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Sie machte Schlagzeilen als erste Abgeordnete, die ihr Baby mit ins Plenum nahm: Judith Skudelny, die über die Landesliste Baden-Württemberg der FDP in den Bundestag eingezogen ist, sitzt im Umweltausschuss und ist Mitglied der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“. Als sie im Herbst 2008 auf Platz zwölf der Landesliste nominiert wurde, schien es eher unwahrscheinlich, dass sie damit ins Parlament einziehen würde.
Mit Baby in den Plenarsaal? Darf die das überhaupt? Die Saaldiener waren sich da nicht so sicher. Erst als der damalige FDP-Fraktionsvorsitzende Dr. Guido Westerwelle an die Seite seiner frisch in den Bundestag gewählten Fraktionskollegin eilte, gaben sie die Tür frei. Und so kam es, dass Judith Skudelnys damals vier Monate alte Tochter am 27. Oktober 2009 als erstes Baby in der Geschichte der Bundesrepublik an einer konstituierenden Sitzung des Parlaments teilnehmen durfte.
Klar, dass das für Aufsehen sorgte. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ befragte gleich die Mutter („Ich muss mich wirklich sehr bei Guido Westerwelle bedanken, er hat mich intensiv unterstützt und findet es selbstverständlich, wenn Babys dabei sind“).
Und in der „Bild“-Zeitung, so erzählt Skudelny, war ihr Bild neben dem einer gepiercten Abgeordneten und dem eines Parlamentariers mit Fliege zu sehen – frei nach dem Motto ‚Exoten im Bundestag’. Bei der Erinnerung daran verzieht Skudelny ein wenig das Gesicht.
Sicher, ein wenig mediale Aufmerksamkeit zu Beginn des Abgeordnetendaseins habe nicht geschadet. Gefreut hat sie sich auch über die vielen Zuschriften von Frauen, die begeistert waren von dem Auftritt der jungen Abgeordneten mit Säugling.
Das sei die positive Aussage des Ganzen gewesen, so Skudelny. Doch die habe sie nicht machen wollen. Eigentlich habe sie gar keine Aussage machen wollen. Sie sei halt mit ihrem Kind arbeiten gegangen, so sehe sie das.
Man glaubt es ihr gern. Skudelny hat ihren eigenen Kopf und macht das, was sie für richtig hält. Und das soll ihr, bitte schön, niemand vorhalten. Diese Haltung entspricht auch ihren politischen Überzeugungen, die sie schon früh bei der FDP ihre politische Heimat haben finden lassen.
„Ich finde die liberalen Gedanken gut – den Gedanken der Eigenverantwortung ebenso wie eine so große Freiheit für die Bürger wie möglich und so wenige staatliche Vorschriften wie nötig“, erklärt sie. „Jeder soll so leben können, wie er will, solange er sich nicht strafbar macht.“
Den Anspruch, dass zu einem selbstbestimmten Leben die Möglichkeit gehört, auch mit kleinen Kindern einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, teilt die Juristin und begeisterte Reiterin natürlich mit vielen Frauen ihrer Generation.
Anders als viele andere hat sie sich aber auch schon früh politisch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eingesetzt – unter anderem im Rat ihrer Heimatgemeinde Leinfelden-Echterdingen, in dem sie seit 2004 Mitglied ist.
Das Bundestagsmandat mit Baby war dann so aber nicht geplant. Als ihre Chancen dank des damaligen Höhenfluges der Liberalen stiegen, war sie bereits schwanger. Das Mandat wegen des Babys aber gar nicht erst anzunehmen, das komme überhaupt nicht infrage, sagte sie kurz nach der Bundestagswahl den „Stuttgarter Nachrichten“.
Zweieinhalb Jahre ist das nun her, und ihre damalige Entscheidung hat die 36-Jährige mit dem modischen Kurzhaarschnitt keine Sekunde bereut. „Mir macht die Arbeit sehr viel Spaß. Und ich empfinde es als große Ehre, Abgeordnete zu sein. Wer hat denn schon die Chance mitzuerleben, wie der Bundestag funktioniert, und tatsächlich ein bisschen was zu verändern“, sagt sie.
Faszinierend findet sie am Bundestag vor allem, „dass ich an alle Informationen komme, die ich brauche und haben möchte. Diese Möglichkeit, sich direkt an der Quelle schnell und objektiv zu informieren, ist beeindruckend und ein absolutes Privileg.“
Eigentlich wäre Skudelny gern in den Familienausschuss gegangen, um auch dort das Thema Vereinbarkeit von Job und Familie voranzutreiben, aber nach dem Wirbel um ihr Baby im Plenarsaal entschied sie sich für den Umweltausschuss. „Ich will nicht auf das Kind reduziert werden“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ damals.
Doch das Thema Kinder lässt die Insolvenzverwalterin auch im Umweltausschuss nicht los. Als Berichterstatterin unter anderem für das Thema Lärmschutz war sie intensiv mit der Arbeit an einem Gesetzentwurf befasst, nach dem Kinderlärm künftig kein Grund mehr zur Klage ist.
Mit dem Ergebnis ist Skudelny überaus zufrieden: „Ich glaube, dass wir eine sehr gute Gesetzesänderung verabschiedet habe, weil sie sich eben nicht nur auf Kindertagesstätten und Kindergärten bezieht, sondern auch auf Spielplätze. Dafür habe ich mich sehr stark eingesetzt.“
Und sie hat bewegte Zeiten erlebt im Umweltausschuss. Die umstrittene Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke etwa, die im Oktober 2010 vom Bundestag verabschiedet oder, wie Kritiker monieren, „von der Bundesregierung durchs Parlament geprügelt“ wurde. Diese Sichtweise kann Skudelny überhaupt nicht nachvollziehen.
„Von dieser Entscheidung bin ich nicht überfahren worden. Ich habe sie sogar aktiv mitgestaltet“, sagt sie bestimmt. „Ich gehöre auch zu denjenigen, die die Laufzeitverlängerung durchaus positiv fanden. Dass sie wieder rückgängig gemacht wurde, halte ich hingegen für ein Wagnis.“ Eins ist klar: Der Typ, der sein Fähnchen nach dem Wind der öffentlichen Meinung hängt, ist Skudelny nicht. (nal)