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Der Deutsche Bundestag beschäftigt sich am Donnerstag, 29. März 2012, in zweistündiger Debatte ab 9 Uhr erstmals mit den Verträgen zum europäischen Fiskalpakt und zur Einrichtung und Finanzierung des ständigen Euro-Rettungsschirm ESM. In vier Gesetzentwürfen (17/9045, 17/9046, 17/9047, 17/9048) schlagen die Koalitionsfraktionen dazu die Zustimmung des Bundestages vor. Ebenfalls in erster Lesung beraten wird ein gemeinsamer Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Stabilisierungsmechanismusgesetzes (17/9145). Er zielt darauf ab, die vom Bundesverfassungsgericht am 28. Februar 2012 gerügte Gesetzeslage zu korrigieren, wonach eilbedürftige Entscheidungen an ein neunköpfiges Gremium des Haushaltsausschusses delegiert werden können.
Der interfraktionelle Gesetzentwurf enthält eine Regelung für Fälle besonderer Vertraulichkeit, die bei Interventionen des vorläufigen Euro-Rettungsschirm EFSF auf dem Finanzmarkt (Sekundärmarkt) auftreten können. Karlsruhe hatte bestätigt, dass die Wahrung der Vertraulichkeit es ausnahmsweise rechtfertigen kann, Entscheidungsbefugnisse des Bundestages auf den Haushaltsausschuss oder ein kleineres Gremium zu übertragen.
Dies sei nur denkbar, wenn über Maßnahmen entschieden werden muss, bei denen nicht nur der Inhalt der Beratung, sondern auch die Tatsache der Beratung und der Beschlussfassung an sich geheim gehalten werden muss, um den Erfolg nicht von vornherein unmöglich zu machen. Der einzige verfassungsgerichtlich bestätigte Anwendungsfall
sind nach Angaben der vier Fraktionen Notmaßnahmen in Form von Ankäufen von Staatsanleihen eines Mitgliedstaats auf dem Sekundärmarkt. Denn in diesen Fällen könne es den Erfolg einer Notmaßnahme vereiteln, wenn auch nur deren Planung bekannt wird.
Die Befassung des Haushaltsausschusses mit mehr als vierzig Personen würde aufgrund der damit verbundenen
umfangreicheren organisatorischen Vorbereitungen nicht hinnehmbare Risiken für die Vertraulichkeit bergen, heißt es in dem Entwurf. Die Bundesregierung mache - im konkreten Fall - die besondere Vertraulichkeit geltend und befasse damit direkt das Sondergremium. Das Gremium kann dem Entwurf zufolge seiner Zuständigkeit widersprechen und seine Rechte an den Bundestag zurückgeben, wenn es - anders als die Bundesregierung - nicht der Auffassung ist, dass besondere Vertraulichkeit erforderlich ist.
Die Definition der Zusammensetzung des Gremiums stellt aus Sicht der Fraktionen klar, dass es das Plenum in seinen Mehrheitsverhältnissen sowie in seiner politischen Gewichtung spiegeln muss. Die Wahl von Stellvertretern solle gewährleisten, dass das Sondergremium auch bei einer möglichen Verhinderung einzelner Mitglieder handlungsfähig bleibt. Zudem stärke eine geheime und persönliche Wahl deren parlamentarische Legitimation.
Beim Fiskalpakt verpflichten sich die Vertragsparteien, verbindliche und dauerhafte Regelungen in ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung vorzusehen, um ausgeglichene Haushalte zu erreichen. Sofern dieses Ziel nicht eingehalten werden kann, muss ein entsprechender Anpassungspfad eingehalten werden.
Mitgliedstaaten, die sich in einem Defizitverfahren befinden, müssen darüber hinaus ein Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftprogramm auflegen, das von Rat und EU-Kommission genehmigt und überwacht wird. Flankiert wird dies durch Regelungen zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung und Steuerung, heißt es im Vertrag.
Eine nachhaltige Haushaltspolitik und gesunde Staatsfinanzen in den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes sind angesichts der umfassenden politischen und volkswirtschaftlichen Abhängigkeiten zwischen diesen Staaten unabdingbar, schreiben die Fraktionen im Gesetzentwurf zur Begründung.
