteile für Unternehmen bringen. Der CSU-Arbeitsmarktexperte betonte, dass in Ländern mit einem gesetzlichen Mindestlohn wie in Frankreich oder Großbritannien die Jugendarbeitslosigkeit doppelt so hoch wie in Deutschland sei. Das zeige die hohen Einstiegshemmnisse durch eine gesetzliche Lohnuntergrenze, sagte er.
Die FDP-Arbeitsmarktexpertin Gabriele Molitor zitierte aus einer Studie des ifo-Wirtschaftsinstitutes. Danach würde die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes bis zu 1,5 Millionen Arbeitsplätze kosten, sagte sie. Den Mindestlohn-Befürwortern hielt sie vor, den Zusammenhang zwischen Produktivität und Entlohnung außer Kraft setzen zu wollen.
"Schon 25 Mal haben wir hier im Bundestag über Mindestlöhne diskutiert“, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Brigitte Pothmer. Doch erst 5,6 Prozent aller Beschäftigten seien vor Lohndumping geschützt. "Mit diesem Tempo brauchen wir noch 20 weitere Legislaturperioden, um Menschen abzusichern.“ Damit werde das Vertrauen in die Politik nicht gestärkt. Entschieden wies Pothmer das Argument der Koalitionsfraktionen zurück, dass Geringqualifizierte durch einen Mindestlohn von Arbeitslosigkeit bedroht seien. Das Gegenteil sei der Fall.
Der Abgeordnete der Fraktion Die Linke, Werner Dreibus, betonte: "Wer Vollzeit arbeitet, muss davon auch leben können.“ Jährlich würden mit 3,9 Milliarden Euro aus der Staatskasse Dumpinglöhne subventioniert, weil Unternehmen den Menschen Armutslöhne zahlten. "Das ist völlig inakzeptabel“, sagte Dreibus
Er unterstrich die Forderung seiner Fraktion nach einem gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde, der damit über der von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ermittelten Niedriglohngrenze liege.
In ihrem Antrag verlangt die SPD-Fraktion außerdem die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes auf alle Branchen, um drohende Billigkonkurrenz aus den EU-Beitrittsstaaten zu verhindern. Damit werden ausländische Arbeitgeber verpflichtet, in Deutschland zwingend geltende Arbeitsbedingungen und Mindeststandards wie Arbeitsschutzmaßnahmen einzuhalten.
Ein Mindestlohn sei auch notwendig, weil die Tarifbindung von Unternehmen in den vergangenen Jahren in Deutschland weiter rückläufig gewesen sei, heißt es in dem Antrag. So gälten Tarifverträge nur noch für 61 Prozent aller Arbeitsverhältnisse. In den übrigen EU-Staaten sei die Tarifbindung deutlich höher und reiche von 70 Prozent in Portugal bis 99 Prozent in Österreich.