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Die durch eine Vielzahl von Gebern entstandene Fragmentierung der Entwicklungszusammenarbeit muss verringert werden. In dieser Forderung waren sich die zu einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unter Vorsitz von Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) am Mittwoch, 28. März 2012, geladenen Experten weitgehend einig. Die Frage, ob dieses Ziel eher auf dem Wege der bilateralen oder der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit erreicht werden kann, konnte hingegen nicht klar beantwortet werden.
Eine pauschale Bewertung sei nicht möglich, sagte Tobias Hauschild von der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam Deutschland. Eine gut koordinierte bilaterale Entwicklungszusammenarbeit könne durchaus von Wert sein. Um die Wirksamkeit der bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, müsse sie "multilateralisiert" werden, forderte er.
Hauschild verwies auf die zunehmende Gebervielfalt, die zu immer höheren Transaktionskosten führe und die Partnerländer belaste. "Es herrscht die Tendenz, dass es immer mehr Geber mit immer weniger Geld gibt." Seiner Ansicht nach kann eine multilaterale Entwicklungszusammenarbeit dem entgegenwirken. Zumindest müsse sich die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit "immer mehr am multilateralen Handeln orientieren".
Von einem "multilateralen Geberchaos" sprach der OECD-Forschungsdirektor Prof. Dr. Helmut Reisen angesichts von 280 multilateralen Institutionen. Das führe zu "inneffizienten Dopplungen", sagte er. Bei der Frage "bilateral oder multilateral" müsse man abwägen zwischen dem Wunsch nach Kontrolle, Verantwortung und Sichtbarmachung auf der einen Seite und positiven Effekten bei der Präsens vor Ort auf der anderen Seite.
Deutschland, so Reisens Forderung, müsse sich entscheiden, ob es mehr auf bilaterale Entwicklungszusammenarbeit setze oder stärker auf die multilateralen Prozesse einwirken wolle.
Für Dr. Stephan Klingebiel, Leiter der Abteilung bi- und multilaterale Entwicklungspolitik beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik, stellt sich nicht die Frage nach bilateral oder multilateral. "In der Realität haben wir es mit Sonder- und Mischformen zu tun", sagte der Politologe. Die Frage, ob und welche Vorteile das eine oder das andere System hat, sollte vorrangig aus der Perspektive der Partnerseite bewertet werden, forderte Klingebiel. Wenn ein fragmentiertes System für die Partnerseite nachteilig sei, müsse viel grundsätzlicher über die Angebotsstruktur der Geberseite geredet werden.
Neben der Frage von Vorteilen der bilateralen und der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit wurde während der Anhörung auch über feste Quoten bei der Aufteilung von Geldern diskutiert. Die von Deutschland fixierte feste Quote für den Anteil der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit sei eine "selbstauferlegte Fessel", sagte Dr. Thomas Fues, Leiter der Abteilung Ausbildung beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik.
"Mit dieser Vorfestlegung wird das Pferd von hinten aufgezäumt", sagte er. Wenn Deutschland seinen Einfluss in den internationalen Organisationen wahren und selbst Kooperationen zur Schaffung globaler Regelwerke mitgestalten wolle, müsse die Quote auf den Prüfstand, forderte der Ökonom.
Auch Dr. Klaus Schilder von der Nichtregierungsorganisation Global Policy Forum Europe sprach sich gegen eine feste Quote aus. Durch sie bestehe die Gefahr, dass sinnvolle Maßnahmen aus Quotierungszwängen nicht oder nicht in ausreichendem Maße erfolgen könnten. Unter der durch die feste Quote bedingte Bevorzugung bilateraler Programme könne die politische Unterstützung Deutschlands für multilaterale Initiativen leiden, warnte er. (hau)
Dr. Thomas Fues, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik
Tobias Hauschild, Oxfam Deutschland e.V.
Dr. Stephan Klingebiel, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik
Prof. Dr. Helmut Reisen, Head of Research, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)
Dr. Klaus Schilder, Global Policy Forum Europe