Diese seien notwendige Voraussetzungen für Vertrauen in einen handlungsfähigen Staat, dauerhaft günstige Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen und den Zusammenhalt der Wirtschafts- und Währungsunion.
Im Laufe der vergangenen Jahre habe sich gezeigt, dass die finanzielle Solidität der Euro-Mitgliedstaaten und das reibungslose Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion durch die im Rahmen von Maastricht vereinbarten Regelungen nicht im ausreichenden Maße gewährleistet würden. Dies könne zu essenziellen Problemen für die betroffenen Mitgliedstaaten, das Euro-Währungsgebiet und die Europäische Union als Ganzes führen. Deshalb sei es notwendig, die Wirtschafts- und Währungsunion durch neue vertragliche Regelungen zu verstärken, um die Haushaltsdisziplin zu verbessern, gesunde öffentliche Finanzen zu erreichen und eine verstärkte wirtschaftspolitische Koordinierung und Steuerung zu ermöglichen.
Ursprüngliches Ziel sei es gewesen, diese Regelungen durch eine Änderung der Unionsverträge einzuführen. Dies sei derzeit nicht realisierbar, heißt es in dem Gesetzentwurf. Deshalb sollen die von den Staats- und Regierungschefs des Euroraums vom 9. Dezember 2011 vereinbarten inhaltlichen Eckpunkte im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages umgesetzt werden. Vertragspartner seien die Euro-Mitgliedstaaten sowie acht der zehn übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Zur Einrichtung und Finanzierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) heißt es, dass die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise strukturelle Probleme im Euroraum (zu hohe Staatsverschuldung und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Eurostaaten) ebenso schonungslos offengelegt habe wie grundlegende Mängel in der Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion.
Diese sollen mit dem ESM als dauerhaftem Krisenbewältigungsmechanismus bekämpft werden. Damit solle das rechtliche Fundament der Wirtschafts- und Währungsunion durch den von 25 Mitgliedstaaten unterzeichneten Fiskalvertrag weiter verstärkt werden, schreiben die Fraktionen. Die Zustimmung zum Fiskalpakt erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.
Zudem werde als Ergänzung dieser präventiv wirkenden Maßnahmen ein robustes Krisenbewältigungsinstrument geschaffen, um Gefahren für die Stabilität der Eurozone insgesamt effektiv abwenden zu können. Der ESM soll ab Juli 2012 den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets Stabilitätshilfen zur Verfügung stellen können, wenn es zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seine Mitgliedstaaten unabdingbar sei.
Der ESM soll durch völkerrechtlichen Vertrag als internationale Finanzinstitution begründet und mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro ausgestattet werden, heißt es im Gesetzentwurf zur finanziellen Beteiligung am ESM. Davon sollen 80 Milliarden Euro bar eingezahlt werden und 620 Milliarden Euro aus abrufbarem Kapital bestehen.
Der Anteil der Bundesrepublik Deutschland soll 21,72 Milliarden Euro an Bareinlagen und 168,3 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital betragen. Das einzuzahlende Kapital soll in Teilbeträgen bereitgestellt werden. Die in diesem Jahr anfallende Tranche soll durch einen Nachtragshaushalt in Höhe von rund 8,4 Milliarden Euro bereitgestellt werden, den das Kabinett bereits verabschiedet hat.
Schließlich wollen die Fraktionen mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes (17/9049) die Möglichkeit schaffen, Umschuldungsklauseln in die Emissionsbedingung des Bundes einzuführen.
Weiter berät der Bundestag am 29. März erstmals auch über drei Anträge der Linksfraktion, in denen vorgeschlagen wird, den ESM abzulehnen (17/9146), die Ratifizierung des Fiskalpaktes zu stoppen (17/9147) und die EU-Verträge grundlegend zu reformieren (17/9148).
Das Plenum wird alle Initiativen zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überweisen. Verabschiedet werden sollen die Gesetzentwürfe am Freitag, 25. Mai 2012. (mik)