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Sie ist die jüngste weibliche Abgeordnete im Bundestag und schon deshalb mediale Aufmerksamkeit gewohnt: Agnieszka Brugger, 27 Jahre alt, ist 2009 über die Landesliste Baden-Württemberg für Bündnis 90/Die Grünen ins Parlament eingezogen. Kandidiert hatte sie im oberschwäbischen Wahlkreis Ravensburg. Sie ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und abrüstungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion.
Als "Paradiesvogel“ ist sie bezeichnet worden, als "schrillste Politikerin Deutschlands“. Klar, Agnieszka Brugger geborene Malczak trägt ein Lippen-Piercing und malt sich hin und wieder ein Ein-Tages-Tattoo ins Gesicht, das fällt auf im Parlament. Doch viel bemerkenswerter als ihr Körperschmuck ist die Frau selbst: jung, klug, nachdenklich, selbstsicher.
24 ist sie, als sie 2009 - noch als Agnieszka Malczak - über die Landesliste Baden-Württemberg für Bündnis 90/Die Grünen in den Bundestag einzieht; schon deshalb bekommt sie viel mediale Aufmerksamkeit. Und die zu nutzen, dafür ist sie schon damals Politprofi genug. In einem Kurzporträt der "Deutschen Welle“ sieht man die Tübinger Politikstudentin, wie sie zum ersten Mal nach ihrer Wahl durchs Reichstagsgebäude läuft. Neugier, gespannte Erwartung und viel Selbstbewusstsein strahlt sie aus.
Eine steile Karriere für die Tochter polnischer Eltern, die als Anhänger der Solidarność-Bewegung 1989 nach Dortmund auswandern. Vier Jahre alt ist die kleine Agnieszka damals, und in Deutschland heimisch zu werden, nicht so leicht.
Da ist der Lehrer, der im Unterricht Polenwitze reißt, die Lehrerin, die beim Elternabend zur Mutter sagt, ihre Tochter werde nie eine Eins in Deutsch bekommen. Für Brugger, das hat sie des Öfteren erzählt, ist es eine besondere Genugtuung, als sie später im Abitur im Deutschleistungskurs mit 15 Punkten die Bestnote bekommt.
Sie lässt sich nicht unterkriegen von solchen Alltagsdiskriminierungen, im Gegenteil. Man darf vermuten, dass es diese prägenden Kindheitserfahrungen sind, die in ihr den Ehrgeiz wecken, allen zu zeigen, was in ihr steckt. Sie sind wohl auch der Schlüssel für ihr politisches Engagement.
"Ich bin sehr sensibel für Ungerechtigkeiten“, so Brugger über Brugger. Es habe sie geärgert, dass sich zu wenige Politikerinnen und Politiker für die Anliegen junger Menschen eingesetzt hätten. "Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass das Gemeckere nichts bringt, dass man sich selbst engagieren muss, wenn man etwas verändern will.“
Ihre politische Heimat findet sie bei den Grünen, wegen deren "lebendiger Debattenkultur“, wie sie sagt, "und weil die Grundwerte einfach stimmen: Ökologie, soziale Gerechtigkeit, Friedenspolitik“. Mit 19 wird sie Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen und der "Grünen Jugend“; dort erkennt man rasch ihr enormes politisches Talent. Schon 2005 nimmt sie am Trainee-Programm der Partei unter Leitung des heutigen Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer teil.
Während ihres Studiums (Politikwissenschaften, Öffentliches Recht und Philosophie) an der Uni Tübingen nimmt ihre politische Karriere Fahrt auf. Brugger engagiert sich unter anderem im Allgemeinen Studierendenausschuss (ASta) und im Senat der Universität, ist Redakteurin der Mitgliederzeitschrift von Bündnis 90/Die Grünen und wird im Mai 2007 Landesvorsitzende der "Grünen Jugend“ in Baden-Württemberg.
Da ist es nicht mehr weit bis zur Kandidatur für den Bundestag: Im September 2008 wird Brugger einstimmig zur grünen Direktkandidatin im Wahlkreis Ravensburg nominiert und einen Monat später auf Platz elf der Grünen Landesliste gewählt. Dass sie es aber wirklich in den Bundestag schafft, ist dann doch eine Überraschung und dem bundesweiten Höhenflug der Grünen zu verdanken.
Zweieinhalb Jahre ist das nun her, und ihre Zwischenbilanz des Abgeordnetendaseins fällt durchaus positiv aus. "Die Arbeit macht mir viel Spaß, und man kann wirklich etwas bewegen, auch aus der Opposition heraus“, erklärt Brugger, die Mitglied im Verteidigungsausschuss und abrüstungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist. Auch damit hat sie sich, wie so oft in ihrem Leben, durchgesetzt, denn das Politikfeld Sicherheits- und Friedenspolitik wollen viele besetzen in ihrer Fraktion.
Kundus-Affäre, Aussetzung der Wehrpflicht, Rücktritt des damaligen Verteidigungsministers zu Guttenberg – Brugger erlebt all das hautnah mit, sitzt als Mitglied des Verteidigungsausschusses auch im Kundus-Untersuchungsausschuss.
Die Abschaffung der Wehrpflicht fordert sie schon lange; dass sich die Bundesregierung jetzt zumindest für ihre Aussetzung entschieden hat, sieht sie auch als Erfolg grüner Politik; allerdings, fügt sie gleich hinzu, sei die konkrete Umsetzung "handwerklich sehr schlecht gemacht“.
Das klingt überzeugt und überzeugend, und man glaubt ihr gerne, dass sie heute nicht mehr vor allem ihres Alters, sondern ihres politischen Fachwissens wegen als Interviewpartnerin gefragt ist. Fast spannender zu beobachten aber ist ihre Reaktion auf Fragen, die nichts mit Verteidigungspolitik oder dem politischen Tagesgeschäft zu tun haben.
Manchmal entsteht dann eine Pause, bevor sie antwortet, sie lauscht der Frage nach, wägt ihre Gedanken, wählt ihre Worte sorgsam. Es macht Spaß, ihr dabei zuzusehen, weil sie so authentisch wirkt, so unverstellt, und man hofft, dass sie sich das bewahren wird im Berliner Politikbetrieb. (nal)