Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2012
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur geplanten Verbunddatei gegen Rechtsextremismus (17/8672) stößt bei Experten auf ein unterschiedliches Echo. Dies wurde am Montag, 19. März 2012, bei einer Sachverständigenanhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) deutlich. Während dabei mehrere Experten die Vorlage begrüßten, äußerten andere Bedenken gegen die Vorlage.
Der Vizepräsident beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Alexander Eisvogel, betonte, die aktuelle Bedrohung durch den Rechtsextremismus erfordere „adäquate Werkzeuge zur Gewinnung und zum Austausch von Erkenntnissen“. Mit dem geplanten Gesetz werde eine moderne Informationstechnologie implementiert, die die Zusammenarbeit zwischen Nachrichtendiensten und Polizeien ergänzen und festigen werde. Die Verbunddatei werde einen schnelleren und reibungsfreieren Informationsaustausch zwischen dem BfV und Polizeibehörden ermöglichen. Mit der Möglichkeit der „verdeckten Speicherung“ stelle der Entwurf einen „praxistauglichen Kompromiss zwischen dem Exekutivinteressen der Polizeibehörden und den besonderen Geheimhaltungsinteressen des BfV und der übrigen Nachrichtendienste dar“.
Der Vizepräsident beim Bundeskriminalamt, Jürgen Maurer, nannte es „das Gebot der Stunde“, unterschiedlich verfügbare Informationen zu verzahnen. Zentral sei dabei eine Datei, die die verschiedenen Datenbestände zusammenführe.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, forderte mit Blick auf die geplante Datei eine umfassende Prüfungskompetenz, die er gerne gemeinsam mit den Landesdatenschutzbeauftragten ausüben wolle. Eine entsprechende Regelung solle in das Gesetz eingefügt werden.
Der Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans argumentierte, gemeinsame Dateien seien unter dem Aspekt der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten eine „Risikotechnologie für die Demokratie und für den Datenschutz“. Hilbrans warf zugleich die Frage auf, ob es nicht noch viel zu früh sei, sich auf bestimmte Instrumente festzulegen. Er plädierte unter anderem dafür, zunächst die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse des Bundestages und des Thüringer Landtages zu der dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ angelasteten Mordserie abzuwarten.
Auch Prof. Dr. Fredrik Roggan von der Polizeiakademie Niedersachsen sagte, der Bundestag solle die Ergebnisse der im Bund und mehreren Ländern eingesetzten Untersuchungsgremien abwarten.
Prof. Dr. Dieter Kugelmann von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster sah in dem Gesetzentwurf „einige Unschärfen“. Er regte unter anderem an, die vorgesehene Kennzeichnungspflicht für bestimmte Daten auszudehnen.
Prof. Dr. Ralf Poscher von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg plädierte dafür, in den Entwurf bestimmte Mitteilungspflichten gegenüber Betroffenen aufzunehmen.
Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) sagte, die neue Datei ermögliche unter anderem, dass Sicherheitsbehörden, die von Rechts wegen Informationen austauschen dürfen, „sich wechselseitig finden und es dann zu diesem Informationsaustausch kommt“. Dies sei eine sehr sinnvolle Funktion. Auf diese Weise verhindere die Datei, dass „durch die differenzierte Sicherheitsarchitektur Deutschlands ungewollt Effizienzeinbußen bei der Sicherheitsgewährleistung“ anfielen. (sto)